lenthätigkeit überhaupt mit Bewegungen; und eine solche Ver- bindung liegt unläugbar in der Sprache vor. Wir haben also die Gattung oder Classe kennen gelernt, zu der die Sprache als eine ganz besondere Art gehört. Fahren wir also nur fort, jene all- gemeine Verbindung von theoretischer und practischer Thätig- keit der Seele näher zu betrachten, in ihr Unterabtheilungen und Arten zu unterscheiden. Wir müssen durch immer mehr hinzu- gefügte Bestimmungen endlich die Art finden, die wir suchen.
Unter den angeführten Beispielen können wir schon leicht zwei Classen scheiden. Das Nachahmen der Fechtbewegungen, überhaupt das Ausführen einer Vorstellung ist leicht als verschie- den zu erkennen von dem Erbrechen auf eine ekelhafte Vorstel- lung, vom Lachen auf Kitzel oder einen unerwarteten Gedan- ken, vom Weinen und Schluchzen oder Aechzen auf körperlichen Schmerz oder eine Trauer erregende Vorstellung. Denn in die- sen letztern Fällen wird etwas ganz anderes ausgeführt, als was in der Vorstellung liegt, und Bewegung und Vorstellung stehen hier in gar keinem erkennbaren Zusammenhange. Das Gähnen, wenn es durch den Anblick eines Gähnenden entsteht, gehört zur ersten Classe; das ursprüngliche Gähnen als Erfolg der Lan- genweile gehört zur zweiten. Das Lachen gehört ebenfalls zu beiden Classen; denn es entsteht nicht bloß durch Kitzel und Anblick oder Vorstellung des Lächerlichen, als zur zweiten Classe gehörig, sondern auch durch Nachahmung des Lachenden, also als Ausführung der Vorstellung des Lachens, und selbst durch den Gedanken des Nicht-Lachens. Man denke an das Spiel der Kinder, die sich ernsthaft ins Gesicht sehen und in Lachen ausbrechen, gerade weil sie den Gedanken, die Absicht des Nicht- Lachens haben.
Die Sprache gehört offenbar in die zweite der beiden obi- gen Classen, wenigstens nach dem, was wir bis jetzt von der Sprache wissen. Ob und inwiefern wir bei näherer Kenntniß des Wesens der Sprache ihre Stellung anders bestimmen, wird sich später zeigen. Für jetzt genügt uns hier die Bemerkung: die Sprache, als Verbindung von Vorstellung und Laut, hat mit den Erscheinungen der zweiten Classe nicht bloß die Aehnlich- keit, daß die mit der Vorstellung oder Empfindung verbundene Bewegung durchaus keine Analogie, keinen Zusammenhang mit der Vorstellung oder Empfindung zeigt, auf welche sie erfolgt; sondern die Sprache zeigt mit jenen Erscheinungen auch noch
lenthätigkeit überhaupt mit Bewegungen; und eine solche Ver- bindung liegt unläugbar in der Sprache vor. Wir haben also die Gattung oder Classe kennen gelernt, zu der die Sprache als eine ganz besondere Art gehört. Fahren wir also nur fort, jene all- gemeine Verbindung von theoretischer und practischer Thätig- keit der Seele näher zu betrachten, in ihr Unterabtheilungen und Arten zu unterscheiden. Wir müssen durch immer mehr hinzu- gefügte Bestimmungen endlich die Art finden, die wir suchen.
Unter den angeführten Beispielen können wir schon leicht zwei Classen scheiden. Das Nachahmen der Fechtbewegungen, überhaupt das Ausführen einer Vorstellung ist leicht als verschie- den zu erkennen von dem Erbrechen auf eine ekelhafte Vorstel- lung, vom Lachen auf Kitzel oder einen unerwarteten Gedan- ken, vom Weinen und Schluchzen oder Aechzen auf körperlichen Schmerz oder eine Trauer erregende Vorstellung. Denn in die- sen letztern Fällen wird etwas ganz anderes ausgeführt, als was in der Vorstellung liegt, und Bewegung und Vorstellung stehen hier in gar keinem erkennbaren Zusammenhange. Das Gähnen, wenn es durch den Anblick eines Gähnenden entsteht, gehört zur ersten Classe; das ursprüngliche Gähnen als Erfolg der Lan- genweile gehört zur zweiten. Das Lachen gehört ebenfalls zu beiden Classen; denn es entsteht nicht bloß durch Kitzel und Anblick oder Vorstellung des Lächerlichen, als zur zweiten Classe gehörig, sondern auch durch Nachahmung des Lachenden, also als Ausführung der Vorstellung des Lachens, und selbst durch den Gedanken des Nicht-Lachens. Man denke an das Spiel der Kinder, die sich ernsthaft ins Gesicht sehen und in Lachen ausbrechen, gerade weil sie den Gedanken, die Absicht des Nicht- Lachens haben.
Die Sprache gehört offenbar in die zweite der beiden obi- gen Classen, wenigstens nach dem, was wir bis jetzt von der Sprache wissen. Ob und inwiefern wir bei näherer Kenntniß des Wesens der Sprache ihre Stellung anders bestimmen, wird sich später zeigen. Für jetzt genügt uns hier die Bemerkung: die Sprache, als Verbindung von Vorstellung und Laut, hat mit den Erscheinungen der zweiten Classe nicht bloß die Aehnlich- keit, daß die mit der Vorstellung oder Empfindung verbundene Bewegung durchaus keine Analogie, keinen Zusammenhang mit der Vorstellung oder Empfindung zeigt, auf welche sie erfolgt; sondern die Sprache zeigt mit jenen Erscheinungen auch noch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0290"n="252"/>
lenthätigkeit überhaupt mit Bewegungen; und eine solche Ver-<lb/>
bindung liegt unläugbar in der Sprache vor. Wir haben also die<lb/>
Gattung oder Classe kennen gelernt, zu der die Sprache als eine<lb/>
ganz besondere Art gehört. Fahren wir also nur fort, jene all-<lb/>
gemeine Verbindung von theoretischer und practischer Thätig-<lb/>
keit der Seele näher zu betrachten, in ihr Unterabtheilungen und<lb/>
Arten zu unterscheiden. Wir müssen durch immer mehr hinzu-<lb/>
gefügte Bestimmungen endlich die Art finden, die wir suchen.</p><lb/><p>Unter den angeführten Beispielen können wir schon leicht<lb/>
zwei Classen scheiden. Das Nachahmen der Fechtbewegungen,<lb/>
überhaupt das Ausführen einer Vorstellung ist leicht als verschie-<lb/>
den zu erkennen von dem Erbrechen auf eine ekelhafte Vorstel-<lb/>
lung, vom Lachen auf Kitzel oder einen unerwarteten Gedan-<lb/>
ken, vom Weinen und Schluchzen oder Aechzen auf körperlichen<lb/>
Schmerz oder eine Trauer erregende Vorstellung. Denn in die-<lb/>
sen letztern Fällen wird etwas ganz anderes ausgeführt, als was<lb/>
in der Vorstellung liegt, und Bewegung und Vorstellung stehen<lb/>
hier in gar keinem erkennbaren Zusammenhange. Das Gähnen,<lb/>
wenn es durch den Anblick eines Gähnenden entsteht, gehört<lb/>
zur ersten Classe; das ursprüngliche Gähnen als Erfolg der Lan-<lb/>
genweile gehört zur zweiten. Das Lachen gehört ebenfalls zu<lb/>
beiden Classen; denn es entsteht nicht bloß durch Kitzel und<lb/>
Anblick oder Vorstellung des Lächerlichen, als zur zweiten Classe<lb/>
gehörig, sondern auch durch Nachahmung des Lachenden, also<lb/>
als Ausführung der Vorstellung des Lachens, und selbst durch<lb/>
den Gedanken des Nicht-Lachens. Man denke an das Spiel<lb/>
der Kinder, die sich ernsthaft ins Gesicht sehen und in Lachen<lb/>
ausbrechen, gerade weil sie den Gedanken, die Absicht des Nicht-<lb/>
Lachens haben.</p><lb/><p>Die Sprache gehört offenbar in die zweite der beiden obi-<lb/>
gen Classen, wenigstens nach dem, was wir bis jetzt von der<lb/>
Sprache wissen. Ob und inwiefern wir bei näherer Kenntniß<lb/>
des Wesens der Sprache ihre Stellung anders bestimmen, wird<lb/>
sich später zeigen. Für jetzt genügt uns hier die Bemerkung:<lb/>
die Sprache, als Verbindung von Vorstellung und Laut, hat mit<lb/>
den Erscheinungen der zweiten Classe nicht bloß <hirendition="#g">die</hi> Aehnlich-<lb/>
keit, daß die mit der Vorstellung oder Empfindung verbundene<lb/>
Bewegung durchaus keine Analogie, keinen Zusammenhang mit<lb/>
der Vorstellung oder Empfindung zeigt, auf welche sie erfolgt;<lb/>
sondern die Sprache zeigt mit jenen Erscheinungen auch noch<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[252/0290]
lenthätigkeit überhaupt mit Bewegungen; und eine solche Ver-
bindung liegt unläugbar in der Sprache vor. Wir haben also die
Gattung oder Classe kennen gelernt, zu der die Sprache als eine
ganz besondere Art gehört. Fahren wir also nur fort, jene all-
gemeine Verbindung von theoretischer und practischer Thätig-
keit der Seele näher zu betrachten, in ihr Unterabtheilungen und
Arten zu unterscheiden. Wir müssen durch immer mehr hinzu-
gefügte Bestimmungen endlich die Art finden, die wir suchen.
Unter den angeführten Beispielen können wir schon leicht
zwei Classen scheiden. Das Nachahmen der Fechtbewegungen,
überhaupt das Ausführen einer Vorstellung ist leicht als verschie-
den zu erkennen von dem Erbrechen auf eine ekelhafte Vorstel-
lung, vom Lachen auf Kitzel oder einen unerwarteten Gedan-
ken, vom Weinen und Schluchzen oder Aechzen auf körperlichen
Schmerz oder eine Trauer erregende Vorstellung. Denn in die-
sen letztern Fällen wird etwas ganz anderes ausgeführt, als was
in der Vorstellung liegt, und Bewegung und Vorstellung stehen
hier in gar keinem erkennbaren Zusammenhange. Das Gähnen,
wenn es durch den Anblick eines Gähnenden entsteht, gehört
zur ersten Classe; das ursprüngliche Gähnen als Erfolg der Lan-
genweile gehört zur zweiten. Das Lachen gehört ebenfalls zu
beiden Classen; denn es entsteht nicht bloß durch Kitzel und
Anblick oder Vorstellung des Lächerlichen, als zur zweiten Classe
gehörig, sondern auch durch Nachahmung des Lachenden, also
als Ausführung der Vorstellung des Lachens, und selbst durch
den Gedanken des Nicht-Lachens. Man denke an das Spiel
der Kinder, die sich ernsthaft ins Gesicht sehen und in Lachen
ausbrechen, gerade weil sie den Gedanken, die Absicht des Nicht-
Lachens haben.
Die Sprache gehört offenbar in die zweite der beiden obi-
gen Classen, wenigstens nach dem, was wir bis jetzt von der
Sprache wissen. Ob und inwiefern wir bei näherer Kenntniß
des Wesens der Sprache ihre Stellung anders bestimmen, wird
sich später zeigen. Für jetzt genügt uns hier die Bemerkung:
die Sprache, als Verbindung von Vorstellung und Laut, hat mit
den Erscheinungen der zweiten Classe nicht bloß die Aehnlich-
keit, daß die mit der Vorstellung oder Empfindung verbundene
Bewegung durchaus keine Analogie, keinen Zusammenhang mit
der Vorstellung oder Empfindung zeigt, auf welche sie erfolgt;
sondern die Sprache zeigt mit jenen Erscheinungen auch noch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/290>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.