gen auf eine derselben entsprechende Verschiedenheit der Ur- sachen schließen: es müßten denn die Hindernisse nachgewie- sen werden, welche die eine Ursache verhindert haben, ihre volle Kraft wirken zu lassen zur Hervorbringung dessen, was in ihr lag. Nun liegt es als Thatsache vor, daß das Thier keine menschliche Welt gründen konnte; also kann es auch keine der menschlichen Seele gleiche Seele haben. Behauptet man diese Gleichheit dennoch, so hat man zu zeigen, worin das Hinder- niß liege, welches die thierische Seele zurückhält, gleich der menschlichen zu wirken. Dieses Hinderniß kann nicht in zu- fälligen Umständen liegen, welche dem thierischen Wesen äußer- lich wären; denn solche könnten unmöglich einen seit Beginn der Schöpfung ununterbrochen dauernden und ausnahmslos wirk- samen Einfluß geübt haben. Wenn aber dem thierischen We- sen, als solchem, angehörende Verhältnisse als hemmend ange- führt werden, so ist damit das niedrigere Wesen der Thierseele anerkannt. Hier sagt man nun aber: nicht in der thierischen Seele liegt das Hinderniß, sondern lediglich im thierischen Leibe; und nur durch die höhere Organisation des Leibes unterscheide sich ursprünglich der Mensch von dem Thiere, während die Seelen beider zu einer Art gehören (Herbart, Psychologie §. 130.).
Wenn man aber auch nicht Materialist ist, d. h. wenn man nicht meint, daß die Seelenthätigkeit bloß Erzeugniß der Wirk- samkeit animalisch-organischer Materie sei -- denn dann schlösse ja der Vorzug des Körpers den Vorzug der Seele schon in sich --: auch dann muß man doch ein inniges wechselseitiges Auf-einander-wirken zwischen Seele und Leib annehmen, wie wir das täglich an uns und andern auch beobachten können; und muß ferner zugestehen, daß die Seele auch auf die Schöpfung selbst, auf die Formung und Gestaltung des Leibes einen abso- lut bestimmenden Einfluß übe. Sieht man in der Welt nichts als ein nothwendiges Wirken blinder Ursachen ohne regierenden Zweck, so sind alle Schöpfungen Zufall, und die ungeheuer- lichste Erscheinung ist so gerechtfertigt, als die in sich über- einstimmendste -- insofern dann noch von Rechtfertigung die Rede sein kann. Glaubt man aber, die Welt sei nach Zwecken geordnet: -- und wie könnte man dann die weitere Annahme eines allweisen, allgütigen und allmächtigen Schöpfers abwei- sen? -- so ist die Vereinigung der Seele, wie sie im mensch-
gen auf eine derselben entsprechende Verschiedenheit der Ur- sachen schließen: es müßten denn die Hindernisse nachgewie- sen werden, welche die eine Ursache verhindert haben, ihre volle Kraft wirken zu lassen zur Hervorbringung dessen, was in ihr lag. Nun liegt es als Thatsache vor, daß das Thier keine menschliche Welt gründen konnte; also kann es auch keine der menschlichen Seele gleiche Seele haben. Behauptet man diese Gleichheit dennoch, so hat man zu zeigen, worin das Hinder- niß liege, welches die thierische Seele zurückhält, gleich der menschlichen zu wirken. Dieses Hinderniß kann nicht in zu- fälligen Umständen liegen, welche dem thierischen Wesen äußer- lich wären; denn solche könnten unmöglich einen seit Beginn der Schöpfung ununterbrochen dauernden und ausnahmslos wirk- samen Einfluß geübt haben. Wenn aber dem thierischen We- sen, als solchem, angehörende Verhältnisse als hemmend ange- führt werden, so ist damit das niedrigere Wesen der Thierseele anerkannt. Hier sagt man nun aber: nicht in der thierischen Seele liegt das Hinderniß, sondern lediglich im thierischen Leibe; und nur durch die höhere Organisation des Leibes unterscheide sich ursprünglich der Mensch von dem Thiere, während die Seelen beider zu einer Art gehören (Herbart, Psychologie §. 130.).
Wenn man aber auch nicht Materialist ist, d. h. wenn man nicht meint, daß die Seelenthätigkeit bloß Erzeugniß der Wirk- samkeit animalisch-organischer Materie sei — denn dann schlösse ja der Vorzug des Körpers den Vorzug der Seele schon in sich —: auch dann muß man doch ein inniges wechselseitiges Auf-einander-wirken zwischen Seele und Leib annehmen, wie wir das täglich an uns und andern auch beobachten können; und muß ferner zugestehen, daß die Seele auch auf die Schöpfung selbst, auf die Formung und Gestaltung des Leibes einen abso- lut bestimmenden Einfluß übe. Sieht man in der Welt nichts als ein nothwendiges Wirken blinder Ursachen ohne regierenden Zweck, so sind alle Schöpfungen Zufall, und die ungeheuer- lichste Erscheinung ist so gerechtfertigt, als die in sich über- einstimmendste — insofern dann noch von Rechtfertigung die Rede sein kann. Glaubt man aber, die Welt sei nach Zwecken geordnet: — und wie könnte man dann die weitere Annahme eines allweisen, allgütigen und allmächtigen Schöpfers abwei- sen? — so ist die Vereinigung der Seele, wie sie im mensch-
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gen auf eine derselben entsprechende Verschiedenheit der Ur-
sachen schließen: es müßten denn die Hindernisse nachgewie-
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Kraft wirken zu lassen zur Hervorbringung dessen, was in ihr
lag. Nun liegt es als Thatsache vor, daß das Thier keine
menschliche Welt gründen konnte; also kann es auch keine der
menschlichen Seele gleiche Seele haben. Behauptet man diese
Gleichheit dennoch, so hat man zu zeigen, worin das Hinder-
niß liege, welches die thierische Seele zurückhält, gleich der
menschlichen zu wirken. Dieses Hinderniß kann nicht in zu-
fälligen Umständen liegen, welche dem thierischen Wesen äußer-
lich wären; denn solche könnten unmöglich einen seit Beginn
der Schöpfung ununterbrochen dauernden und ausnahmslos wirk-
samen Einfluß geübt haben. Wenn aber dem thierischen We-
sen, als solchem, angehörende Verhältnisse als hemmend ange-
führt werden, so ist damit das niedrigere Wesen der Thierseele
anerkannt. Hier sagt man nun aber: nicht in der thierischen
Seele liegt das Hinderniß, sondern lediglich im thierischen Leibe;
und nur durch die höhere Organisation des Leibes unterscheide
sich ursprünglich der Mensch von dem Thiere, während die
Seelen beider zu einer Art gehören (Herbart, Psychologie
§. 130.).
Wenn man aber auch nicht Materialist ist, d. h. wenn man
nicht meint, daß die Seelenthätigkeit bloß Erzeugniß der Wirk-
samkeit animalisch-organischer Materie sei — denn dann schlösse
ja der Vorzug des Körpers den Vorzug der Seele schon in
sich —: auch dann muß man doch ein inniges wechselseitiges
Auf-einander-wirken zwischen Seele und Leib annehmen, wie
wir das täglich an uns und andern auch beobachten können;
und muß ferner zugestehen, daß die Seele auch auf die Schöpfung
selbst, auf die Formung und Gestaltung des Leibes einen abso-
lut bestimmenden Einfluß übe. Sieht man in der Welt nichts
als ein nothwendiges Wirken blinder Ursachen ohne regierenden
Zweck, so sind alle Schöpfungen Zufall, und die ungeheuer-
lichste Erscheinung ist so gerechtfertigt, als die in sich über-
einstimmendste — insofern dann noch von Rechtfertigung die
Rede sein kann. Glaubt man aber, die Welt sei nach Zwecken
geordnet: — und wie könnte man dann die weitere Annahme
eines allweisen, allgütigen und allmächtigen Schöpfers abwei-
sen? — so ist die Vereinigung der Seele, wie sie im mensch-
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/312>, abgerufen am 25.11.2024.
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