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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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durch die Ebene. Da ich in den Bereich der Hügel
gelangte, verließ ich den Wagen, und sezte meinen
Weg nach meiner gewöhnlichen Art in kurzen Fu߬
reisen fort.

Ich betrachtete wieder überall die Bauwerke, wo
sie mir als betrachtenswerth aufstießen. Ich habe ein¬
mal irgendwo gelesen, daß der Mensch leichter und
klarer zur Kenntniß und zur Liebe der Gegenstände
gelangt, wenn er Zeichnungen und Gemälde von
ihnen sieht, als wenn er sie selber betrachtet, weil ihm
die Beschränktheit der Zeichnung alles kleiner und
vereinzelter zusammen faßt, was er in der Wirklichkeit
groß und mit Genossen vereint erblickt. Bei mir
schien sich dieser Ausspruch zu bestätigen. Seit ich die
Bauzeichnungen in dem Rosenhause gesehen hatte,
faßte ich Bauwerke leichter auf, beurtheilte sie leich¬
ter, und ich begrif nicht, warum ich früher auf sie
nicht so aufmerksam gewesen war.

Im Oberlande war es noch viel rauher, als ich
es in der Stadt verlassen hatte. Als ich eines Mor¬
gens an der Ecke des Buchenwaldes meines Gast¬
freundes ankam, in welchem der Alizbach in die Agger
fällt, war noch manches Wässerchen mit einer Eis¬
rinde bedeckt. Da ich das Rosenhaus erblickte, machte

durch die Ebene. Da ich in den Bereich der Hügel
gelangte, verließ ich den Wagen, und ſezte meinen
Weg nach meiner gewöhnlichen Art in kurzen Fu߬
reiſen fort.

Ich betrachtete wieder überall die Bauwerke, wo
ſie mir als betrachtenswerth aufſtießen. Ich habe ein¬
mal irgendwo geleſen, daß der Menſch leichter und
klarer zur Kenntniß und zur Liebe der Gegenſtände
gelangt, wenn er Zeichnungen und Gemälde von
ihnen ſieht, als wenn er ſie ſelber betrachtet, weil ihm
die Beſchränktheit der Zeichnung alles kleiner und
vereinzelter zuſammen faßt, was er in der Wirklichkeit
groß und mit Genoſſen vereint erblickt. Bei mir
ſchien ſich dieſer Ausſpruch zu beſtätigen. Seit ich die
Bauzeichnungen in dem Roſenhauſe geſehen hatte,
faßte ich Bauwerke leichter auf, beurtheilte ſie leich¬
ter, und ich begrif nicht, warum ich früher auf ſie
nicht ſo aufmerkſam geweſen war.

Im Oberlande war es noch viel rauher, als ich
es in der Stadt verlaſſen hatte. Als ich eines Mor¬
gens an der Ecke des Buchenwaldes meines Gaſt¬
freundes ankam, in welchem der Alizbach in die Agger
fällt, war noch manches Wäſſerchen mit einer Eis¬
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[322/0336] durch die Ebene. Da ich in den Bereich der Hügel gelangte, verließ ich den Wagen, und ſezte meinen Weg nach meiner gewöhnlichen Art in kurzen Fu߬ reiſen fort. Ich betrachtete wieder überall die Bauwerke, wo ſie mir als betrachtenswerth aufſtießen. Ich habe ein¬ mal irgendwo geleſen, daß der Menſch leichter und klarer zur Kenntniß und zur Liebe der Gegenſtände gelangt, wenn er Zeichnungen und Gemälde von ihnen ſieht, als wenn er ſie ſelber betrachtet, weil ihm die Beſchränktheit der Zeichnung alles kleiner und vereinzelter zuſammen faßt, was er in der Wirklichkeit groß und mit Genoſſen vereint erblickt. Bei mir ſchien ſich dieſer Ausſpruch zu beſtätigen. Seit ich die Bauzeichnungen in dem Roſenhauſe geſehen hatte, faßte ich Bauwerke leichter auf, beurtheilte ſie leich¬ ter, und ich begrif nicht, warum ich früher auf ſie nicht ſo aufmerkſam geweſen war. Im Oberlande war es noch viel rauher, als ich es in der Stadt verlaſſen hatte. Als ich eines Mor¬ gens an der Ecke des Buchenwaldes meines Gaſt¬ freundes ankam, in welchem der Alizbach in die Agger fällt, war noch manches Wäſſerchen mit einer Eis¬ rinde bedeckt. Da ich das Roſenhaus erblickte, machte

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/336>, abgerufen am 01.06.2024.