Stieve, Gottfried: Europäisches Hoff-Ceremoniel. Leipzig, 1715.Hoff-Ceremoniel. che sie in Reußland angefangen, nicht lange ge-dauret haben, weil man in der wahren Histo- rie findet, daß biß auf das Jahr Christi 955. in diesem Reiche lauter Heydnische Regenten geherrschet, biß endlich die Princeßin Ola oder Olga, des Fürsten Igor Gemahlin, nach dem Tode ihres Mannes, die Regierung an statt ihres unmündigen Sohnes Stoslai (andere nennen ihn auch Igor) geführet, nach Con- stantinopel zu dem damahligen Kayser Johan- ni Zimisco gereiset, sich An. 955. tauffen, und den Nahmen Helena geben lassen: wel- cher Kayser sie als Pathe reichlich beschencket, und wieder nach Hause begleiten lassen. Diese Ola ist noch heut zu Tage bey den Rus- sen in grosser veneration, indem sie nicht al- lein von ihnen imago solis, weil sie das Land gleich einer Sonnen mit dem Licht des Christ- lichen Glaubens erleuchtet, genennet, sondern auch unter die Heiligen gezehlet, und ihr Ge- dächtnüß-Tag den 11. Julii feyerlich began- gen wird. Jhr Cörper ist in der Kirchen der Stadt Pereslaw begraben. Ob sie nun gleich als eine Christin gestorben, so hat sie doch ihren Sohn Stoslaum durchaus nicht bereden kön- nen, das Christenthum anzunehmen, weil die Heydnische Abgötterey sein Hertze zu sehr ein- genommen hatte, dannenhero das Christen- thum wieder in das stocken geriethe, biß des Stos- D 3
Hoff-Ceremoniel. che ſie in Reußland angefangen, nicht lange ge-dauret haben, weil man in der wahren Hiſto- rie findet, daß biß auf das Jahr Chriſti 955. in dieſem Reiche lauter Heydniſche Regenten geherrſchet, biß endlich die Princeßin Ola oder Olga, des Fuͤrſten Igor Gemahlin, nach dem Tode ihres Mannes, die Regierung an ſtatt ihres unmuͤndigen Sohnes Stoslai (andere nennen ihn auch Igor) gefuͤhret, nach Con- ſtantinopel zu dem damahligen Kayſer Johan- ni Zimiſco gereiſet, ſich An. 955. tauffen, und den Nahmen Helena geben laſſen: wel- cher Kayſer ſie als Pathe reichlich beſchencket, und wieder nach Hauſe begleiten laſſen. Dieſe Ola iſt noch heut zu Tage bey den Ruſ- ſen in groſſer veneration, indem ſie nicht al- lein von ihnen imago ſolis, weil ſie das Land gleich einer Sonnen mit dem Licht des Chriſt- lichen Glaubens erleuchtet, genennet, ſondern auch unter die Heiligen gezehlet, und ihr Ge- daͤchtnuͤß-Tag den 11. Julii feyerlich began- gen wird. Jhr Coͤrper iſt in der Kirchen der Stadt Pereslaw begraben. Ob ſie nun gleich als eine Chriſtin geſtorben, ſo hat ſie doch ihren Sohn Stoslaum durchaus nicht bereden koͤn- nen, das Chriſtenthum anzunehmen, weil die Heydniſche Abgoͤtterey ſein Hertze zu ſehr ein- genommen hatte, dannenhero das Chriſten- thum wieder in das ſtocken geriethe, biß des Stos- D 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <list> <item><pb facs="#f0081" n="53"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Hoff-<hi rendition="#aq">Ceremoniel.</hi></hi></fw><lb/> che ſie in Reußland angefangen, nicht lange ge-<lb/> dauret haben, weil man in der wahren <hi rendition="#aq">Hiſto-<lb/> rie</hi> findet, daß biß auf das Jahr Chriſti 955.<lb/> in dieſem Reiche lauter Heydniſche Regenten<lb/> geherrſchet, biß endlich die Princeßin <hi rendition="#aq">Ola</hi> oder<lb/><hi rendition="#aq">Olga,</hi> des Fuͤrſten <hi rendition="#aq">Igor</hi> Gemahlin, nach dem<lb/> Tode ihres Mannes, die Regierung an ſtatt<lb/> ihres unmuͤndigen Sohnes <hi rendition="#aq">Stoslai</hi> (andere<lb/> nennen ihn auch <hi rendition="#aq">Igor</hi>) gefuͤhret, nach Con-<lb/> ſtantinopel zu dem damahligen Kayſer <hi rendition="#aq">Johan-<lb/> ni Zimiſco</hi> gereiſet, ſich <hi rendition="#aq">An.</hi> 955. tauffen,<lb/> und den Nahmen <hi rendition="#aq">Helena</hi> geben laſſen: wel-<lb/> cher Kayſer ſie als Pathe reichlich beſchencket,<lb/> und wieder nach Hauſe begleiten laſſen.<lb/> Dieſe <hi rendition="#aq">Ola</hi> iſt noch heut zu Tage bey den Ruſ-<lb/> ſen in groſſer <hi rendition="#aq">veneration,</hi> indem ſie nicht al-<lb/> lein von ihnen <hi rendition="#aq">imago ſolis,</hi> weil ſie das Land<lb/> gleich einer Sonnen mit dem Licht des Chriſt-<lb/> lichen Glaubens erleuchtet, genennet, ſondern<lb/> auch unter die Heiligen gezehlet, und ihr Ge-<lb/> daͤchtnuͤß-Tag den 11. <hi rendition="#aq">Julii</hi> feyerlich began-<lb/> gen wird. Jhr Coͤrper iſt in der Kirchen der<lb/> Stadt <hi rendition="#aq">Pereslaw</hi> begraben. Ob ſie nun gleich<lb/> als eine Chriſtin geſtorben, ſo hat ſie doch ihren<lb/> Sohn <hi rendition="#aq">Stoslaum</hi> durchaus nicht bereden koͤn-<lb/> nen, das Chriſtenthum anzunehmen, weil die<lb/> Heydniſche Abgoͤtterey ſein Hertze zu ſehr ein-<lb/> genommen hatte, dannenhero das Chriſten-<lb/> thum wieder in das ſtocken geriethe, biß des<lb/> <fw place="bottom" type="sig">D 3</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">Stos-</hi></fw><lb/></item> </list> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [53/0081]
Hoff-Ceremoniel.
che ſie in Reußland angefangen, nicht lange ge-
dauret haben, weil man in der wahren Hiſto-
rie findet, daß biß auf das Jahr Chriſti 955.
in dieſem Reiche lauter Heydniſche Regenten
geherrſchet, biß endlich die Princeßin Ola oder
Olga, des Fuͤrſten Igor Gemahlin, nach dem
Tode ihres Mannes, die Regierung an ſtatt
ihres unmuͤndigen Sohnes Stoslai (andere
nennen ihn auch Igor) gefuͤhret, nach Con-
ſtantinopel zu dem damahligen Kayſer Johan-
ni Zimiſco gereiſet, ſich An. 955. tauffen,
und den Nahmen Helena geben laſſen: wel-
cher Kayſer ſie als Pathe reichlich beſchencket,
und wieder nach Hauſe begleiten laſſen.
Dieſe Ola iſt noch heut zu Tage bey den Ruſ-
ſen in groſſer veneration, indem ſie nicht al-
lein von ihnen imago ſolis, weil ſie das Land
gleich einer Sonnen mit dem Licht des Chriſt-
lichen Glaubens erleuchtet, genennet, ſondern
auch unter die Heiligen gezehlet, und ihr Ge-
daͤchtnuͤß-Tag den 11. Julii feyerlich began-
gen wird. Jhr Coͤrper iſt in der Kirchen der
Stadt Pereslaw begraben. Ob ſie nun gleich
als eine Chriſtin geſtorben, ſo hat ſie doch ihren
Sohn Stoslaum durchaus nicht bereden koͤn-
nen, das Chriſtenthum anzunehmen, weil die
Heydniſche Abgoͤtterey ſein Hertze zu ſehr ein-
genommen hatte, dannenhero das Chriſten-
thum wieder in das ſtocken geriethe, biß des
Stos-
D 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |