Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

menschlicher Gestaltungen ist, nicht der Farbestoff, mit
dem der Unkundige seinen Gebilden ein widriges
Roth und Weiß gibt, daß die Schatten so tief gehen,
wie sie die Natur zeigt, und daß die Umgebung eine
noch größere Tiefe hat, wodurch jene Kraft erzielt
wird, die sich der nähert, welche die Schöpfung durch
wirklichen Sonnenschein gibt, den niemand malen
kann, weil man den Pinsel nicht in Licht zu tauchen
vermag, eine Kraft, die ich jezt an den alten Bildern
so bewunderte. Von der außermenschlichen Natur
sah ich leuchtende Wolken klare Himmelsgebilde ra¬
gende reiche Bäume gedehnte Ebenen starrende Felsen
ferne Berge helle dahinfließende Bäche spiegelnde
Seen und grüne Weiden, ich sah ernste Bauwerke
und ich sah das sogenannte stille Leben in Pflanzen
Blumen Früchten in Thieren und Thierchen. Ich be¬
wunderte das Geschick und den Geist, womit alles
zurechtgelegt und hervorgebracht ist. Ich erkannte,
wie unsere Vorfahren Landschaften und Thiere mal¬
ten. Ich erstaunte über den zarten Schmelz, womit
einer mittelst Überfarben seinen Gebilden eine Durch¬
sichtigkeit gab, oder über die Stärke, womit ein an¬
derer undurchsichtige Farben hinstellte, daß sie einen
Berg bildeten, der das Licht fängt und spiegelt, und

menſchlicher Geſtaltungen iſt, nicht der Farbeſtoff, mit
dem der Unkundige ſeinen Gebilden ein widriges
Roth und Weiß gibt, daß die Schatten ſo tief gehen,
wie ſie die Natur zeigt, und daß die Umgebung eine
noch größere Tiefe hat, wodurch jene Kraft erzielt
wird, die ſich der nähert, welche die Schöpfung durch
wirklichen Sonnenſchein gibt, den niemand malen
kann, weil man den Pinſel nicht in Licht zu tauchen
vermag, eine Kraft, die ich jezt an den alten Bildern
ſo bewunderte. Von der außermenſchlichen Natur
ſah ich leuchtende Wolken klare Himmelsgebilde ra¬
gende reiche Bäume gedehnte Ebenen ſtarrende Felſen
ferne Berge helle dahinfließende Bäche ſpiegelnde
Seen und grüne Weiden, ich ſah ernſte Bauwerke
und ich ſah das ſogenannte ſtille Leben in Pflanzen
Blumen Früchten in Thieren und Thierchen. Ich be¬
wunderte das Geſchick und den Geiſt, womit alles
zurechtgelegt und hervorgebracht iſt. Ich erkannte,
wie unſere Vorfahren Landſchaften und Thiere mal¬
ten. Ich erſtaunte über den zarten Schmelz, womit
einer mittelſt Überfarben ſeinen Gebilden eine Durch¬
ſichtigkeit gab, oder über die Stärke, womit ein an¬
derer undurchſichtige Farben hinſtellte, daß ſie einen
Berg bildeten, der das Licht fängt und ſpiegelt, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0162" n="148"/>
men&#x017F;chlicher Ge&#x017F;taltungen i&#x017F;t, nicht der Farbe&#x017F;toff, mit<lb/>
dem der Unkundige &#x017F;einen Gebilden ein widriges<lb/>
Roth und Weiß gibt, daß die Schatten &#x017F;o tief gehen,<lb/>
wie &#x017F;ie die Natur zeigt, und daß die Umgebung eine<lb/>
noch größere Tiefe hat, wodurch jene Kraft erzielt<lb/>
wird, die &#x017F;ich der nähert, welche die Schöpfung durch<lb/>
wirklichen Sonnen&#x017F;chein gibt, den niemand malen<lb/>
kann, weil man den Pin&#x017F;el nicht in Licht zu tauchen<lb/>
vermag, eine Kraft, die ich jezt an den alten Bildern<lb/>
&#x017F;o bewunderte. Von der außermen&#x017F;chlichen Natur<lb/>
&#x017F;ah ich leuchtende Wolken klare Himmelsgebilde ra¬<lb/>
gende reiche Bäume gedehnte Ebenen &#x017F;tarrende Fel&#x017F;en<lb/>
ferne Berge helle dahinfließende Bäche &#x017F;piegelnde<lb/>
Seen und grüne Weiden, ich &#x017F;ah ern&#x017F;te Bauwerke<lb/>
und ich &#x017F;ah das &#x017F;ogenannte &#x017F;tille Leben in Pflanzen<lb/>
Blumen Früchten in Thieren und Thierchen. Ich be¬<lb/>
wunderte das Ge&#x017F;chick und den Gei&#x017F;t, womit alles<lb/>
zurechtgelegt und hervorgebracht i&#x017F;t. Ich erkannte,<lb/>
wie un&#x017F;ere Vorfahren Land&#x017F;chaften und Thiere mal¬<lb/>
ten. Ich er&#x017F;taunte über den zarten Schmelz, womit<lb/>
einer mittel&#x017F;t Überfarben &#x017F;einen Gebilden eine Durch¬<lb/>
&#x017F;ichtigkeit gab, oder über die Stärke, womit ein an¬<lb/>
derer undurch&#x017F;ichtige Farben hin&#x017F;tellte, daß &#x017F;ie einen<lb/>
Berg bildeten, der das Licht fängt und &#x017F;piegelt, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0162] menſchlicher Geſtaltungen iſt, nicht der Farbeſtoff, mit dem der Unkundige ſeinen Gebilden ein widriges Roth und Weiß gibt, daß die Schatten ſo tief gehen, wie ſie die Natur zeigt, und daß die Umgebung eine noch größere Tiefe hat, wodurch jene Kraft erzielt wird, die ſich der nähert, welche die Schöpfung durch wirklichen Sonnenſchein gibt, den niemand malen kann, weil man den Pinſel nicht in Licht zu tauchen vermag, eine Kraft, die ich jezt an den alten Bildern ſo bewunderte. Von der außermenſchlichen Natur ſah ich leuchtende Wolken klare Himmelsgebilde ra¬ gende reiche Bäume gedehnte Ebenen ſtarrende Felſen ferne Berge helle dahinfließende Bäche ſpiegelnde Seen und grüne Weiden, ich ſah ernſte Bauwerke und ich ſah das ſogenannte ſtille Leben in Pflanzen Blumen Früchten in Thieren und Thierchen. Ich be¬ wunderte das Geſchick und den Geiſt, womit alles zurechtgelegt und hervorgebracht iſt. Ich erkannte, wie unſere Vorfahren Landſchaften und Thiere mal¬ ten. Ich erſtaunte über den zarten Schmelz, womit einer mittelſt Überfarben ſeinen Gebilden eine Durch¬ ſichtigkeit gab, oder über die Stärke, womit ein an¬ derer undurchſichtige Farben hinſtellte, daß ſie einen Berg bildeten, der das Licht fängt und ſpiegelt, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/162
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/162>, abgerufen am 03.05.2024.