ineinander, und mannigfaltige Beziehungen wollen berücksichtigt sein. Indessen andererseits, in welcher Weise man auch die Gehirne vergleichen mag, immer nimmt der Mensch eine aus- gezeichnete Stelle dabei ein. Das Wesentlichste aber wird wohl nicht in allen diesen Beziehungen, sondern in der innern Structur liegen. Aber wir kennen die Wirkungsweise des Gehirns noch sehr wenig. Hier dürfen wir von der Zukunft noch mancherlei Aufschlüsse erwarten.
Ferner die aufrechte Stellung. Dieser Punkt muß für die Erregtheit des Leibes, wie der einzelnen Glieder, eine Menge sehr fein unterschiedener Wirkungen hervorbringen, die auch auf die Seelenthätigkeit vortheilhaft erregend wirken müssen, zu- nächst besonders auf das Gefühl, wenn auch alle diese zarten Wirkungen unsagbar bleiben möchten. Es liegt in der aufrech- ten Stellung eine Befreiung vom Erdboden. Das Streben nach ihr kann man durch das ganze Thierreich verfolgen. Je nie- driger die Entwicklungsstufe des thierischen Leibes, desto mehr ist die Gestalt der Erde zugewendet, und die untersten Stufen sind sogar, wie die Pflanzen, am Boden angeheftet. Aufwärts steigend wird der Kopf immer höher und damit beweglicher, freier. Den Flug der Insecten und Vögel kann man als Bild der abstracten Befreiung ansehen. So hoch sie auch fliegen, sie gehören doch der Erde an. Den Fuß auf der Erde, das Haupt frei und fähig sich von ihr abzuwenden: das ist das Bild der wirklichen Freiheit, der Herrschaft; und so ist es die Stellung des Menschen.
Hierbei ist nun näher zu berücksichtigen, daß die Weise, wie der Kopf auf dem Halse sitzt, beim Menschen verschieden ist von der Weise beim Thiere. Man beachte aufrecht stehende Hunde und Affen: der Kopf fällt immer nach vorn. Die Befe- stigungsstelle des Kopfes auf dem Halse (das Hinterhauptsloch) ist bei diesen und allen vierfüßigen Thieren mehr am Hinter- kopfe, während sie beim Menschen in der Mitte des Kopfes sitzt. So thront der Kopf gerade auf dem Körper und hat da- bei eine große Freiheit, sich rechts und links zu drehen, vor- wärts hinab und rückwärts hinauf zu ziehen. So ist der mensch- liche Kopf ungleich freier als der thierische; aber auch der ganze übrige Körper ist es.
Ein Tuch, das an allen vier Ecken angeheftet ist, flattert weniger frei als ein anderes, das nur an zwei Stellen befestigt
ineinander, und mannigfaltige Beziehungen wollen berücksichtigt sein. Indessen andererseits, in welcher Weise man auch die Gehirne vergleichen mag, immer nimmt der Mensch eine aus- gezeichnete Stelle dabei ein. Das Wesentlichste aber wird wohl nicht in allen diesen Beziehungen, sondern in der innern Structur liegen. Aber wir kennen die Wirkungsweise des Gehirns noch sehr wenig. Hier dürfen wir von der Zukunft noch mancherlei Aufschlüsse erwarten.
Ferner die aufrechte Stellung. Dieser Punkt muß für die Erregtheit des Leibes, wie der einzelnen Glieder, eine Menge sehr fein unterschiedener Wirkungen hervorbringen, die auch auf die Seelenthätigkeit vortheilhaft erregend wirken müssen, zu- nächst besonders auf das Gefühl, wenn auch alle diese zarten Wirkungen unsagbar bleiben möchten. Es liegt in der aufrech- ten Stellung eine Befreiung vom Erdboden. Das Streben nach ihr kann man durch das ganze Thierreich verfolgen. Je nie- driger die Entwicklungsstufe des thierischen Leibes, desto mehr ist die Gestalt der Erde zugewendet, und die untersten Stufen sind sogar, wie die Pflanzen, am Boden angeheftet. Aufwärts steigend wird der Kopf immer höher und damit beweglicher, freier. Den Flug der Insecten und Vögel kann man als Bild der abstracten Befreiung ansehen. So hoch sie auch fliegen, sie gehören doch der Erde an. Den Fuß auf der Erde, das Haupt frei und fähig sich von ihr abzuwenden: das ist das Bild der wirklichen Freiheit, der Herrschaft; und so ist es die Stellung des Menschen.
Hierbei ist nun näher zu berücksichtigen, daß die Weise, wie der Kopf auf dem Halse sitzt, beim Menschen verschieden ist von der Weise beim Thiere. Man beachte aufrecht stehende Hunde und Affen: der Kopf fällt immer nach vorn. Die Befe- stigungsstelle des Kopfes auf dem Halse (das Hinterhauptsloch) ist bei diesen und allen vierfüßigen Thieren mehr am Hinter- kopfe, während sie beim Menschen in der Mitte des Kopfes sitzt. So thront der Kopf gerade auf dem Körper und hat da- bei eine große Freiheit, sich rechts und links zu drehen, vor- wärts hinab und rückwärts hinauf zu ziehen. So ist der mensch- liche Kopf ungleich freier als der thierische; aber auch der ganze übrige Körper ist es.
Ein Tuch, das an allen vier Ecken angeheftet ist, flattert weniger frei als ein anderes, das nur an zwei Stellen befestigt
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ineinander, und mannigfaltige Beziehungen wollen berücksichtigt
sein. Indessen andererseits, in welcher Weise man auch die
Gehirne vergleichen mag, immer nimmt der Mensch eine aus-
gezeichnete Stelle dabei ein. Das Wesentlichste aber wird wohl
nicht in allen diesen Beziehungen, sondern in der innern Structur
liegen. Aber wir kennen die Wirkungsweise des Gehirns noch
sehr wenig. Hier dürfen wir von der Zukunft noch mancherlei
Aufschlüsse erwarten.
Ferner die aufrechte Stellung. Dieser Punkt muß für die
Erregtheit des Leibes, wie der einzelnen Glieder, eine Menge
sehr fein unterschiedener Wirkungen hervorbringen, die auch auf
die Seelenthätigkeit vortheilhaft erregend wirken müssen, zu-
nächst besonders auf das Gefühl, wenn auch alle diese zarten
Wirkungen unsagbar bleiben möchten. Es liegt in der aufrech-
ten Stellung eine Befreiung vom Erdboden. Das Streben nach
ihr kann man durch das ganze Thierreich verfolgen. Je nie-
driger die Entwicklungsstufe des thierischen Leibes, desto mehr
ist die Gestalt der Erde zugewendet, und die untersten Stufen
sind sogar, wie die Pflanzen, am Boden angeheftet. Aufwärts
steigend wird der Kopf immer höher und damit beweglicher,
freier. Den Flug der Insecten und Vögel kann man als Bild
der abstracten Befreiung ansehen. So hoch sie auch fliegen, sie
gehören doch der Erde an. Den Fuß auf der Erde, das Haupt
frei und fähig sich von ihr abzuwenden: das ist das Bild der
wirklichen Freiheit, der Herrschaft; und so ist es die Stellung
des Menschen.
Hierbei ist nun näher zu berücksichtigen, daß die Weise,
wie der Kopf auf dem Halse sitzt, beim Menschen verschieden
ist von der Weise beim Thiere. Man beachte aufrecht stehende
Hunde und Affen: der Kopf fällt immer nach vorn. Die Befe-
stigungsstelle des Kopfes auf dem Halse (das Hinterhauptsloch)
ist bei diesen und allen vierfüßigen Thieren mehr am Hinter-
kopfe, während sie beim Menschen in der Mitte des Kopfes
sitzt. So thront der Kopf gerade auf dem Körper und hat da-
bei eine große Freiheit, sich rechts und links zu drehen, vor-
wärts hinab und rückwärts hinauf zu ziehen. So ist der mensch-
liche Kopf ungleich freier als der thierische; aber auch der ganze
übrige Körper ist es.
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/318>, abgerufen am 25.11.2024.
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