delt wird? Soll etwa hiermit der Vorgang der Begriffsbildung dargelegt sein? Und ferner, was treibt den Geist, diese gebil- dete geistige Anschauung in das Wort zu legen? Was soll man endlich zu einem Schriftsteller sagen, der zwei so schwierige Gegenstände, wie die Verleiblichung des Gedankens im Worte und die Begriffsbildung, in einem Werke, das diesen beiden Ge- genständen gewidmet ist, im ersten Paragraph mit einem Satze, den man durch "auch" an das Vorangehende bindet, erledigt? ja, erledigt, denn Becker sagt uns nirgends mehr, aber wie- derholt es unzählige Male: "die Sprache ist der in die Erschei- nung tretende Gedanke, und das Wort der in Lauten leiblich gewordene Begriff;" weil ihn die Furcht nicht losläßt, man glaube ihm dies nicht; und er hat diese Furcht, weil er die Sache selbst nicht begriffen hat. Um sie sich selbst glaublich und annehmbar zu machen, spricht er sich jenen Satz fortwäh- rend vor.
§. 12. Zweites Merkmal des Organischen in der Sprache.
Die Erfahrungen, auf die sich Becker beruft, um zu er- weisen, daß das Denken erst in dem Sprechen seine Vollen- dung erreicht, werden wir später betrachten. Wir gehen also jetzt zum zweiten Merkmal des Organischen über, zum Zweck- verhältnisse, und wollen sehen, wie Becker dies in der Spra- che nachweist. Wenn es leicht war, rücksichtlich der Sprache die nothwendige Entstehung und den organischen Zusammen- hang mit dem Wesen des Menschen nachzuweisen vermöge der Phrase der Erscheinung des Geistigen im Leiblichen, so ist der Nachweis dieses Zweckverhältnisses noch leichter. Denn Be- cker durfte ja nur folgenden Schluß aufstellen: Der Mensch ist nur Mensch durch Denken; denken aber kann er vollkommen nicht, ohne zu sprechen; folglich geht die Sprache nicht bloß mit innerer Nothwendigkeit aus dem Denken hervor, sondern hat auch nur das Denken, die eigentliche Menschlichkeit im Menschen zum Zwecke. So verfährt aber Becker nicht. Je näher indeß dieser Schluß lag, je einfacher und natürlicher er sich darbot, und um so ferner das lag, was an seine Stelle tritt, um so mehr wird sich behaupten lassen, es sei kein Zufall, daß ihn Becker liegen ließ und nach etwas anderm griff, er mag es übrigens mit oder ohne Absicht und Bewußtsein gethan ha- ben. Es ist ganz unläugbar und eine Thatsache, die der Psy- cholog zu entwickeln hat, daß sich im Gedankengange des Men-
delt wird? Soll etwa hiermit der Vorgang der Begriffsbildung dargelegt sein? Und ferner, was treibt den Geist, diese gebil- dete geistige Anschauung in das Wort zu legen? Was soll man endlich zu einem Schriftsteller sagen, der zwei so schwierige Gegenstände, wie die Verleiblichung des Gedankens im Worte und die Begriffsbildung, in einem Werke, das diesen beiden Ge- genständen gewidmet ist, im ersten Paragraph mit einem Satze, den man durch „auch“ an das Vorangehende bindet, erledigt? ja, erledigt, denn Becker sagt uns nirgends mehr, aber wie- derholt es unzählige Male: „die Sprache ist der in die Erschei- nung tretende Gedanke, und das Wort der in Lauten leiblich gewordene Begriff;“ weil ihn die Furcht nicht losläßt, man glaube ihm dies nicht; und er hat diese Furcht, weil er die Sache selbst nicht begriffen hat. Um sie sich selbst glaublich und annehmbar zu machen, spricht er sich jenen Satz fortwäh- rend vor.
§. 12. Zweites Merkmal des Organischen in der Sprache.
Die Erfahrungen, auf die sich Becker beruft, um zu er- weisen, daß das Denken erst in dem Sprechen seine Vollen- dung erreicht, werden wir später betrachten. Wir gehen also jetzt zum zweiten Merkmal des Organischen über, zum Zweck- verhältnisse, und wollen sehen, wie Becker dies in der Spra- che nachweist. Wenn es leicht war, rücksichtlich der Sprache die nothwendige Entstehung und den organischen Zusammen- hang mit dem Wesen des Menschen nachzuweisen vermöge der Phrase der Erscheinung des Geistigen im Leiblichen, so ist der Nachweis dieses Zweckverhältnisses noch leichter. Denn Be- cker durfte ja nur folgenden Schluß aufstellen: Der Mensch ist nur Mensch durch Denken; denken aber kann er vollkommen nicht, ohne zu sprechen; folglich geht die Sprache nicht bloß mit innerer Nothwendigkeit aus dem Denken hervor, sondern hat auch nur das Denken, die eigentliche Menschlichkeit im Menschen zum Zwecke. So verfährt aber Becker nicht. Je näher indeß dieser Schluß lag, je einfacher und natürlicher er sich darbot, und um so ferner das lag, was an seine Stelle tritt, um so mehr wird sich behaupten lassen, es sei kein Zufall, daß ihn Becker liegen ließ und nach etwas anderm griff, er mag es übrigens mit oder ohne Absicht und Bewußtsein gethan ha- ben. Es ist ganz unläugbar und eine Thatsache, die der Psy- cholog zu entwickeln hat, daß sich im Gedankengange des Men-
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delt wird? Soll etwa hiermit der Vorgang der Begriffsbildung
dargelegt sein? Und ferner, was treibt den Geist, diese gebil-
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endlich zu einem Schriftsteller sagen, der zwei so schwierige
Gegenstände, wie die Verleiblichung des Gedankens im Worte
und die Begriffsbildung, in einem Werke, das diesen beiden Ge-
genständen gewidmet ist, im ersten Paragraph mit einem Satze,
den man durch „auch“ an das Vorangehende bindet, erledigt?
ja, erledigt, denn Becker sagt uns nirgends mehr, aber wie-
derholt es unzählige Male: „die Sprache ist der in die Erschei-
nung tretende Gedanke, und das Wort der in Lauten leiblich
gewordene Begriff;“ weil ihn die Furcht nicht losläßt, man
glaube ihm dies nicht; und er hat diese Furcht, weil er die
Sache selbst nicht begriffen hat. Um sie sich selbst glaublich
und annehmbar zu machen, spricht er sich jenen Satz fortwäh-
rend vor.
§. 12. Zweites Merkmal des Organischen in der Sprache.
Die Erfahrungen, auf die sich Becker beruft, um zu er-
weisen, daß das Denken erst in dem Sprechen seine Vollen-
dung erreicht, werden wir später betrachten. Wir gehen also
jetzt zum zweiten Merkmal des Organischen über, zum Zweck-
verhältnisse, und wollen sehen, wie Becker dies in der Spra-
che nachweist. Wenn es leicht war, rücksichtlich der Sprache
die nothwendige Entstehung und den organischen Zusammen-
hang mit dem Wesen des Menschen nachzuweisen vermöge der
Phrase der Erscheinung des Geistigen im Leiblichen, so ist der
Nachweis dieses Zweckverhältnisses noch leichter. Denn Be-
cker durfte ja nur folgenden Schluß aufstellen: Der Mensch ist
nur Mensch durch Denken; denken aber kann er vollkommen
nicht, ohne zu sprechen; folglich geht die Sprache nicht bloß
mit innerer Nothwendigkeit aus dem Denken hervor, sondern
hat auch nur das Denken, die eigentliche Menschlichkeit im
Menschen zum Zwecke. So verfährt aber Becker nicht. Je
näher indeß dieser Schluß lag, je einfacher und natürlicher er
sich darbot, und um so ferner das lag, was an seine Stelle tritt,
um so mehr wird sich behaupten lassen, es sei kein Zufall, daß
ihn Becker liegen ließ und nach etwas anderm griff, er mag
es übrigens mit oder ohne Absicht und Bewußtsein gethan ha-
ben. Es ist ganz unläugbar und eine Thatsache, die der Psy-
cholog zu entwickeln hat, daß sich im Gedankengange des Men-
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/69>, abgerufen am 24.11.2024.
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