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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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das Nächste, was ich that, war, daß ich mehrere
Male schnell in dem Zimmer auf und nieder ging,
um die durch das Fahren ersteiften Glieder wieder
ein wenig einzurichten. Als dieses ziemlich gelungen
war, trat ich an eines der offenen Fenster, um herum
zu schauen. Es war aber nicht viel zu sehen. Die
Nacht war schon zu weit vorgerückt, und die Lichter
im Zimmer machten die Luft draußen noch finsterer.
Ich sah nur so viel, daß meine Fenster ins Freie gin¬
gen. Nach und nach begränzten sich vor meinen Augen
die dunkeln Gestalten der am Fuße des Hügels stehen¬
den Ahorne, dann kamen Flecken von dunkler und
fahler Farbe, wahrscheinlich Abwechslung von Feld
und Wald, weiter war nichts zu unterscheiden als der
glänzende Himmel darüber, der von unzähligen Ster¬
nen aber nicht von dem geringsten Stückchen Mond
beleuchtet war.

Nach einer Zeit kam Gustav, und holte mich zu
dem Abendessen ab. Er hatte eine große Freude, daß
ich in dem Sternenhofe sei. Ich ordnete aus meinem
Reisesacke, der heraufgeschafft worden war, ein wenig
meine Kleider, und folgte dann Gustav in das Spei¬
sezimmer. Dasselbe war fast wie das in dem Rosen¬
hause. Mathilde saß wie dort in einem Ehrenstuhle

das Nächſte, was ich that, war, daß ich mehrere
Male ſchnell in dem Zimmer auf und nieder ging,
um die durch das Fahren erſteiften Glieder wieder
ein wenig einzurichten. Als dieſes ziemlich gelungen
war, trat ich an eines der offenen Fenſter, um herum
zu ſchauen. Es war aber nicht viel zu ſehen. Die
Nacht war ſchon zu weit vorgerückt, und die Lichter
im Zimmer machten die Luft draußen noch finſterer.
Ich ſah nur ſo viel, daß meine Fenſter ins Freie gin¬
gen. Nach und nach begränzten ſich vor meinen Augen
die dunkeln Geſtalten der am Fuße des Hügels ſtehen¬
den Ahorne, dann kamen Flecken von dunkler und
fahler Farbe, wahrſcheinlich Abwechslung von Feld
und Wald, weiter war nichts zu unterſcheiden als der
glänzende Himmel darüber, der von unzähligen Ster¬
nen aber nicht von dem geringſten Stückchen Mond
beleuchtet war.

Nach einer Zeit kam Guſtav, und holte mich zu
dem Abendeſſen ab. Er hatte eine große Freude, daß
ich in dem Sternenhofe ſei. Ich ordnete aus meinem
Reiſeſacke, der heraufgeſchafft worden war, ein wenig
meine Kleider, und folgte dann Guſtav in das Spei¬
ſezimmer. Dasſelbe war faſt wie das in dem Roſen¬
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[454/0468] das Nächſte, was ich that, war, daß ich mehrere Male ſchnell in dem Zimmer auf und nieder ging, um die durch das Fahren erſteiften Glieder wieder ein wenig einzurichten. Als dieſes ziemlich gelungen war, trat ich an eines der offenen Fenſter, um herum zu ſchauen. Es war aber nicht viel zu ſehen. Die Nacht war ſchon zu weit vorgerückt, und die Lichter im Zimmer machten die Luft draußen noch finſterer. Ich ſah nur ſo viel, daß meine Fenſter ins Freie gin¬ gen. Nach und nach begränzten ſich vor meinen Augen die dunkeln Geſtalten der am Fuße des Hügels ſtehen¬ den Ahorne, dann kamen Flecken von dunkler und fahler Farbe, wahrſcheinlich Abwechslung von Feld und Wald, weiter war nichts zu unterſcheiden als der glänzende Himmel darüber, der von unzähligen Ster¬ nen aber nicht von dem geringſten Stückchen Mond beleuchtet war. Nach einer Zeit kam Guſtav, und holte mich zu dem Abendeſſen ab. Er hatte eine große Freude, daß ich in dem Sternenhofe ſei. Ich ordnete aus meinem Reiſeſacke, der heraufgeſchafft worden war, ein wenig meine Kleider, und folgte dann Guſtav in das Spei¬ ſezimmer. Dasſelbe war faſt wie das in dem Roſen¬ hauſe. Mathilde ſaß wie dort in einem Ehrenſtuhle

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/468>, abgerufen am 06.06.2024.