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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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Die Gestalten der Geräthe sind nach der Art entwor¬
fen worden, die wir vom Alterthume lernten, wie
ich euch einmal sagte, aber so daß wir nicht das
Alterthum geradezu nachahmten, sondern selbststän¬
dige Gegenstände für die jetzige Zeit verfertigten mit
Spuren des Lernens an vergangenen Zeiten. Wir
sind nach und nach zu dieser Ansicht gekommen, da
wir sahen, daß die neuen Geräthe nicht schön sind,
und daß die alten in neue Räume zu wohnlicher Zu¬
sammenstimmung nicht paßten. Wir haben uns selber
gewundert, als die Sachen nach vielerlei Versuchen
Zeichnungen und Entwürfen fertig waren, wie schön
sie seien. In der Kunst, wenn man bei so kleinen
Dingen von Kunst reden kann, ist eben so wenig ein
Sprung möglich als in der Natur. Wer plözlich et¬
was so Neues erfinden wollte, daß weder den Theilen
noch der Gestaltung nach ein Ähnliches da gewesen
ist, der würde so thöricht sein wie der, der fordern
würde, daß aus den vorhandenen Thieren und Pflan¬
zen sich plözlich neue nicht dagewesene entwickeln.
Nur daß in der Schöpfung die Allmählichkeit immer
rein und weise ist; in der Kunst aber, die der Freiheit
des Menschen anheim gegeben ist, oft Zerrissenheit oft
Stillstand oft Rückschritt erscheint. Was die Hölzer

Die Geſtalten der Geräthe ſind nach der Art entwor¬
fen worden, die wir vom Alterthume lernten, wie
ich euch einmal ſagte, aber ſo daß wir nicht das
Alterthum geradezu nachahmten, ſondern ſelbſtſtän¬
dige Gegenſtände für die jetzige Zeit verfertigten mit
Spuren des Lernens an vergangenen Zeiten. Wir
ſind nach und nach zu dieſer Anſicht gekommen, da
wir ſahen, daß die neuen Geräthe nicht ſchön ſind,
und daß die alten in neue Räume zu wohnlicher Zu¬
ſammenſtimmung nicht paßten. Wir haben uns ſelber
gewundert, als die Sachen nach vielerlei Verſuchen
Zeichnungen und Entwürfen fertig waren, wie ſchön
ſie ſeien. In der Kunſt, wenn man bei ſo kleinen
Dingen von Kunſt reden kann, iſt eben ſo wenig ein
Sprung möglich als in der Natur. Wer plözlich et¬
was ſo Neues erfinden wollte, daß weder den Theilen
noch der Geſtaltung nach ein Ähnliches da geweſen
iſt, der würde ſo thöricht ſein wie der, der fordern
würde, daß aus den vorhandenen Thieren und Pflan¬
zen ſich plözlich neue nicht dageweſene entwickeln.
Nur daß in der Schöpfung die Allmählichkeit immer
rein und weiſe iſt; in der Kunſt aber, die der Freiheit
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[461/0475] Die Geſtalten der Geräthe ſind nach der Art entwor¬ fen worden, die wir vom Alterthume lernten, wie ich euch einmal ſagte, aber ſo daß wir nicht das Alterthum geradezu nachahmten, ſondern ſelbſtſtän¬ dige Gegenſtände für die jetzige Zeit verfertigten mit Spuren des Lernens an vergangenen Zeiten. Wir ſind nach und nach zu dieſer Anſicht gekommen, da wir ſahen, daß die neuen Geräthe nicht ſchön ſind, und daß die alten in neue Räume zu wohnlicher Zu¬ ſammenſtimmung nicht paßten. Wir haben uns ſelber gewundert, als die Sachen nach vielerlei Verſuchen Zeichnungen und Entwürfen fertig waren, wie ſchön ſie ſeien. In der Kunſt, wenn man bei ſo kleinen Dingen von Kunſt reden kann, iſt eben ſo wenig ein Sprung möglich als in der Natur. Wer plözlich et¬ was ſo Neues erfinden wollte, daß weder den Theilen noch der Geſtaltung nach ein Ähnliches da geweſen iſt, der würde ſo thöricht ſein wie der, der fordern würde, daß aus den vorhandenen Thieren und Pflan¬ zen ſich plözlich neue nicht dageweſene entwickeln. Nur daß in der Schöpfung die Allmählichkeit immer rein und weiſe iſt; in der Kunſt aber, die der Freiheit des Menſchen anheim gegeben iſt, oft Zerriſſenheit oft Stillſtand oft Rückſchritt erſcheint. Was die Hölzer

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/475>, abgerufen am 25.11.2024.