schönere wird es kaum geben -- so zeigte sich hier eine Zusammenstimmung, als müßten die, welche diese Dinge ursprünglich hatten herrichten lassen, in ihren einstigen Trachten bei den Thüren hereingehen. Es ergrif einen ein Gefühl eines Bedeutungsvollen.
"Die Marmore," sagte mein Gastfreund, "sind aller Orten erworben, geschliffen, geglättet, und nach einer alterthümlichen Zeichnung vieler Kirchenfenster eingesezt worden."
"Aber daß ihr die Geräthe so zusammen gefunden habt, daß sie wie ein Einziges stimmen, ist zu ver¬ wundern," sagte ich.
"Also empfindet ihr, daß sie stimmen?" erwiederte er. "Seht, das ist mir lieb, daß ihr das sagt. Ihr seid ein Beobachter, der nicht von der Sucht nach Altem befangen ist, wie uns unsere Gegner vorwer¬ fen. Ihr empfangt also das Gefühl von den Gegen¬ ständen, und tragt es nicht in dieselben hinein, wie auch unsere Gegner von uns sagen. Die Sache aber ist nur so: als man die Nichtigkeit und Leere der lezt¬ vergangenen Zeiten erkannte, und wieder auf das Alte zurück wies, und es nicht mehr als Plunder und Trödel ansah, sondern Schönes darin suchte: da ge¬ schahen freilich thörichte Dinge. Man sammelte wie¬
Stifter, Nachsommer. I. 30
ſchönere wird es kaum geben — ſo zeigte ſich hier eine Zuſammenſtimmung, als müßten die, welche dieſe Dinge urſprünglich hatten herrichten laſſen, in ihren einſtigen Trachten bei den Thüren hereingehen. Es ergrif einen ein Gefühl eines Bedeutungsvollen.
„Die Marmore,“ ſagte mein Gaſtfreund, „ſind aller Orten erworben, geſchliffen, geglättet, und nach einer alterthümlichen Zeichnung vieler Kirchenfenſter eingeſezt worden.“
„Aber daß ihr die Geräthe ſo zuſammen gefunden habt, daß ſie wie ein Einziges ſtimmen, iſt zu ver¬ wundern,“ ſagte ich.
„Alſo empfindet ihr, daß ſie ſtimmen?“ erwiederte er. „Seht, das iſt mir lieb, daß ihr das ſagt. Ihr ſeid ein Beobachter, der nicht von der Sucht nach Altem befangen iſt, wie uns unſere Gegner vorwer¬ fen. Ihr empfangt alſo das Gefühl von den Gegen¬ ſtänden, und tragt es nicht in dieſelben hinein, wie auch unſere Gegner von uns ſagen. Die Sache aber iſt nur ſo: als man die Nichtigkeit und Leere der lezt¬ vergangenen Zeiten erkannte, und wieder auf das Alte zurück wies, und es nicht mehr als Plunder und Trödel anſah, ſondern Schönes darin ſuchte: da ge¬ ſchahen freilich thörichte Dinge. Man ſammelte wie¬
Stifter, Nachſommer. I. 30
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0479"n="465"/>ſchönere wird es kaum geben —ſo zeigte ſich hier<lb/>
eine Zuſammenſtimmung, als müßten die, welche<lb/>
dieſe Dinge urſprünglich hatten herrichten laſſen, in<lb/>
ihren einſtigen Trachten bei den Thüren hereingehen.<lb/>
Es ergrif einen ein Gefühl eines Bedeutungsvollen.</p><lb/><p>„Die Marmore,“ſagte mein Gaſtfreund, „ſind<lb/>
aller Orten erworben, geſchliffen, geglättet, und nach<lb/>
einer alterthümlichen Zeichnung vieler Kirchenfenſter<lb/>
eingeſezt worden.“</p><lb/><p>„Aber daß ihr die Geräthe ſo zuſammen gefunden<lb/>
habt, daß ſie wie ein Einziges ſtimmen, iſt zu ver¬<lb/>
wundern,“ſagte ich.</p><lb/><p>„Alſo empfindet ihr, daß ſie ſtimmen?“ erwiederte<lb/>
er. „Seht, das iſt mir lieb, daß ihr das ſagt. Ihr<lb/>ſeid ein Beobachter, der nicht von der Sucht nach<lb/>
Altem befangen iſt, wie uns unſere Gegner vorwer¬<lb/>
fen. Ihr empfangt alſo das Gefühl von den Gegen¬<lb/>ſtänden, und tragt es nicht in dieſelben hinein, wie<lb/>
auch unſere Gegner von uns ſagen. Die Sache aber<lb/>
iſt nur ſo: als man die Nichtigkeit und Leere der lezt¬<lb/>
vergangenen Zeiten erkannte, und wieder auf das<lb/>
Alte zurück wies, und es nicht mehr als Plunder und<lb/>
Trödel anſah, ſondern Schönes darin ſuchte: da ge¬<lb/>ſchahen freilich thörichte Dinge. Man ſammelte wie¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Stifter</hi>, Nachſommer. <hirendition="#aq">I</hi>. 30<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[465/0479]
ſchönere wird es kaum geben — ſo zeigte ſich hier
eine Zuſammenſtimmung, als müßten die, welche
dieſe Dinge urſprünglich hatten herrichten laſſen, in
ihren einſtigen Trachten bei den Thüren hereingehen.
Es ergrif einen ein Gefühl eines Bedeutungsvollen.
„Die Marmore,“ ſagte mein Gaſtfreund, „ſind
aller Orten erworben, geſchliffen, geglättet, und nach
einer alterthümlichen Zeichnung vieler Kirchenfenſter
eingeſezt worden.“
„Aber daß ihr die Geräthe ſo zuſammen gefunden
habt, daß ſie wie ein Einziges ſtimmen, iſt zu ver¬
wundern,“ ſagte ich.
„Alſo empfindet ihr, daß ſie ſtimmen?“ erwiederte
er. „Seht, das iſt mir lieb, daß ihr das ſagt. Ihr
ſeid ein Beobachter, der nicht von der Sucht nach
Altem befangen iſt, wie uns unſere Gegner vorwer¬
fen. Ihr empfangt alſo das Gefühl von den Gegen¬
ſtänden, und tragt es nicht in dieſelben hinein, wie
auch unſere Gegner von uns ſagen. Die Sache aber
iſt nur ſo: als man die Nichtigkeit und Leere der lezt¬
vergangenen Zeiten erkannte, und wieder auf das
Alte zurück wies, und es nicht mehr als Plunder und
Trödel anſah, ſondern Schönes darin ſuchte: da ge¬
ſchahen freilich thörichte Dinge. Man ſammelte wie¬
Stifter, Nachſommer. I. 30
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/479>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.