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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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Hohe wird niedrig, Eines wird so, das Andere wird
anders, und ein Drittes bleibt bestehen. Dieser Risach
ist sehr oft in unser Haus gekommen. Da uns der
Vater noch zuweilen in dem alten Doktorwagen, den
er hatte, und der dunkelgrün und schwarz angestrichen
war, spazieren fahren ließ, ist er nicht einmal sondern
oft auf dem Kutschbocke gesessen, oder er ist gar, wenn
wir im Freien fuhren, und uns die Leute nicht sehen
konnten, hinten aufgestanden wie ein Leibdiener, denn
der Wagen des Vaters hat ein Dienerbret gehabt.
Wir waren kaum anders als Kinder, er war ein jun¬
ger Student, der wenig Bekanntschaft hatte, dessen
Herkunft man nicht wußte, und um den man auch
nicht fragte. Wenn wir in dem Garten auf dem Land¬
hause waren, sprang er mit den Brüdern auf den höl¬
zernen Esel, oder sie jagten die Hunde in das Wasser,
oder sezten unsere Schaukel in Bewegung. Er brachte
deinen Vater zu meinen Brüdern als Kameraden in
das Haus. Man wußte damals kaum, wer schöner
gewesen sei, Risach oder dein Vater. Aber nach einer
Zeit wurde Risach weniger gesehen, ich weiß nicht
warum, es vergingen manche Jahre, und ich trat mit
deinem Vater in den heiligen Stand der Ehe. Die
Brüder waren als Staatsdiener zerstreut, die Eltern

Hohe wird niedrig, Eines wird ſo, das Andere wird
anders, und ein Drittes bleibt beſtehen. Dieſer Riſach
iſt ſehr oft in unſer Haus gekommen. Da uns der
Vater noch zuweilen in dem alten Doktorwagen, den
er hatte, und der dunkelgrün und ſchwarz angeſtrichen
war, ſpazieren fahren ließ, iſt er nicht einmal ſondern
oft auf dem Kutſchbocke geſeſſen, oder er iſt gar, wenn
wir im Freien fuhren, und uns die Leute nicht ſehen
konnten, hinten aufgeſtanden wie ein Leibdiener, denn
der Wagen des Vaters hat ein Dienerbret gehabt.
Wir waren kaum anders als Kinder, er war ein jun¬
ger Student, der wenig Bekanntſchaft hatte, deſſen
Herkunft man nicht wußte, und um den man auch
nicht fragte. Wenn wir in dem Garten auf dem Land¬
hauſe waren, ſprang er mit den Brüdern auf den höl¬
zernen Eſel, oder ſie jagten die Hunde in das Waſſer,
oder ſezten unſere Schaukel in Bewegung. Er brachte
deinen Vater zu meinen Brüdern als Kameraden in
das Haus. Man wußte damals kaum, wer ſchöner
geweſen ſei, Riſach oder dein Vater. Aber nach einer
Zeit wurde Riſach weniger geſehen, ich weiß nicht
warum, es vergingen manche Jahre, und ich trat mit
deinem Vater in den heiligen Stand der Ehe. Die
Brüder waren als Staatsdiener zerſtreut, die Eltern

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[317/0331] Hohe wird niedrig, Eines wird ſo, das Andere wird anders, und ein Drittes bleibt beſtehen. Dieſer Riſach iſt ſehr oft in unſer Haus gekommen. Da uns der Vater noch zuweilen in dem alten Doktorwagen, den er hatte, und der dunkelgrün und ſchwarz angeſtrichen war, ſpazieren fahren ließ, iſt er nicht einmal ſondern oft auf dem Kutſchbocke geſeſſen, oder er iſt gar, wenn wir im Freien fuhren, und uns die Leute nicht ſehen konnten, hinten aufgeſtanden wie ein Leibdiener, denn der Wagen des Vaters hat ein Dienerbret gehabt. Wir waren kaum anders als Kinder, er war ein jun¬ ger Student, der wenig Bekanntſchaft hatte, deſſen Herkunft man nicht wußte, und um den man auch nicht fragte. Wenn wir in dem Garten auf dem Land¬ hauſe waren, ſprang er mit den Brüdern auf den höl¬ zernen Eſel, oder ſie jagten die Hunde in das Waſſer, oder ſezten unſere Schaukel in Bewegung. Er brachte deinen Vater zu meinen Brüdern als Kameraden in das Haus. Man wußte damals kaum, wer ſchöner geweſen ſei, Riſach oder dein Vater. Aber nach einer Zeit wurde Riſach weniger geſehen, ich weiß nicht warum, es vergingen manche Jahre, und ich trat mit deinem Vater in den heiligen Stand der Ehe. Die Brüder waren als Staatsdiener zerſtreut, die Eltern

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/331>, abgerufen am 22.07.2024.