auch die edle Cordelia mit solchem Abscheu erfüllte, daß sie auf die Frage, wie sie den Vater liebe, weni¬ ger zu antworten wußte, als sie vielleicht zu einer anderen Zeit, wo das Herz sich freiwillig öffnete, ge¬ sagt hätte. Gegen Kent, der Cordelia vertheidigen wollte, wüthete er, und verbannte ihn ebenfalls, und so sieht man bei dieser heftigen und kindischen Ge¬ müthsart des Königs üblen Dingen entgegen.
Ich kannte dieses Schauspiel nicht, und war bald von dem Gange der Handlung eingenommen.
Der König wohnt nun mit seinen hundert Rit¬ tern im ersten Monate bei der einen Tochter, um im zweiten dann bei der anderen zu sein, und so abwech¬ selnd fortzufahren, wie es bedungen war. Die Folgen dieser schwachen Maßregel zeigten sich auch im Lande. In dem hohen Hause Glosters empört sich ein unehe¬ licher Sohn gegen den Vater und den rechtmäßigen Bruder, und ruft unnatürliche Dinge in die Welt, da auch in des Königs Hause unnatürliche und un¬ zweckmäßige Dinge geschahen. In dem Hofhalte der Tochter und in der in diesen Hofhalt eingepflanzten zweiten Hofhaltung des Königs und seiner hundert Ritter entstehen Anstände und Widrigkeiten, und die Entgegnungen der Tochter gegen das Thun des Kö¬
auch die edle Cordelia mit ſolchem Abſcheu erfüllte, daß ſie auf die Frage, wie ſie den Vater liebe, weni¬ ger zu antworten wußte, als ſie vielleicht zu einer anderen Zeit, wo das Herz ſich freiwillig öffnete, ge¬ ſagt hätte. Gegen Kent, der Cordelia vertheidigen wollte, wüthete er, und verbannte ihn ebenfalls, und ſo ſieht man bei dieſer heftigen und kindiſchen Ge¬ müthsart des Königs üblen Dingen entgegen.
Ich kannte dieſes Schauſpiel nicht, und war bald von dem Gange der Handlung eingenommen.
Der König wohnt nun mit ſeinen hundert Rit¬ tern im erſten Monate bei der einen Tochter, um im zweiten dann bei der anderen zu ſein, und ſo abwech¬ ſelnd fortzufahren, wie es bedungen war. Die Folgen dieſer ſchwachen Maßregel zeigten ſich auch im Lande. In dem hohen Hauſe Gloſters empört ſich ein unehe¬ licher Sohn gegen den Vater und den rechtmäßigen Bruder, und ruft unnatürliche Dinge in die Welt, da auch in des Königs Hauſe unnatürliche und un¬ zweckmäßige Dinge geſchahen. In dem Hofhalte der Tochter und in der in dieſen Hofhalt eingepflanzten zweiten Hofhaltung des Königs und ſeiner hundert Ritter entſtehen Anſtände und Widrigkeiten, und die Entgegnungen der Tochter gegen das Thun des Kö¬
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auch die edle Cordelia mit ſolchem Abſcheu erfüllte,
daß ſie auf die Frage, wie ſie den Vater liebe, weni¬
ger zu antworten wußte, als ſie vielleicht zu einer
anderen Zeit, wo das Herz ſich freiwillig öffnete, ge¬
ſagt hätte. Gegen Kent, der Cordelia vertheidigen
wollte, wüthete er, und verbannte ihn ebenfalls, und
ſo ſieht man bei dieſer heftigen und kindiſchen Ge¬
müthsart des Königs üblen Dingen entgegen.
Ich kannte dieſes Schauſpiel nicht, und war bald
von dem Gange der Handlung eingenommen.
Der König wohnt nun mit ſeinen hundert Rit¬
tern im erſten Monate bei der einen Tochter, um im
zweiten dann bei der anderen zu ſein, und ſo abwech¬
ſelnd fortzufahren, wie es bedungen war. Die Folgen
dieſer ſchwachen Maßregel zeigten ſich auch im Lande.
In dem hohen Hauſe Gloſters empört ſich ein unehe¬
licher Sohn gegen den Vater und den rechtmäßigen
Bruder, und ruft unnatürliche Dinge in die Welt,
da auch in des Königs Hauſe unnatürliche und un¬
zweckmäßige Dinge geſchahen. In dem Hofhalte der
Tochter und in der in dieſen Hofhalt eingepflanzten
zweiten Hofhaltung des Königs und ſeiner hundert
Ritter entſtehen Anſtände und Widrigkeiten, und die
Entgegnungen der Tochter gegen das Thun des Kö¬
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/315>, abgerufen am 22.11.2024.
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