Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht in der Schnelligkeit des Fahrens eine Ähnlich¬
keit getäuscht hat, selber gesehen habe, daß er im
Oberlande eine Besizung hat, daß er wohlhabend sei,
was mein Beherberger sein müsse, und daß er hohe
Geistesgaben besize, die mein Beherberger auch zu
haben scheine. Man beschloß, in dieser Sache nicht
weiter zu forschen, da mein Beherberger mir seinen
Namen nicht freiwillig genannt habe, und die Dinge
so zu belassen, wie sie seien.

Außer diesen zwei Begebenheiten, die wenigstens
für mich von Bedeutung waren, ereignete sich nichts
in jenem Winter, was meine Aufmerksamkeit beson¬
ders in Anspruch genommen hätte. Ich war viel be¬
schäftigt, mußte oft Stunden der Nacht zu Hilfe neh¬
men, und so ging mir der Winter weit schneller vor¬
über, als es in früheren Jahren der Fall gewesen
war. Im Allgemeinen aber befriedigten mich beson¬
ders die Hilfsmittel, die eine große Stadt zur Aus¬
bildung gibt, und die man sonst nicht leicht findet.

Als die Täge schon länger wurden, als die eigent¬
liche Stadtlust schon aufgehört hatte, und die stil¬
len Wochen der Fastenzeit liefen, fragte ich eines Ta¬
ges Preborn, weßhalb er mir denn die Gräfin Tarona
nicht gezeigt habe, die er so liebe, die so schön sein

nicht in der Schnelligkeit des Fahrens eine Ähnlich¬
keit getäuſcht hat, ſelber geſehen habe, daß er im
Oberlande eine Beſizung hat, daß er wohlhabend ſei,
was mein Beherberger ſein müſſe, und daß er hohe
Geiſtesgaben beſize, die mein Beherberger auch zu
haben ſcheine. Man beſchloß, in dieſer Sache nicht
weiter zu forſchen, da mein Beherberger mir ſeinen
Namen nicht freiwillig genannt habe, und die Dinge
ſo zu belaſſen, wie ſie ſeien.

Außer dieſen zwei Begebenheiten, die wenigſtens
für mich von Bedeutung waren, ereignete ſich nichts
in jenem Winter, was meine Aufmerkſamkeit beſon¬
ders in Anſpruch genommen hätte. Ich war viel be¬
ſchäftigt, mußte oft Stunden der Nacht zu Hilfe neh¬
men, und ſo ging mir der Winter weit ſchneller vor¬
über, als es in früheren Jahren der Fall geweſen
war. Im Allgemeinen aber befriedigten mich beſon¬
ders die Hilfsmittel, die eine große Stadt zur Aus¬
bildung gibt, und die man ſonſt nicht leicht findet.

Als die Täge ſchon länger wurden, als die eigent¬
liche Stadtluſt ſchon aufgehört hatte, und die ſtil¬
len Wochen der Faſtenzeit liefen, fragte ich eines Ta¬
ges Preborn, weßhalb er mir denn die Gräfin Tarona
nicht gezeigt habe, die er ſo liebe, die ſo ſchön ſein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0333" n="319"/>
nicht in der Schnelligkeit des Fahrens eine Ähnlich¬<lb/>
keit getäu&#x017F;cht hat, &#x017F;elber ge&#x017F;ehen habe, daß er im<lb/>
Oberlande eine Be&#x017F;izung hat, daß er wohlhabend &#x017F;ei,<lb/>
was mein Beherberger &#x017F;ein mü&#x017F;&#x017F;e, und daß er hohe<lb/>
Gei&#x017F;tesgaben be&#x017F;ize, die mein Beherberger auch zu<lb/>
haben &#x017F;cheine. Man be&#x017F;chloß, in die&#x017F;er Sache nicht<lb/>
weiter zu for&#x017F;chen, da mein Beherberger mir &#x017F;einen<lb/>
Namen nicht freiwillig genannt habe, und die Dinge<lb/>
&#x017F;o zu bela&#x017F;&#x017F;en, wie &#x017F;ie &#x017F;eien.</p><lb/>
        <p>Außer die&#x017F;en zwei Begebenheiten, die wenig&#x017F;tens<lb/>
für mich von Bedeutung waren, ereignete &#x017F;ich nichts<lb/>
in jenem Winter, was meine Aufmerk&#x017F;amkeit be&#x017F;on¬<lb/>
ders in An&#x017F;pruch genommen hätte. Ich war viel be¬<lb/>
&#x017F;chäftigt, mußte oft Stunden der Nacht zu Hilfe neh¬<lb/>
men, und &#x017F;o ging mir der Winter weit &#x017F;chneller vor¬<lb/>
über, als es in früheren Jahren der Fall gewe&#x017F;en<lb/>
war. Im Allgemeinen aber befriedigten mich be&#x017F;on¬<lb/>
ders die Hilfsmittel, die eine große Stadt zur Aus¬<lb/>
bildung gibt, und die man &#x017F;on&#x017F;t nicht leicht findet.</p><lb/>
        <p>Als die Täge &#x017F;chon länger wurden, als die eigent¬<lb/>
liche Stadtlu&#x017F;t &#x017F;chon aufgehört hatte, und die &#x017F;til¬<lb/>
len Wochen der Fa&#x017F;tenzeit liefen, fragte ich eines Ta¬<lb/>
ges Preborn, weßhalb er mir denn die Gräfin Tarona<lb/>
nicht gezeigt habe, die er &#x017F;o liebe, die &#x017F;o &#x017F;chön &#x017F;ein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[319/0333] nicht in der Schnelligkeit des Fahrens eine Ähnlich¬ keit getäuſcht hat, ſelber geſehen habe, daß er im Oberlande eine Beſizung hat, daß er wohlhabend ſei, was mein Beherberger ſein müſſe, und daß er hohe Geiſtesgaben beſize, die mein Beherberger auch zu haben ſcheine. Man beſchloß, in dieſer Sache nicht weiter zu forſchen, da mein Beherberger mir ſeinen Namen nicht freiwillig genannt habe, und die Dinge ſo zu belaſſen, wie ſie ſeien. Außer dieſen zwei Begebenheiten, die wenigſtens für mich von Bedeutung waren, ereignete ſich nichts in jenem Winter, was meine Aufmerkſamkeit beſon¬ ders in Anſpruch genommen hätte. Ich war viel be¬ ſchäftigt, mußte oft Stunden der Nacht zu Hilfe neh¬ men, und ſo ging mir der Winter weit ſchneller vor¬ über, als es in früheren Jahren der Fall geweſen war. Im Allgemeinen aber befriedigten mich beſon¬ ders die Hilfsmittel, die eine große Stadt zur Aus¬ bildung gibt, und die man ſonſt nicht leicht findet. Als die Täge ſchon länger wurden, als die eigent¬ liche Stadtluſt ſchon aufgehört hatte, und die ſtil¬ len Wochen der Faſtenzeit liefen, fragte ich eines Ta¬ ges Preborn, weßhalb er mir denn die Gräfin Tarona nicht gezeigt habe, die er ſo liebe, die ſo ſchön ſein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/333
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/333>, abgerufen am 22.07.2024.