nähere Bestimmung des Princips. Form und Princip werden beide in gleicher Weise bestimmt als "Einheit der einzelnen Sprachelemente." Uebrigens ist Princip ein Ausdruck, der für jene "das Ganze durchdringende Kraft" ansprechender scheint. Neben Princip tritt aber abwechselnd auch der Ausdruck Form auf.
Nachdem im §. 20. der Charakter der Sprache als von der Form des Sprachbaues noch verschieden besprochen worden ist, wird §. 21. die Frage aufgeworfen: worauf die Lebensdauer und Entwicklungsfähigkeit der Sprachen beruht? Natürlich auf der Gesetzmäßigkeit und Reinheit des Princips, auf der Ange- messenheit der Form, auf der Vollendung ihres Organismus. Doch so drückt Humboldt das nicht aus; sondern davon aus- gehend, daß jede Kraft nur in ihrer gesetzmäßigen Bahn sich entwickeln kann, auf jeder andern auf Hindernisse stößt und geschwächt wird, leitet Humboldt die Entwicklungsfähigkeit der Sprachen nicht vom Princip oder der Form des Sprachver- fahrens, sondern von ihrer Kraft ab, und da das Sprachver- fahren in der Synthesis von Laut und Begriff besteht, von der Stärke der sprachlichen Synthesis, d. h. des organi- schen Triebes, der sich im Stoffe geltend machenden Form, des die Einzelheiten durchdringenden Princips.
Organismus, wiederholen wir, hat bei Humboldt mehrere Bedeutungen und gilt so auch als Bild für den wichtigsten Gegenstand der Sprachwissenschaft; so viel Gewicht er aber auf diesen Gegenstand legt, so gleichgültig ist ihm das Bild, so daß er sogar allemal da, wo er sich ganz eigentlich in die Sache versenkt, wie in den §§. 8. 19. 21. das Bild ganz fallen läßt und dafür drei andere Ausdrücke setzt, Form, Princip, Synthesis, wie sie für die Gelegenheit gerade passend erscheinen.
§. 55. Becker, die Vermittler und Humboldt.
Dieser Begriff kann hier noch nicht ausführlich untersucht werden; nur müssen wir noch hinzufügen, daß gerade er das Bedeutende der Humboldtschen Sprachwissenschaft ist, nicht die Vermittlung zwischen Grammatik und Logik. Und wenn wir auch hier noch nicht fragen können, ob diese Vermittlung nicht durch jenen Begriff unmöglich gemacht wird und also eine Un- folgerichtigkeit Humboldts, oder vielmehr, da dieselbe älter ist als jener, ob sie nicht der unberechtigte Ueberrest einer durch jenen vernichteten Sprachanschauung ist: so müssen wir doch hervorheben, daß wenigstens auch Humboldt selbst ausgespro-
nähere Bestimmung des Princips. Form und Princip werden beide in gleicher Weise bestimmt als „Einheit der einzelnen Sprachelemente.“ Uebrigens ist Princip ein Ausdruck, der für jene „das Ganze durchdringende Kraft“ ansprechender scheint. Neben Princip tritt aber abwechselnd auch der Ausdruck Form auf.
Nachdem im §. 20. der Charakter der Sprache als von der Form des Sprachbaues noch verschieden besprochen worden ist, wird §. 21. die Frage aufgeworfen: worauf die Lebensdauer und Entwicklungsfähigkeit der Sprachen beruht? Natürlich auf der Gesetzmäßigkeit und Reinheit des Princips, auf der Ange- messenheit der Form, auf der Vollendung ihres Organismus. Doch so drückt Humboldt das nicht aus; sondern davon aus- gehend, daß jede Kraft nur in ihrer gesetzmäßigen Bahn sich entwickeln kann, auf jeder andern auf Hindernisse stößt und geschwächt wird, leitet Humboldt die Entwicklungsfähigkeit der Sprachen nicht vom Princip oder der Form des Sprachver- fahrens, sondern von ihrer Kraft ab, und da das Sprachver- fahren in der Synthesis von Laut und Begriff besteht, von der Stärke der sprachlichen Synthesis, d. h. des organi- schen Triebes, der sich im Stoffe geltend machenden Form, des die Einzelheiten durchdringenden Princips.
Organismus, wiederholen wir, hat bei Humboldt mehrere Bedeutungen und gilt so auch als Bild für den wichtigsten Gegenstand der Sprachwissenschaft; so viel Gewicht er aber auf diesen Gegenstand legt, so gleichgültig ist ihm das Bild, so daß er sogar allemal da, wo er sich ganz eigentlich in die Sache versenkt, wie in den §§. 8. 19. 21. das Bild ganz fallen läßt und dafür drei andere Ausdrücke setzt, Form, Princip, Synthesis, wie sie für die Gelegenheit gerade passend erscheinen.
§. 55. Becker, die Vermittler und Humboldt.
Dieser Begriff kann hier noch nicht ausführlich untersucht werden; nur müssen wir noch hinzufügen, daß gerade er das Bedeutende der Humboldtschen Sprachwissenschaft ist, nicht die Vermittlung zwischen Grammatik und Logik. Und wenn wir auch hier noch nicht fragen können, ob diese Vermittlung nicht durch jenen Begriff unmöglich gemacht wird und also eine Un- folgerichtigkeit Humboldts, oder vielmehr, da dieselbe älter ist als jener, ob sie nicht der unberechtigte Ueberrest einer durch jenen vernichteten Sprachanschauung ist: so müssen wir doch hervorheben, daß wenigstens auch Humboldt selbst ausgespro-
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nähere Bestimmung des Princips. Form und Princip werden
beide in gleicher Weise bestimmt als „Einheit der einzelnen
Sprachelemente.“ Uebrigens ist Princip ein Ausdruck, der für
jene „das Ganze durchdringende Kraft“ ansprechender scheint.
Neben Princip tritt aber abwechselnd auch der Ausdruck Form auf.
Nachdem im §. 20. der Charakter der Sprache als von der
Form des Sprachbaues noch verschieden besprochen worden ist,
wird §. 21. die Frage aufgeworfen: worauf die Lebensdauer und
Entwicklungsfähigkeit der Sprachen beruht? Natürlich auf der
Gesetzmäßigkeit und Reinheit des Princips, auf der Ange-
messenheit der Form, auf der Vollendung ihres Organismus.
Doch so drückt Humboldt das nicht aus; sondern davon aus-
gehend, daß jede Kraft nur in ihrer gesetzmäßigen Bahn sich
entwickeln kann, auf jeder andern auf Hindernisse stößt und
geschwächt wird, leitet Humboldt die Entwicklungsfähigkeit
der Sprachen nicht vom Princip oder der Form des Sprachver-
fahrens, sondern von ihrer Kraft ab, und da das Sprachver-
fahren in der Synthesis von Laut und Begriff besteht, von der
Stärke der sprachlichen Synthesis, d. h. des organi-
schen Triebes, der sich im Stoffe geltend machenden Form,
des die Einzelheiten durchdringenden Princips.
Organismus, wiederholen wir, hat bei Humboldt mehrere
Bedeutungen und gilt so auch als Bild für den wichtigsten
Gegenstand der Sprachwissenschaft; so viel Gewicht er aber
auf diesen Gegenstand legt, so gleichgültig ist ihm das Bild,
so daß er sogar allemal da, wo er sich ganz eigentlich in die
Sache versenkt, wie in den §§. 8. 19. 21. das Bild ganz fallen
läßt und dafür drei andere Ausdrücke setzt, Form, Princip,
Synthesis, wie sie für die Gelegenheit gerade passend erscheinen.
§. 55. Becker, die Vermittler und Humboldt.
Dieser Begriff kann hier noch nicht ausführlich untersucht
werden; nur müssen wir noch hinzufügen, daß gerade er das
Bedeutende der Humboldtschen Sprachwissenschaft ist, nicht die
Vermittlung zwischen Grammatik und Logik. Und wenn wir
auch hier noch nicht fragen können, ob diese Vermittlung nicht
durch jenen Begriff unmöglich gemacht wird und also eine Un-
folgerichtigkeit Humboldts, oder vielmehr, da dieselbe älter ist
als jener, ob sie nicht der unberechtigte Ueberrest einer durch
jenen vernichteten Sprachanschauung ist: so müssen wir doch
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/173>, abgerufen am 23.11.2024.
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