Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

der Altes und nur Altes. Statt der neuen Mode mit
neuen Gegenständen kam die neueste mit alten Ge¬
genständen. Man raffte Schreine Bethschemel Tische
und dergleichen zusammen, weil sie alt waren, nicht
weil sie schön waren, und stellte sie auf. Da standen
nun Dinge beisammen, die in ihren Zeiten weit von
einander ablagen, es konnte nicht fehlen, daß ein Wi¬
derwärtiges herauskam, und daß die Feinde des Al¬
ten, wenn sie Gefühl hatten, sich abwenden mußten.
Nichts aber kann so wenig passen als alte Dinge von
sehr verschiedenen Zeiten. Die Voreltern legten so
sehr einen eigenthümlichen Geist in ihre Dinge -- es
war der Geist ihres Gemüthes und ihres allgemeinen
Gefühlslebens -- daß sie diesem Geiste sogar den
Zweck opferten. Man bringt Linnen Kleider und der¬
gleichen in neue Geräthe zweckmäßiger unter als in
alte. Man kann daher alte Geräthe von ziemlich glei¬
cher Zeit aber verschiedenem Zwecke ohne große Stö¬
rung des Geistes der Traulichkeit und Innigkeit, der
in ihnen wohnt, zusammenstellen, während von un¬
seren Geräthen, die keinen Geist aber einen Zweck
haben, sogleich ein Widersinniges ausgeht, wenn
man Dinge verschiedenen Gebrauches in dasselbe
Zimmer thut, wie etwa den Schreibtisch den Wasch¬

der Altes und nur Altes. Statt der neuen Mode mit
neuen Gegenſtänden kam die neueſte mit alten Ge¬
genſtänden. Man raffte Schreine Bethſchemel Tiſche
und dergleichen zuſammen, weil ſie alt waren, nicht
weil ſie ſchön waren, und ſtellte ſie auf. Da ſtanden
nun Dinge beiſammen, die in ihren Zeiten weit von
einander ablagen, es konnte nicht fehlen, daß ein Wi¬
derwärtiges herauskam, und daß die Feinde des Al¬
ten, wenn ſie Gefühl hatten, ſich abwenden mußten.
Nichts aber kann ſo wenig paſſen als alte Dinge von
ſehr verſchiedenen Zeiten. Die Voreltern legten ſo
ſehr einen eigenthümlichen Geiſt in ihre Dinge — es
war der Geiſt ihres Gemüthes und ihres allgemeinen
Gefühlslebens — daß ſie dieſem Geiſte ſogar den
Zweck opferten. Man bringt Linnen Kleider und der¬
gleichen in neue Geräthe zweckmäßiger unter als in
alte. Man kann daher alte Geräthe von ziemlich glei¬
cher Zeit aber verſchiedenem Zwecke ohne große Stö¬
rung des Geiſtes der Traulichkeit und Innigkeit, der
in ihnen wohnt, zuſammenſtellen, während von un¬
ſeren Geräthen, die keinen Geiſt aber einen Zweck
haben, ſogleich ein Widerſinniges ausgeht, wenn
man Dinge verſchiedenen Gebrauches in dasſelbe
Zimmer thut, wie etwa den Schreibtiſch den Waſch¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0480" n="466"/>
der Altes und nur Altes. Statt der neuen Mode mit<lb/>
neuen Gegen&#x017F;tänden kam die neue&#x017F;te mit alten Ge¬<lb/>
gen&#x017F;tänden. Man raffte Schreine Beth&#x017F;chemel Ti&#x017F;che<lb/>
und dergleichen zu&#x017F;ammen, weil &#x017F;ie alt waren, nicht<lb/>
weil &#x017F;ie &#x017F;chön waren, und &#x017F;tellte &#x017F;ie auf. Da &#x017F;tanden<lb/>
nun Dinge bei&#x017F;ammen, die in ihren Zeiten weit von<lb/>
einander ablagen, es konnte nicht fehlen, daß ein Wi¬<lb/>
derwärtiges herauskam, und daß die Feinde des Al¬<lb/>
ten, wenn &#x017F;ie Gefühl hatten, &#x017F;ich abwenden mußten.<lb/>
Nichts aber kann &#x017F;o wenig pa&#x017F;&#x017F;en als alte Dinge von<lb/>
&#x017F;ehr ver&#x017F;chiedenen Zeiten. Die Voreltern legten &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr einen eigenthümlichen Gei&#x017F;t in ihre Dinge &#x2014; es<lb/>
war der Gei&#x017F;t ihres Gemüthes und ihres allgemeinen<lb/>
Gefühlslebens &#x2014; daß &#x017F;ie die&#x017F;em Gei&#x017F;te &#x017F;ogar den<lb/>
Zweck opferten. Man bringt Linnen Kleider und der¬<lb/>
gleichen in neue Geräthe zweckmäßiger unter als in<lb/>
alte. Man kann daher alte Geräthe von ziemlich glei¬<lb/>
cher Zeit aber ver&#x017F;chiedenem Zwecke ohne große Stö¬<lb/>
rung des Gei&#x017F;tes der Traulichkeit und Innigkeit, der<lb/>
in ihnen wohnt, zu&#x017F;ammen&#x017F;tellen, während von un¬<lb/>
&#x017F;eren Geräthen, die keinen Gei&#x017F;t aber einen Zweck<lb/>
haben, &#x017F;ogleich ein Wider&#x017F;inniges ausgeht, wenn<lb/>
man Dinge ver&#x017F;chiedenen Gebrauches in das&#x017F;elbe<lb/>
Zimmer thut, wie etwa den Schreibti&#x017F;ch den Wa&#x017F;ch¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[466/0480] der Altes und nur Altes. Statt der neuen Mode mit neuen Gegenſtänden kam die neueſte mit alten Ge¬ genſtänden. Man raffte Schreine Bethſchemel Tiſche und dergleichen zuſammen, weil ſie alt waren, nicht weil ſie ſchön waren, und ſtellte ſie auf. Da ſtanden nun Dinge beiſammen, die in ihren Zeiten weit von einander ablagen, es konnte nicht fehlen, daß ein Wi¬ derwärtiges herauskam, und daß die Feinde des Al¬ ten, wenn ſie Gefühl hatten, ſich abwenden mußten. Nichts aber kann ſo wenig paſſen als alte Dinge von ſehr verſchiedenen Zeiten. Die Voreltern legten ſo ſehr einen eigenthümlichen Geiſt in ihre Dinge — es war der Geiſt ihres Gemüthes und ihres allgemeinen Gefühlslebens — daß ſie dieſem Geiſte ſogar den Zweck opferten. Man bringt Linnen Kleider und der¬ gleichen in neue Geräthe zweckmäßiger unter als in alte. Man kann daher alte Geräthe von ziemlich glei¬ cher Zeit aber verſchiedenem Zwecke ohne große Stö¬ rung des Geiſtes der Traulichkeit und Innigkeit, der in ihnen wohnt, zuſammenſtellen, während von un¬ ſeren Geräthen, die keinen Geiſt aber einen Zweck haben, ſogleich ein Widerſinniges ausgeht, wenn man Dinge verſchiedenen Gebrauches in dasſelbe Zimmer thut, wie etwa den Schreibtiſch den Waſch¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/480
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/480>, abgerufen am 22.07.2024.