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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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zu Mittelberg findet, wäre sogar noch der Name dieses ersten Walsers gegeben, da es dort heißt: "Es ist zu wissen, das Hanns Wüstner der Alt zu dem ersten ain Anfänger und stifter gewesen ist Sant Josen Gotteshus (zu Mittelberg) und dises Tals." Diesen Hans Wüstner darf man als historische Person in die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts setzen. Bergmann zeigt auch, daß sein Geschlechtsname wenigstens vor dreihundert Jahren noch im Wallis vorkam.

Mehrere historische Kleinigkeiten aus diesen frühern Zeiten wollen wir übergehen. Einmal wird erwähnt, daß die Pest ausgebrochen, weil man einen Altar des heiligen Sebastians, des Pestpatrons, weggerissen. Auch der Schnee hat viele Unglücksfälle veranlaßt. Am 3 Junius 1778 fiel er im Bade drei Fuß hoch; 1770 ging er erst den 15 Julius weg.

Einzelne spätere Begebenheiten sind von späteren Händen beigesetzt. Eine solche belehrt uns auch, daß am Abend des 15 Septembers 1841 um 6 Uhr bei ganz schönem Wetter zwei bamherzige Schwestern in Mittelberg anlangten, welche der Priester Stephan Krißmer von Ried hieherbrachte. "Daraus entstand große Freude - jedoch nicht bei allen, denn die fleischlich gesinnten Menschen verstanden nicht, was des Geistes ist."

Manchmal verliert sich der Chronist in Betrachtungen, aus denen das Gefühl der Bergeinsamkeit nicht sehr erfreulich herausspricht. "Würden die Einkünfte verbessert, hat er sich einmal gedacht, so könnte ein Herr Beneficiat bei etwas besserm Tisch wohl bälder jenes Grausen wieder vergessen, das er etwa gefaßt, da er jene wenigen Spannen Himmel betrachtet, die er hier sehen kann; da er dem brausenden Schneegestöber hinter dem Ofen hervor traurig entgegenzublicken so lange gezwungen wird; da seinem Auge keine bessere Ergötzung vergönnt ist, als die es etwa in den Saublumen findet; da er ein paar Stunden einer priesterlichen Unterhaltung zulaufen muß und oft den Leib- und Seelenarzt, wenn es geschehen kann, mehrere Tage umsonst erwartet." Diese Gedanken sind nicht ohne Folgen geblieben. "Deßwegen, fährt der Verfasser fort, entschloß sich Herr Beneficiat (er selbst) mit einem

zu Mittelberg findet, wäre sogar noch der Name dieses ersten Walsers gegeben, da es dort heißt: „Es ist zu wissen, das Hanns Wüstner der Alt zu dem ersten ain Anfänger und stifter gewesen ist Sant Josen Gotteshus (zu Mittelberg) und dises Tals." Diesen Hans Wüstner darf man als historische Person in die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts setzen. Bergmann zeigt auch, daß sein Geschlechtsname wenigstens vor dreihundert Jahren noch im Wallis vorkam.

Mehrere historische Kleinigkeiten aus diesen frühern Zeiten wollen wir übergehen. Einmal wird erwähnt, daß die Pest ausgebrochen, weil man einen Altar des heiligen Sebastians, des Pestpatrons, weggerissen. Auch der Schnee hat viele Unglücksfälle veranlaßt. Am 3 Junius 1778 fiel er im Bade drei Fuß hoch; 1770 ging er erst den 15 Julius weg.

Einzelne spätere Begebenheiten sind von späteren Händen beigesetzt. Eine solche belehrt uns auch, daß am Abend des 15 Septembers 1841 um 6 Uhr bei ganz schönem Wetter zwei bamherzige Schwestern in Mittelberg anlangten, welche der Priester Stephan Krißmer von Ried hieherbrachte. „Daraus entstand große Freude – jedoch nicht bei allen, denn die fleischlich gesinnten Menschen verstanden nicht, was des Geistes ist."

Manchmal verliert sich der Chronist in Betrachtungen, aus denen das Gefühl der Bergeinsamkeit nicht sehr erfreulich herausspricht. „Würden die Einkünfte verbessert, hat er sich einmal gedacht, so könnte ein Herr Beneficiat bei etwas besserm Tisch wohl bälder jenes Grausen wieder vergessen, das er etwa gefaßt, da er jene wenigen Spannen Himmel betrachtet, die er hier sehen kann; da er dem brausenden Schneegestöber hinter dem Ofen hervor traurig entgegenzublicken so lange gezwungen wird; da seinem Auge keine bessere Ergötzung vergönnt ist, als die es etwa in den Saublumen findet; da er ein paar Stunden einer priesterlichen Unterhaltung zulaufen muß und oft den Leib- und Seelenarzt, wenn es geschehen kann, mehrere Tage umsonst erwartet." Diese Gedanken sind nicht ohne Folgen geblieben. „Deßwegen, fährt der Verfasser fort, entschloß sich Herr Beneficiat (er selbst) mit einem

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        <p>Mehrere historische Kleinigkeiten aus diesen frühern Zeiten wollen wir übergehen. Einmal wird erwähnt, daß die Pest ausgebrochen, weil man einen Altar des heiligen Sebastians, des Pestpatrons, weggerissen. Auch der Schnee hat viele Unglücksfälle veranlaßt. Am 3 Junius 1778 fiel er im Bade drei Fuß hoch; 1770 ging er erst den 15 Julius weg.</p>
        <p>Einzelne spätere Begebenheiten sind von späteren Händen beigesetzt. Eine solche belehrt uns auch, daß am Abend des 15 Septembers 1841 um 6 Uhr bei ganz schönem Wetter zwei bamherzige Schwestern in Mittelberg anlangten, welche der Priester Stephan Krißmer von Ried hieherbrachte. &#x201E;Daraus entstand große Freude &#x2013; jedoch nicht bei allen, denn die fleischlich gesinnten Menschen verstanden nicht, was des Geistes ist."</p>
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[78/0083] zu Mittelberg findet, wäre sogar noch der Name dieses ersten Walsers gegeben, da es dort heißt: „Es ist zu wissen, das Hanns Wüstner der Alt zu dem ersten ain Anfänger und stifter gewesen ist Sant Josen Gotteshus (zu Mittelberg) und dises Tals." Diesen Hans Wüstner darf man als historische Person in die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts setzen. Bergmann zeigt auch, daß sein Geschlechtsname wenigstens vor dreihundert Jahren noch im Wallis vorkam. Mehrere historische Kleinigkeiten aus diesen frühern Zeiten wollen wir übergehen. Einmal wird erwähnt, daß die Pest ausgebrochen, weil man einen Altar des heiligen Sebastians, des Pestpatrons, weggerissen. Auch der Schnee hat viele Unglücksfälle veranlaßt. Am 3 Junius 1778 fiel er im Bade drei Fuß hoch; 1770 ging er erst den 15 Julius weg. Einzelne spätere Begebenheiten sind von späteren Händen beigesetzt. Eine solche belehrt uns auch, daß am Abend des 15 Septembers 1841 um 6 Uhr bei ganz schönem Wetter zwei bamherzige Schwestern in Mittelberg anlangten, welche der Priester Stephan Krißmer von Ried hieherbrachte. „Daraus entstand große Freude – jedoch nicht bei allen, denn die fleischlich gesinnten Menschen verstanden nicht, was des Geistes ist." Manchmal verliert sich der Chronist in Betrachtungen, aus denen das Gefühl der Bergeinsamkeit nicht sehr erfreulich herausspricht. „Würden die Einkünfte verbessert, hat er sich einmal gedacht, so könnte ein Herr Beneficiat bei etwas besserm Tisch wohl bälder jenes Grausen wieder vergessen, das er etwa gefaßt, da er jene wenigen Spannen Himmel betrachtet, die er hier sehen kann; da er dem brausenden Schneegestöber hinter dem Ofen hervor traurig entgegenzublicken so lange gezwungen wird; da seinem Auge keine bessere Ergötzung vergönnt ist, als die es etwa in den Saublumen findet; da er ein paar Stunden einer priesterlichen Unterhaltung zulaufen muß und oft den Leib- und Seelenarzt, wenn es geschehen kann, mehrere Tage umsonst erwartet." Diese Gedanken sind nicht ohne Folgen geblieben. „Deßwegen, fährt der Verfasser fort, entschloß sich Herr Beneficiat (er selbst) mit einem

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/83>, abgerufen am 23.11.2024.