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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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menschlicher Gestaltungen ist, nicht der Farbestoff, mit
dem der Unkundige seinen Gebilden ein widriges
Roth und Weiß gibt, daß die Schatten so tief gehen,
wie sie die Natur zeigt, und daß die Umgebung eine
noch größere Tiefe hat, wodurch jene Kraft erzielt
wird, die sich der nähert, welche die Schöpfung durch
wirklichen Sonnenschein gibt, den niemand malen
kann, weil man den Pinsel nicht in Licht zu tauchen
vermag, eine Kraft, die ich jezt an den alten Bildern
so bewunderte. Von der außermenschlichen Natur
sah ich leuchtende Wolken klare Himmelsgebilde ra¬
gende reiche Bäume gedehnte Ebenen starrende Felsen
ferne Berge helle dahinfließende Bäche spiegelnde
Seen und grüne Weiden, ich sah ernste Bauwerke
und ich sah das sogenannte stille Leben in Pflanzen
Blumen Früchten in Thieren und Thierchen. Ich be¬
wunderte das Geschick und den Geist, womit alles
zurechtgelegt und hervorgebracht ist. Ich erkannte,
wie unsere Vorfahren Landschaften und Thiere mal¬
ten. Ich erstaunte über den zarten Schmelz, womit
einer mittelst Überfarben seinen Gebilden eine Durch¬
sichtigkeit gab, oder über die Stärke, womit ein an¬
derer undurchsichtige Farben hinstellte, daß sie einen
Berg bildeten, der das Licht fängt und spiegelt, und

menſchlicher Geſtaltungen iſt, nicht der Farbeſtoff, mit
dem der Unkundige ſeinen Gebilden ein widriges
Roth und Weiß gibt, daß die Schatten ſo tief gehen,
wie ſie die Natur zeigt, und daß die Umgebung eine
noch größere Tiefe hat, wodurch jene Kraft erzielt
wird, die ſich der nähert, welche die Schöpfung durch
wirklichen Sonnenſchein gibt, den niemand malen
kann, weil man den Pinſel nicht in Licht zu tauchen
vermag, eine Kraft, die ich jezt an den alten Bildern
ſo bewunderte. Von der außermenſchlichen Natur
ſah ich leuchtende Wolken klare Himmelsgebilde ra¬
gende reiche Bäume gedehnte Ebenen ſtarrende Felſen
ferne Berge helle dahinfließende Bäche ſpiegelnde
Seen und grüne Weiden, ich ſah ernſte Bauwerke
und ich ſah das ſogenannte ſtille Leben in Pflanzen
Blumen Früchten in Thieren und Thierchen. Ich be¬
wunderte das Geſchick und den Geiſt, womit alles
zurechtgelegt und hervorgebracht iſt. Ich erkannte,
wie unſere Vorfahren Landſchaften und Thiere mal¬
ten. Ich erſtaunte über den zarten Schmelz, womit
einer mittelſt Überfarben ſeinen Gebilden eine Durch¬
ſichtigkeit gab, oder über die Stärke, womit ein an¬
derer undurchſichtige Farben hinſtellte, daß ſie einen
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[148/0162] menſchlicher Geſtaltungen iſt, nicht der Farbeſtoff, mit dem der Unkundige ſeinen Gebilden ein widriges Roth und Weiß gibt, daß die Schatten ſo tief gehen, wie ſie die Natur zeigt, und daß die Umgebung eine noch größere Tiefe hat, wodurch jene Kraft erzielt wird, die ſich der nähert, welche die Schöpfung durch wirklichen Sonnenſchein gibt, den niemand malen kann, weil man den Pinſel nicht in Licht zu tauchen vermag, eine Kraft, die ich jezt an den alten Bildern ſo bewunderte. Von der außermenſchlichen Natur ſah ich leuchtende Wolken klare Himmelsgebilde ra¬ gende reiche Bäume gedehnte Ebenen ſtarrende Felſen ferne Berge helle dahinfließende Bäche ſpiegelnde Seen und grüne Weiden, ich ſah ernſte Bauwerke und ich ſah das ſogenannte ſtille Leben in Pflanzen Blumen Früchten in Thieren und Thierchen. Ich be¬ wunderte das Geſchick und den Geiſt, womit alles zurechtgelegt und hervorgebracht iſt. Ich erkannte, wie unſere Vorfahren Landſchaften und Thiere mal¬ ten. Ich erſtaunte über den zarten Schmelz, womit einer mittelſt Überfarben ſeinen Gebilden eine Durch¬ ſichtigkeit gab, oder über die Stärke, womit ein an¬ derer undurchſichtige Farben hinſtellte, daß ſie einen Berg bildeten, der das Licht fängt und ſpiegelt, und

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/162>, abgerufen am 24.11.2024.