gedacht haben, daß ich diese Bildsäule sehen konnte, und über sie geschwiegen habe?" fragte ich.
"Ich habe gedacht, daß ihr wahrhaftig seid," sagte er, "und ich habe euch höher geachtet als die, welche ohne Überzeugung von dem Werke reden, oder als die, welche es darum loben, weil sie hören, daß es von andern gelobt wird."
"Und wo habt ihr denn das herrliche Bildwerk hergenommen?" fragte ich.
"Es stammt aus dem alten Griechenlande," ant¬ wortete er, "und seine Geschichte ist sonderbar. Es stand viele Jahre in einer Bretterbude bei Cumä in Italien. Sein unterer Theil war mit Holz ver¬ baut, weil man den Plaz, an dem es stand, und der theils offen theils gedeckt war, zu häufigem Ballschla¬ gen verwendete, und die Bälle nicht selten in die Bude der Gestalt flogen. Deßhalb legte man von der Brust abwärts einen dachartigen Schuz an, der die Bälle geschickt herab rollen machte, und über den sich die Gestalt wie eine Büste darstellte. Es waren in dem Raume theils an den Bretterbauten theils an Mauerstücken, aus denen er bestand, noch andere Ge¬ stalten angebracht, ein kleiner Herkules mehrere Köpfe und ein alterthümlicher Stier von etwa drei Fuß
gedacht haben, daß ich dieſe Bildſäule ſehen konnte, und über ſie geſchwiegen habe?“ fragte ich.
„Ich habe gedacht, daß ihr wahrhaftig ſeid,“ ſagte er, „und ich habe euch höher geachtet als die, welche ohne Überzeugung von dem Werke reden, oder als die, welche es darum loben, weil ſie hören, daß es von andern gelobt wird.“
„Und wo habt ihr denn das herrliche Bildwerk hergenommen?“ fragte ich.
„Es ſtammt aus dem alten Griechenlande,“ ant¬ wortete er, „und ſeine Geſchichte iſt ſonderbar. Es ſtand viele Jahre in einer Bretterbude bei Cumä in Italien. Sein unterer Theil war mit Holz ver¬ baut, weil man den Plaz, an dem es ſtand, und der theils offen theils gedeckt war, zu häufigem Ballſchla¬ gen verwendete, und die Bälle nicht ſelten in die Bude der Geſtalt flogen. Deßhalb legte man von der Bruſt abwärts einen dachartigen Schuz an, der die Bälle geſchickt herab rollen machte, und über den ſich die Geſtalt wie eine Büſte darſtellte. Es waren in dem Raume theils an den Bretterbauten theils an Mauerſtücken, aus denen er beſtand, noch andere Ge¬ ſtalten angebracht, ein kleiner Herkules mehrere Köpfe und ein alterthümlicher Stier von etwa drei Fuß
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gedacht haben, daß ich dieſe Bildſäule ſehen konnte,
und über ſie geſchwiegen habe?“ fragte ich.
„Ich habe gedacht, daß ihr wahrhaftig ſeid,“
ſagte er, „und ich habe euch höher geachtet als die,
welche ohne Überzeugung von dem Werke reden, oder
als die, welche es darum loben, weil ſie hören, daß
es von andern gelobt wird.“
„Und wo habt ihr denn das herrliche Bildwerk
hergenommen?“ fragte ich.
„Es ſtammt aus dem alten Griechenlande,“ ant¬
wortete er, „und ſeine Geſchichte iſt ſonderbar. Es
ſtand viele Jahre in einer Bretterbude bei Cumä in
Italien. Sein unterer Theil war mit Holz ver¬
baut, weil man den Plaz, an dem es ſtand, und der
theils offen theils gedeckt war, zu häufigem Ballſchla¬
gen verwendete, und die Bälle nicht ſelten in die
Bude der Geſtalt flogen. Deßhalb legte man von der
Bruſt abwärts einen dachartigen Schuz an, der die
Bälle geſchickt herab rollen machte, und über den ſich
die Geſtalt wie eine Büſte darſtellte. Es waren in
dem Raume theils an den Bretterbauten theils an
Mauerſtücken, aus denen er beſtand, noch andere Ge¬
ſtalten angebracht, ein kleiner Herkules mehrere Köpfe
und ein alterthümlicher Stier von etwa drei Fuß
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/123>, abgerufen am 25.11.2024.
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