Heuer hatte ich auch beschlossen, umfassendere Zeich¬ nungswerkzeuge und sogar Farben mitzunehmen. Wie es mit jeder Gewohnheit ist, war es auch bei mir. Wenn ich mich in jedem Herbste nach der Häuslichkeit zurück sehnte, war es mir in jedem Frühlinge wie einem Zugvogel, der in jene Gegenden zurückkehren muß, die er in dem Herbste verlassen hatte.
Als sich im März in der Stadt schon recht liebliche Täge einstellten, welche die Menschen in das Freie und auf die Wälle lockten, war ich mit meinen Vor¬ bereitungen fertig, und nachdem ich von den Meini¬ gen den gewöhnlichen herzlichen Abschied genommen hatte, reisete ich eines Morgens ab.
Mir war damals sowie jezt noch jedes Fortfahren von den Angehörigen in der Nacht sowie das Antre¬ ten irgend einer Reise in der Nacht sehr zuwider. Die Post ging aber damals in das Oberland erst Abends ab, darum fuhr ich lieber in einem Miethwagen. Die Landhäuser außer der Stadt, welche reichen Bewoh¬ nern derselben gehörten, waren noch im Winterschlafe. Sie waren theilweise in ihren Umhüllungen mit Stroh oder mit Brettern befangen, was einen großen Gegensaz zu dem heiteren Himmel und zu den Lerchen machte, welche schon überall sangen. Ich fuhr nur
Stifter, Nachsommer, I. 21
Heuer hatte ich auch beſchloſſen, umfaſſendere Zeich¬ nungswerkzeuge und ſogar Farben mitzunehmen. Wie es mit jeder Gewohnheit iſt, war es auch bei mir. Wenn ich mich in jedem Herbſte nach der Häuslichkeit zurück ſehnte, war es mir in jedem Frühlinge wie einem Zugvogel, der in jene Gegenden zurückkehren muß, die er in dem Herbſte verlaſſen hatte.
Als ſich im März in der Stadt ſchon recht liebliche Täge einſtellten, welche die Menſchen in das Freie und auf die Wälle lockten, war ich mit meinen Vor¬ bereitungen fertig, und nachdem ich von den Meini¬ gen den gewöhnlichen herzlichen Abſchied genommen hatte, reiſete ich eines Morgens ab.
Mir war damals ſowie jezt noch jedes Fortfahren von den Angehörigen in der Nacht ſowie das Antre¬ ten irgend einer Reiſe in der Nacht ſehr zuwider. Die Poſt ging aber damals in das Oberland erſt Abends ab, darum fuhr ich lieber in einem Miethwagen. Die Landhäuſer außer der Stadt, welche reichen Bewoh¬ nern derſelben gehörten, waren noch im Winterſchlafe. Sie waren theilweiſe in ihren Umhüllungen mit Stroh oder mit Brettern befangen, was einen großen Gegenſaz zu dem heiteren Himmel und zu den Lerchen machte, welche ſchon überall ſangen. Ich fuhr nur
Stifter, Nachſommer, I. 21
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0335"n="321"/>
Heuer hatte ich auch beſchloſſen, umfaſſendere Zeich¬<lb/>
nungswerkzeuge und ſogar Farben mitzunehmen. Wie<lb/>
es mit jeder Gewohnheit iſt, war es auch bei mir.<lb/>
Wenn ich mich in jedem Herbſte nach der Häuslichkeit<lb/>
zurück ſehnte, war es mir in jedem Frühlinge wie<lb/>
einem Zugvogel, der in jene Gegenden zurückkehren<lb/>
muß, die er in dem Herbſte verlaſſen hatte.</p><lb/><p>Als ſich im März in der Stadt ſchon recht liebliche<lb/>
Täge einſtellten, welche die Menſchen in das Freie<lb/>
und auf die Wälle lockten, war ich mit meinen Vor¬<lb/>
bereitungen fertig, und nachdem ich von den Meini¬<lb/>
gen den gewöhnlichen herzlichen Abſchied genommen<lb/>
hatte, reiſete ich eines Morgens ab.</p><lb/><p>Mir war damals ſowie jezt noch jedes Fortfahren<lb/>
von den Angehörigen in der Nacht ſowie das Antre¬<lb/>
ten irgend einer Reiſe in der Nacht ſehr zuwider. Die<lb/>
Poſt ging aber damals in das Oberland erſt Abends<lb/>
ab, darum fuhr ich lieber in einem Miethwagen. Die<lb/>
Landhäuſer außer der Stadt, welche reichen Bewoh¬<lb/>
nern derſelben gehörten, waren noch im Winterſchlafe.<lb/>
Sie waren theilweiſe in ihren Umhüllungen mit<lb/>
Stroh oder mit Brettern befangen, was einen großen<lb/>
Gegenſaz zu dem heiteren Himmel und zu den Lerchen<lb/>
machte, welche ſchon überall ſangen. Ich fuhr nur<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Stifter</hi>, Nachſommer, <hirendition="#aq">I</hi>. 21<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[321/0335]
Heuer hatte ich auch beſchloſſen, umfaſſendere Zeich¬
nungswerkzeuge und ſogar Farben mitzunehmen. Wie
es mit jeder Gewohnheit iſt, war es auch bei mir.
Wenn ich mich in jedem Herbſte nach der Häuslichkeit
zurück ſehnte, war es mir in jedem Frühlinge wie
einem Zugvogel, der in jene Gegenden zurückkehren
muß, die er in dem Herbſte verlaſſen hatte.
Als ſich im März in der Stadt ſchon recht liebliche
Täge einſtellten, welche die Menſchen in das Freie
und auf die Wälle lockten, war ich mit meinen Vor¬
bereitungen fertig, und nachdem ich von den Meini¬
gen den gewöhnlichen herzlichen Abſchied genommen
hatte, reiſete ich eines Morgens ab.
Mir war damals ſowie jezt noch jedes Fortfahren
von den Angehörigen in der Nacht ſowie das Antre¬
ten irgend einer Reiſe in der Nacht ſehr zuwider. Die
Poſt ging aber damals in das Oberland erſt Abends
ab, darum fuhr ich lieber in einem Miethwagen. Die
Landhäuſer außer der Stadt, welche reichen Bewoh¬
nern derſelben gehörten, waren noch im Winterſchlafe.
Sie waren theilweiſe in ihren Umhüllungen mit
Stroh oder mit Brettern befangen, was einen großen
Gegenſaz zu dem heiteren Himmel und zu den Lerchen
machte, welche ſchon überall ſangen. Ich fuhr nur
Stifter, Nachſommer, I. 21
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/335>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.