struction, nach welcher ich das Leidende, also das Object, und von dir das Subject wäre; und so verhält sich, wie wir oben schon gezeigt haben, die Sprache zur Logik, und eine Sprache zur andern, gar oft wie das Gliederthier und Weichthier zum Wirbelthier. Wir stoßen auf irrationale Größen, die keine Ver- gleichung gestatten.
Man hat also erstlich jeden Sprachstamm für sich selbst zu betrachten, und weder mit einem andern, noch mit irgend welcher allgemeinen, über diesen Stamm hinausliegenden Sprach- form oder gar logischen Kategorientafel zu vergleichen. Dann ist, zweitens, jedes Formschema, welches allen Sprachen gemein- sam angehören sollte, und zumal a priori bestimmbar wäre, ein Unding; weil, drittens, Logik und Grammatik völlig irrationale Größen sind, und jede Sprache eine rein subjective Schöpfung von Formen und Kategorien ist, entstanden unter subjectiven Ein- flüssen, die außerhalb jeder Berechnung liegen. Die innere Sprachform hört auf keine andern Forderungen, als diejenigen, die sie sich selbst stellt; und daß sie sich gerade diese stellt, geht aus den Formen hervor, welche sie gebildet hat. Aus den Formen jeder Sprache also sind die Forderungen kennen zu ler- nen, welche jede an sich stellt; denn für die Sprachen ist zwi- schen ihren Forderungen und ihren Leistungen kein Zwischen- raum, da sich diese wie Ursache und Wirkung zu einander ver- halten.
Bei Abfassung der Wörterbücher wird von einem doppel- ten Punkte ausgegangen, indem theils das Wort der zu erklä- renden Sprache durch die bekannte Sprache erläutert, theils an- gegeben wird, welches Wort der fremden Sprache einem be- stimmten Worte der bekannten Sprache entspricht. So könnte es auch eine doppelte Grammatik geben; und es könnte gefor- dert werden, man sollte ein Mal die vorhandenen Formen der fremden Sprache darstellen und durch die entsprechenden Formen unserer eigenen Sprache oder durch genaue Angabe ihres Werthes erklären, das andre Mal aber von einer allgemeinen abstrac- ten Grammatik ausgehend, angeben, welche Form der zu bear- beitenden Sprache einer bestimmten Form der abstracten Gram- matik entspreche. Wie man also Wörterbücher zum Ueber- setzen aus der einheimischen in die fremde Sprache hat, so muß es auch eine Grammatik geben, welche zeigt, wie die Formen der einheimischen oder besser einer allgemeinen Grammatik durch
25
struction, nach welcher ich das Leidende, also das Object, und von dir das Subject wäre; und so verhält sich, wie wir oben schon gezeigt haben, die Sprache zur Logik, und eine Sprache zur andern, gar oft wie das Gliederthier und Weichthier zum Wirbelthier. Wir stoßen auf irrationale Größen, die keine Ver- gleichung gestatten.
Man hat also erstlich jeden Sprachstamm für sich selbst zu betrachten, und weder mit einem andern, noch mit irgend welcher allgemeinen, über diesen Stamm hinausliegenden Sprach- form oder gar logischen Kategorientafel zu vergleichen. Dann ist, zweitens, jedes Formschema, welches allen Sprachen gemein- sam angehören sollte, und zumal a priori bestimmbar wäre, ein Unding; weil, drittens, Logik und Grammatik völlig irrationale Größen sind, und jede Sprache eine rein subjective Schöpfung von Formen und Kategorien ist, entstanden unter subjectiven Ein- flüssen, die außerhalb jeder Berechnung liegen. Die innere Sprachform hört auf keine andern Forderungen, als diejenigen, die sie sich selbst stellt; und daß sie sich gerade diese stellt, geht aus den Formen hervor, welche sie gebildet hat. Aus den Formen jeder Sprache also sind die Forderungen kennen zu ler- nen, welche jede an sich stellt; denn für die Sprachen ist zwi- schen ihren Forderungen und ihren Leistungen kein Zwischen- raum, da sich diese wie Ursache und Wirkung zu einander ver- halten.
Bei Abfassung der Wörterbücher wird von einem doppel- ten Punkte ausgegangen, indem theils das Wort der zu erklä- renden Sprache durch die bekannte Sprache erläutert, theils an- gegeben wird, welches Wort der fremden Sprache einem be- stimmten Worte der bekannten Sprache entspricht. So könnte es auch eine doppelte Grammatik geben; und es könnte gefor- dert werden, man sollte ein Mal die vorhandenen Formen der fremden Sprache darstellen und durch die entsprechenden Formen unserer eigenen Sprache oder durch genaue Angabe ihres Werthes erklären, das andre Mal aber von einer allgemeinen abstrac- ten Grammatik ausgehend, angeben, welche Form der zu bear- beitenden Sprache einer bestimmten Form der abstracten Gram- matik entspreche. Wie man also Wörterbücher zum Ueber- setzen aus der einheimischen in die fremde Sprache hat, so muß es auch eine Grammatik geben, welche zeigt, wie die Formen der einheimischen oder besser einer allgemeinen Grammatik durch
25
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0423"n="385"/>
struction, nach welcher <hirendition="#i">ich</hi> das Leidende, also das Object, und<lb/><hirendition="#i">von dir</hi> das Subject wäre; und so verhält sich, wie wir oben<lb/>
schon gezeigt haben, die Sprache zur Logik, und eine Sprache<lb/>
zur andern, gar oft wie das Gliederthier und Weichthier zum<lb/>
Wirbelthier. Wir stoßen auf irrationale Größen, die keine Ver-<lb/>
gleichung gestatten.</p><lb/><p>Man hat also erstlich jeden Sprachstamm für sich selbst<lb/>
zu betrachten, und weder mit einem andern, noch mit irgend<lb/>
welcher allgemeinen, über diesen Stamm hinausliegenden Sprach-<lb/>
form oder gar logischen Kategorientafel zu vergleichen. Dann<lb/>
ist, zweitens, jedes Formschema, welches allen Sprachen gemein-<lb/>
sam angehören sollte, und zumal a priori bestimmbar wäre, ein<lb/>
Unding; weil, drittens, Logik und Grammatik völlig irrationale<lb/>
Größen sind, und jede Sprache eine rein subjective Schöpfung<lb/>
von Formen und Kategorien ist, entstanden unter subjectiven Ein-<lb/>
flüssen, die außerhalb jeder Berechnung liegen. Die innere<lb/>
Sprachform hört auf keine andern Forderungen, als diejenigen,<lb/>
die sie sich selbst stellt; und daß sie sich gerade diese stellt,<lb/>
geht aus den Formen hervor, welche sie gebildet hat. Aus den<lb/>
Formen jeder Sprache also sind die Forderungen kennen zu ler-<lb/>
nen, welche jede an sich stellt; denn für die Sprachen ist zwi-<lb/>
schen ihren Forderungen und ihren Leistungen kein Zwischen-<lb/>
raum, da sich diese wie Ursache und Wirkung zu einander ver-<lb/>
halten.</p><lb/><p>Bei Abfassung der Wörterbücher wird von einem doppel-<lb/>
ten Punkte ausgegangen, indem theils das Wort der zu erklä-<lb/>
renden Sprache durch die bekannte Sprache erläutert, theils an-<lb/>
gegeben wird, welches Wort der fremden Sprache einem be-<lb/>
stimmten Worte der bekannten Sprache entspricht. So könnte<lb/>
es auch eine doppelte Grammatik geben; und es könnte gefor-<lb/>
dert werden, man sollte ein Mal die vorhandenen Formen der<lb/>
fremden Sprache darstellen und durch die entsprechenden Formen<lb/>
unserer eigenen Sprache oder durch genaue Angabe ihres Werthes<lb/>
erklären, das andre Mal aber von einer allgemeinen abstrac-<lb/>
ten Grammatik ausgehend, angeben, welche Form der zu bear-<lb/>
beitenden Sprache einer bestimmten Form der abstracten Gram-<lb/>
matik entspreche. Wie man also Wörterbücher zum Ueber-<lb/>
setzen aus der einheimischen in die fremde Sprache hat, so muß<lb/>
es auch eine Grammatik geben, welche zeigt, wie die Formen<lb/>
der einheimischen oder besser einer allgemeinen Grammatik durch<lb/><fwplace="bottom"type="sig">25</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[385/0423]
struction, nach welcher ich das Leidende, also das Object, und
von dir das Subject wäre; und so verhält sich, wie wir oben
schon gezeigt haben, die Sprache zur Logik, und eine Sprache
zur andern, gar oft wie das Gliederthier und Weichthier zum
Wirbelthier. Wir stoßen auf irrationale Größen, die keine Ver-
gleichung gestatten.
Man hat also erstlich jeden Sprachstamm für sich selbst
zu betrachten, und weder mit einem andern, noch mit irgend
welcher allgemeinen, über diesen Stamm hinausliegenden Sprach-
form oder gar logischen Kategorientafel zu vergleichen. Dann
ist, zweitens, jedes Formschema, welches allen Sprachen gemein-
sam angehören sollte, und zumal a priori bestimmbar wäre, ein
Unding; weil, drittens, Logik und Grammatik völlig irrationale
Größen sind, und jede Sprache eine rein subjective Schöpfung
von Formen und Kategorien ist, entstanden unter subjectiven Ein-
flüssen, die außerhalb jeder Berechnung liegen. Die innere
Sprachform hört auf keine andern Forderungen, als diejenigen,
die sie sich selbst stellt; und daß sie sich gerade diese stellt,
geht aus den Formen hervor, welche sie gebildet hat. Aus den
Formen jeder Sprache also sind die Forderungen kennen zu ler-
nen, welche jede an sich stellt; denn für die Sprachen ist zwi-
schen ihren Forderungen und ihren Leistungen kein Zwischen-
raum, da sich diese wie Ursache und Wirkung zu einander ver-
halten.
Bei Abfassung der Wörterbücher wird von einem doppel-
ten Punkte ausgegangen, indem theils das Wort der zu erklä-
renden Sprache durch die bekannte Sprache erläutert, theils an-
gegeben wird, welches Wort der fremden Sprache einem be-
stimmten Worte der bekannten Sprache entspricht. So könnte
es auch eine doppelte Grammatik geben; und es könnte gefor-
dert werden, man sollte ein Mal die vorhandenen Formen der
fremden Sprache darstellen und durch die entsprechenden Formen
unserer eigenen Sprache oder durch genaue Angabe ihres Werthes
erklären, das andre Mal aber von einer allgemeinen abstrac-
ten Grammatik ausgehend, angeben, welche Form der zu bear-
beitenden Sprache einer bestimmten Form der abstracten Gram-
matik entspreche. Wie man also Wörterbücher zum Ueber-
setzen aus der einheimischen in die fremde Sprache hat, so muß
es auch eine Grammatik geben, welche zeigt, wie die Formen
der einheimischen oder besser einer allgemeinen Grammatik durch
25
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/423>, abgerufen am 30.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.