es so zwingt, das Bild mit zu malen, zu dem ein Licht in dem Farbenkasten nicht war. Ich erkannte, wie der eine in durchsichtigen Farben untermalte, und auf diese seine festen körperigen Farben aufsezte, oder wie ein anderer Farbe auf Farbe mit breitem Pinsel hinstellt, und mit ihm die Übergänge vermittelt, und mit ihm die Zeichnung umreißt. Daß alte Bilder dü¬ sterer sind, erschien mir einleuchtend, da das Öhl die Farben nachdunkeln macht, und der Firniß eine dunkle bräunliche Farbe erhält. Beides haben umsichtige Meister mehr als voreilige zu vermeiden gewußt, und mein Gastfreund hatte Bilder, die in schöner Pracht und Farbenherrlichkeit leuchteten, obwohl auch bei ihnen die Würde bewahrt blieb, daß sie mehr die Kraft des Tones als auffallende oder etwa gar un¬ wahre Farben brachten. Da ich schon viel mit Farben beschäftigt gewesen war, so verweilte ich oft lange bei einem Bilde, um zu ergründen, wie es gemalt ist, und auf welche Weise die Stoffe behandelt worden sind. In dem Rosenzimmerchen Mathildens, wohin mich mein Gastfreund führte, um auch dort die Bil¬ der zu sehen, hingen vier kleine Gemälde, davon zwei von Tizian waren, eines von Dominichino und eines von Guido Reni. Sie waren an Größe fast gleich
es ſo zwingt, das Bild mit zu malen, zu dem ein Licht in dem Farbenkaſten nicht war. Ich erkannte, wie der eine in durchſichtigen Farben untermalte, und auf dieſe ſeine feſten körperigen Farben aufſezte, oder wie ein anderer Farbe auf Farbe mit breitem Pinſel hinſtellt, und mit ihm die Übergänge vermittelt, und mit ihm die Zeichnung umreißt. Daß alte Bilder dü¬ ſterer ſind, erſchien mir einleuchtend, da das Öhl die Farben nachdunkeln macht, und der Firniß eine dunkle bräunliche Farbe erhält. Beides haben umſichtige Meiſter mehr als voreilige zu vermeiden gewußt, und mein Gaſtfreund hatte Bilder, die in ſchöner Pracht und Farbenherrlichkeit leuchteten, obwohl auch bei ihnen die Würde bewahrt blieb, daß ſie mehr die Kraft des Tones als auffallende oder etwa gar un¬ wahre Farben brachten. Da ich ſchon viel mit Farben beſchäftigt geweſen war, ſo verweilte ich oft lange bei einem Bilde, um zu ergründen, wie es gemalt iſt, und auf welche Weiſe die Stoffe behandelt worden ſind. In dem Roſenzimmerchen Mathildens, wohin mich mein Gaſtfreund führte, um auch dort die Bil¬ der zu ſehen, hingen vier kleine Gemälde, davon zwei von Tizian waren, eines von Dominichino und eines von Guido Reni. Sie waren an Größe faſt gleich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0163"n="149"/>
es ſo zwingt, das Bild mit zu malen, zu dem ein<lb/>
Licht in dem Farbenkaſten nicht war. Ich erkannte,<lb/>
wie der eine in durchſichtigen Farben untermalte, und<lb/>
auf dieſe ſeine feſten körperigen Farben aufſezte, oder<lb/>
wie ein anderer Farbe auf Farbe mit breitem Pinſel<lb/>
hinſtellt, und mit ihm die Übergänge vermittelt, und<lb/>
mit ihm die Zeichnung umreißt. Daß alte Bilder dü¬<lb/>ſterer ſind, erſchien mir einleuchtend, da das Öhl die<lb/>
Farben nachdunkeln macht, und der Firniß eine dunkle<lb/>
bräunliche Farbe erhält. Beides haben umſichtige<lb/>
Meiſter mehr als voreilige zu vermeiden gewußt, und<lb/>
mein Gaſtfreund hatte Bilder, die in ſchöner Pracht<lb/>
und Farbenherrlichkeit leuchteten, obwohl auch bei<lb/>
ihnen die Würde bewahrt blieb, daß ſie mehr die<lb/>
Kraft des Tones als auffallende oder etwa gar un¬<lb/>
wahre Farben brachten. Da ich ſchon viel mit Farben<lb/>
beſchäftigt geweſen war, ſo verweilte ich oft lange bei<lb/>
einem Bilde, um zu ergründen, wie es gemalt iſt,<lb/>
und auf welche Weiſe die Stoffe behandelt worden<lb/>ſind. In dem Roſenzimmerchen Mathildens, wohin<lb/>
mich mein Gaſtfreund führte, um auch dort die Bil¬<lb/>
der zu ſehen, hingen vier kleine Gemälde, davon zwei<lb/>
von Tizian waren, eines von Dominichino und eines<lb/>
von Guido Reni. Sie waren an Größe faſt gleich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[149/0163]
es ſo zwingt, das Bild mit zu malen, zu dem ein
Licht in dem Farbenkaſten nicht war. Ich erkannte,
wie der eine in durchſichtigen Farben untermalte, und
auf dieſe ſeine feſten körperigen Farben aufſezte, oder
wie ein anderer Farbe auf Farbe mit breitem Pinſel
hinſtellt, und mit ihm die Übergänge vermittelt, und
mit ihm die Zeichnung umreißt. Daß alte Bilder dü¬
ſterer ſind, erſchien mir einleuchtend, da das Öhl die
Farben nachdunkeln macht, und der Firniß eine dunkle
bräunliche Farbe erhält. Beides haben umſichtige
Meiſter mehr als voreilige zu vermeiden gewußt, und
mein Gaſtfreund hatte Bilder, die in ſchöner Pracht
und Farbenherrlichkeit leuchteten, obwohl auch bei
ihnen die Würde bewahrt blieb, daß ſie mehr die
Kraft des Tones als auffallende oder etwa gar un¬
wahre Farben brachten. Da ich ſchon viel mit Farben
beſchäftigt geweſen war, ſo verweilte ich oft lange bei
einem Bilde, um zu ergründen, wie es gemalt iſt,
und auf welche Weiſe die Stoffe behandelt worden
ſind. In dem Roſenzimmerchen Mathildens, wohin
mich mein Gaſtfreund führte, um auch dort die Bil¬
der zu ſehen, hingen vier kleine Gemälde, davon zwei
von Tizian waren, eines von Dominichino und eines
von Guido Reni. Sie waren an Größe faſt gleich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/163>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.