Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

digen. Das gereinigte auf der Staffelei stehende Ge¬
mälde wies uns nun eine viel größere Schönheit, als
es uns nach der ersten oberflächlichen Waschung ge¬
zeigt hatte; aber es war durch die vielen Sprünge
Risse und nackten Stellen noch so verunstaltet, daß
eine genaue Würdigung auch jezt nicht möglich war,
selbst wenn wir bedeutend größere Erfahrungen ge¬
habt hätten, als wir hatten. Roland und Eustach
schritten zur Ausbesserung. Kein Ding kann schwie¬
riger sein, und durch keins sind Gemälde so sehr ent¬
stellt und entwerthet worden. Ich glaube, wir haben
einen nicht unrichtigen Weg eingeschlagen. Eine ur¬
sprüngliche Farbe durfte gar nicht bedeckt werden.
Zum Glücke hatte das Bild gar nie eine Ausbesserung
oder sogenannte Übermalung erhalten, so daß entwe¬
der nur die ursprüngliche Farbe vorhanden war oder
gar keine. In die farbentblößten Stellen wurde die
Farbe, welche die umgrenzenden Ränder zeigten,
gleichsam wie ein Stift eingesezt, bis die Grube er¬
füllt war. Wir nahmen die Farben so trocken als
möglich und so dicht gerieben, als es der Laufer auf
dem Steine, ohne stecken zu bleiben, zuwege bringen
konnte. Wenn sich aber doch wieder nach dem Trock¬
nen eine Vertiefung zeigte, wurde dieselbe neuerdings

digen. Das gereinigte auf der Staffelei ſtehende Ge¬
mälde wies uns nun eine viel größere Schönheit, als
es uns nach der erſten oberflächlichen Waſchung ge¬
zeigt hatte; aber es war durch die vielen Sprünge
Riſſe und nackten Stellen noch ſo verunſtaltet, daß
eine genaue Würdigung auch jezt nicht möglich war,
ſelbſt wenn wir bedeutend größere Erfahrungen ge¬
habt hätten, als wir hatten. Roland und Euſtach
ſchritten zur Ausbeſſerung. Kein Ding kann ſchwie¬
riger ſein, und durch keins ſind Gemälde ſo ſehr ent¬
ſtellt und entwerthet worden. Ich glaube, wir haben
einen nicht unrichtigen Weg eingeſchlagen. Eine ur¬
ſprüngliche Farbe durfte gar nicht bedeckt werden.
Zum Glücke hatte das Bild gar nie eine Ausbeſſerung
oder ſogenannte Übermalung erhalten, ſo daß entwe¬
der nur die urſprüngliche Farbe vorhanden war oder
gar keine. In die farbentblößten Stellen wurde die
Farbe, welche die umgrenzenden Ränder zeigten,
gleichſam wie ein Stift eingeſezt, bis die Grube er¬
füllt war. Wir nahmen die Farben ſo trocken als
möglich und ſo dicht gerieben, als es der Laufer auf
dem Steine, ohne ſtecken zu bleiben, zuwege bringen
konnte. Wenn ſich aber doch wieder nach dem Trock¬
nen eine Vertiefung zeigte, wurde dieſelbe neuerdings

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0170" n="156"/>
digen. Das gereinigte auf der Staffelei &#x017F;tehende Ge¬<lb/>
mälde wies uns nun eine viel größere Schönheit, als<lb/>
es uns nach der er&#x017F;ten oberflächlichen Wa&#x017F;chung ge¬<lb/>
zeigt hatte; aber es war durch die vielen Sprünge<lb/>
Ri&#x017F;&#x017F;e und nackten Stellen noch &#x017F;o verun&#x017F;taltet, daß<lb/>
eine genaue Würdigung auch jezt nicht möglich war,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t wenn wir bedeutend größere Erfahrungen ge¬<lb/>
habt hätten, als wir hatten. Roland und Eu&#x017F;tach<lb/>
&#x017F;chritten zur Ausbe&#x017F;&#x017F;erung. Kein Ding kann &#x017F;chwie¬<lb/>
riger &#x017F;ein, und durch keins &#x017F;ind Gemälde &#x017F;o &#x017F;ehr ent¬<lb/>
&#x017F;tellt und entwerthet worden. Ich glaube, wir haben<lb/>
einen nicht unrichtigen Weg einge&#x017F;chlagen. Eine ur¬<lb/>
&#x017F;prüngliche Farbe durfte gar nicht bedeckt werden.<lb/>
Zum Glücke hatte das Bild gar nie eine Ausbe&#x017F;&#x017F;erung<lb/>
oder &#x017F;ogenannte Übermalung erhalten, &#x017F;o daß entwe¬<lb/>
der nur die ur&#x017F;prüngliche Farbe vorhanden war oder<lb/>
gar keine. In die farbentblößten Stellen wurde die<lb/>
Farbe, welche die umgrenzenden Ränder zeigten,<lb/>
gleich&#x017F;am wie ein Stift einge&#x017F;ezt, bis die Grube er¬<lb/>
füllt war. Wir nahmen die Farben &#x017F;o trocken als<lb/>
möglich und &#x017F;o dicht gerieben, als es der Laufer auf<lb/>
dem Steine, ohne &#x017F;tecken zu bleiben, zuwege bringen<lb/>
konnte. Wenn &#x017F;ich aber doch wieder nach dem Trock¬<lb/>
nen eine Vertiefung zeigte, wurde die&#x017F;elbe neuerdings<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0170] digen. Das gereinigte auf der Staffelei ſtehende Ge¬ mälde wies uns nun eine viel größere Schönheit, als es uns nach der erſten oberflächlichen Waſchung ge¬ zeigt hatte; aber es war durch die vielen Sprünge Riſſe und nackten Stellen noch ſo verunſtaltet, daß eine genaue Würdigung auch jezt nicht möglich war, ſelbſt wenn wir bedeutend größere Erfahrungen ge¬ habt hätten, als wir hatten. Roland und Euſtach ſchritten zur Ausbeſſerung. Kein Ding kann ſchwie¬ riger ſein, und durch keins ſind Gemälde ſo ſehr ent¬ ſtellt und entwerthet worden. Ich glaube, wir haben einen nicht unrichtigen Weg eingeſchlagen. Eine ur¬ ſprüngliche Farbe durfte gar nicht bedeckt werden. Zum Glücke hatte das Bild gar nie eine Ausbeſſerung oder ſogenannte Übermalung erhalten, ſo daß entwe¬ der nur die urſprüngliche Farbe vorhanden war oder gar keine. In die farbentblößten Stellen wurde die Farbe, welche die umgrenzenden Ränder zeigten, gleichſam wie ein Stift eingeſezt, bis die Grube er¬ füllt war. Wir nahmen die Farben ſo trocken als möglich und ſo dicht gerieben, als es der Laufer auf dem Steine, ohne ſtecken zu bleiben, zuwege bringen konnte. Wenn ſich aber doch wieder nach dem Trock¬ nen eine Vertiefung zeigte, wurde dieſelbe neuerdings

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/170
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/170>, abgerufen am 24.11.2024.