"das Wort" rücksichtlich der Entstehung der Sprache lesen: "Wie die Respiration die äußere Erscheinung eines innern Bil- dungsvorganges, und wie die Willkürbewegung die äußere Er- scheinung der innern Willensthätigkeit, so ist die Sprache die äußere Erscheinung des Gedankens"; so dürfen wir wohl fra- gen, ist es nicht gedankenlos oder leichtfertig, das Verhältniß des Gedankens zur Sprache ebenso als Erscheinung eines Innern zu fassen, wie das der willkürlichen Bewegungen zum Willen? und abermals beide Verhältnisse als selbig zu fassen mit dem der Respiration zu -- ja wozu? Hier fehlt sogar das andere Glied, um nur erst ein Verhältniß zu bilden! Wo der Begriff fehlt, hat sich freilich ein Wort eingestellt: "innerer Bildungs- vorgang". Ich frage, wo ist beim Athmen ein innerer Bildungs- vorgang? Hier ist nicht das mindeste Innerliche, Geistige, alles äußerlich, chemischer und physikalischer Proceß! Und wo hat sich hier die Thätigkeit verleiblicht, in welchem Stoffe? im Re- spirationsapparat? im Blut? im ausgehauchten Kohlenstoff? -- Ja, noch mehr: kurz vor den angeführten Worten heißt es, wie in den Organen der Willkürbewegung der Wille, so trete in den Sprachorganen (oder in der Sprache? hier erfordert das analo- gische Spiel die Organe) der Gedanke in die Erscheinung; wor- auf es weiter heißt: "Wie jedoch in der Einheit des mensch- lichen Geistes Empfinden und Wollen von dem Erkennen und Denken nicht geschieden sind; so tritt auch oft in der Func- tion der Sprachorgane die Empfindung und der Wille in die Erscheinung". Den obigen drei verschiedenen, von Becker den- noch für selbig genommenen Verhältnissen wird also noch ein viertes, wieder von allen verschiedenes gleichgesetzt! Und die Möglichkeit selbst der Erscheinung des Willens und der Em- pfindung in der Sprache wird kurzweg mit der "Einheit des menschlichen Geistes" abgefertigt! Und das Alles wäre nicht jämmerliche Spielerei und Leichtfertigkeit? ernstes und gewis- senhaftes Denken wäre das?
Und auf dieser Elendigkeit beruht Beckers Organismus!
c) Beckers Theorie der Erkenntniß.
§ 33. Aufgabe des Denkens.
Um Beckers leeren Formalismus, den Mangel wirklichen Denkens in ihm vollständig zu erkennen, müssen wir uns seine Darstellung vom Acte der Erkenntniß ansehen, das Princip sei-
„das Wort“ rücksichtlich der Entstehung der Sprache lesen: „Wie die Respiration die äußere Erscheinung eines innern Bil- dungsvorganges, und wie die Willkürbewegung die äußere Er- scheinung der innern Willensthätigkeit, so ist die Sprache die äußere Erscheinung des Gedankens“; so dürfen wir wohl fra- gen, ist es nicht gedankenlos oder leichtfertig, das Verhältniß des Gedankens zur Sprache ebenso als Erscheinung eines Innern zu fassen, wie das der willkürlichen Bewegungen zum Willen? und abermals beide Verhältnisse als selbig zu fassen mit dem der Respiration zu — ja wozu? Hier fehlt sogar das andere Glied, um nur erst ein Verhältniß zu bilden! Wo der Begriff fehlt, hat sich freilich ein Wort eingestellt: „innerer Bildungs- vorgang“. Ich frage, wo ist beim Athmen ein innerer Bildungs- vorgang? Hier ist nicht das mindeste Innerliche, Geistige, alles äußerlich, chemischer und physikalischer Proceß! Und wo hat sich hier die Thätigkeit verleiblicht, in welchem Stoffe? im Re- spirationsapparat? im Blut? im ausgehauchten Kohlenstoff? — Ja, noch mehr: kurz vor den angeführten Worten heißt es, wie in den Organen der Willkürbewegung der Wille, so trete in den Sprachorganen (oder in der Sprache? hier erfordert das analo- gische Spiel die Organe) der Gedanke in die Erscheinung; wor- auf es weiter heißt: „Wie jedoch in der Einheit des mensch- lichen Geistes Empfinden und Wollen von dem Erkennen und Denken nicht geschieden sind; so tritt auch oft in der Func- tion der Sprachorgane die Empfindung und der Wille in die Erscheinung“. Den obigen drei verschiedenen, von Becker den- noch für selbig genommenen Verhältnissen wird also noch ein viertes, wieder von allen verschiedenes gleichgesetzt! Und die Möglichkeit selbst der Erscheinung des Willens und der Em- pfindung in der Sprache wird kurzweg mit der „Einheit des menschlichen Geistes“ abgefertigt! Und das Alles wäre nicht jämmerliche Spielerei und Leichtfertigkeit? ernstes und gewis- senhaftes Denken wäre das?
Und auf dieser Elendigkeit beruht Beckers Organismus!
c) Beckers Theorie der Erkenntniß.
§ 33. Aufgabe des Denkens.
Um Beckers leeren Formalismus, den Mangel wirklichen Denkens in ihm vollständig zu erkennen, müssen wir uns seine Darstellung vom Acte der Erkenntniß ansehen, das Princip sei-
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„das Wort“ rücksichtlich der Entstehung der Sprache lesen:
„Wie die Respiration die äußere Erscheinung eines innern Bil-
dungsvorganges, und wie die Willkürbewegung die äußere Er-
scheinung der innern Willensthätigkeit, so ist die Sprache die
äußere Erscheinung des Gedankens“; so dürfen wir wohl fra-
gen, ist es nicht gedankenlos oder leichtfertig, das Verhältniß
des Gedankens zur Sprache ebenso als Erscheinung eines Innern
zu fassen, wie das der willkürlichen Bewegungen zum Willen?
und abermals beide Verhältnisse als selbig zu fassen mit dem
der Respiration zu — ja wozu? Hier fehlt sogar das andere
Glied, um nur erst ein Verhältniß zu bilden! Wo der Begriff
fehlt, hat sich freilich ein Wort eingestellt: „innerer Bildungs-
vorgang“. Ich frage, wo ist beim Athmen ein innerer Bildungs-
vorgang? Hier ist nicht das mindeste Innerliche, Geistige, alles
äußerlich, chemischer und physikalischer Proceß! Und wo hat
sich hier die Thätigkeit verleiblicht, in welchem Stoffe? im Re-
spirationsapparat? im Blut? im ausgehauchten Kohlenstoff? —
Ja, noch mehr: kurz vor den angeführten Worten heißt es, wie
in den Organen der Willkürbewegung der Wille, so trete in den
Sprachorganen (oder in der Sprache? hier erfordert das analo-
gische Spiel die Organe) der Gedanke in die Erscheinung; wor-
auf es weiter heißt: „Wie jedoch in der Einheit des mensch-
lichen Geistes Empfinden und Wollen von dem Erkennen und
Denken nicht geschieden sind; so tritt auch oft in der Func-
tion der Sprachorgane die Empfindung und der Wille in die
Erscheinung“. Den obigen drei verschiedenen, von Becker den-
noch für selbig genommenen Verhältnissen wird also noch ein
viertes, wieder von allen verschiedenes gleichgesetzt! Und die
Möglichkeit selbst der Erscheinung des Willens und der Em-
pfindung in der Sprache wird kurzweg mit der „Einheit des
menschlichen Geistes“ abgefertigt! Und das Alles wäre nicht
jämmerliche Spielerei und Leichtfertigkeit? ernstes und gewis-
senhaftes Denken wäre das?
Und auf dieser Elendigkeit beruht Beckers Organismus!
c) Beckers Theorie der Erkenntniß.
§ 33. Aufgabe des Denkens.
Um Beckers leeren Formalismus, den Mangel wirklichen
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/116>, abgerufen am 23.11.2024.
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