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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Tabakrauch anbläst. Er weiss Alles, er nimmt junge Leute auf, die bei ihm
lernen wollen, die ewenekuare, und wer am besteu lernt, wird sein Nachfolger.
Der Student muss fasten und einsam im Wald leben. Der Otuhariti weiss auch
den Weg zum Himmel, "ebenso gut wie der Padre in der Stadt", während "die
andern Leute ihn nicht kennen".

Das portugiesische Wort alma, Seele, war dem Häuptling geläufig,*) er
übersetzte es mit niako. Während des Schlafes wandert das Niako umher, es
kehrt zurück und man erwacht. Sein Niako, fügte er zu, sei in der vorigen Nacht
bei seiner Frau und seinem Kind gewesen; er glaubte durchaus, das Dorf
wirklich besucht zu haben
. Das Niako geht weit weg und tritt aus dem
Körper (nomelihi, wie in allen unsern Sprachen Haut = Körper) am Nacken aus.
Ruft man den Schlafenden an und das Niako ist noch in der Ferne, so "thut der
ganze Kopf weh". Den genaueren Sinn von "niako" kenne ich nicht. Die Tiere
haben es ebenso wie die Menschen.

Die "Seele" des Toten gebraucht sechs Tage, um im Himmel anzukommen.
Christliche Vorstellungen scheinen hier bereits mit den ursprünglichen amalgamiert.
Denn die bösen Menschen dringen nicht bis zum Himmel vor. Ein kleines Feuer
auf dem Wege dahin, flackert hoch empor, wenn ein "Sünder" erscheint und ver-
zehrt ihn. Mit ihm ist es zu Ende, wie die tote Mero in der Bakairisage ver-
brannt wird, damit sie töter als tot sei. "Sünder" (mit dem portugiesischen Wort)
aber, die dem Feuer entrinnen, fallen in die Gewalt eines Ungeheuers halb
menschlichen halb tierischen, hundeähnlichen Aussehens mit gewaltigen Ohren,
des iyuriu, das zu dem Wanderer sagt "komm hierher mein Sohn" und ihm
die Augen ausreisst, sodass es nun eigentlich erst "stirbt". Im Himmel sind
die ältesten Paressi, die den Ankommenden begrüssen, namentlich vier Brüder
noschinu, die wir in der Ahnensage noch kennen lernen werden, an ihrer Spitze
Waikomone, der den Toten beim Empfang mit Uruku bemalt -- eine
gewiss körperlich gedachte Seele! Jeder bekommt dort oben einen palata, d. h.
einen Palast, wie ihn der Capitao grande in Cuyaba besitzt. Sie leben dort wie
auf Erden und zeugen viele Kinder.

Firmament. Die Sonne besteht aus roten Ararafedern und gehört dem
Molihutuare, dessen Frau Kamero (kamai Sonne) heisst. Es ist ihr Besitzer,
"dono". Er bewahrt sie Nachts in einem langen Federkürbis und öffnet diesen
am Morgen. Doch wurden noch zwei andere Namen für den Besitzer der Sonne
genannt, Kuitahe und Kaschie, die jetzt tot seien, während ein Anderer sagte,
Molihutuare sei jetzt tot. Es handelt sich wohl um mehrere Namen, sei es der
Kaschiniti oder Waimare oder sonstiger Teile der Stammesgruppe für dieselbe
Person. Auch der Mond,**) der aus gelben Mutungfedern, wahrscheinlich von

*) Wahrscheinlich von dem "alma do outro mundo" (Seele der andern Welt) des brasilischen
Volksglaubens. Der Ausdruck spielt eine grosse Rolle bei der niedern Bevölkerung.
**) kayö Mond, kaye Batate. Dass hier zwei verschiedene Worte zusammenfallen, zeigt Moxos
cohe Mond, coere Batate.
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Tabakrauch anbläst. Er weiss Alles, er nimmt junge Leute auf, die bei ihm
lernen wollen, die ewenekuaré, und wer am besteu lernt, wird sein Nachfolger.
Der Student muss fasten und einsam im Wald leben. Der Otuharití weiss auch
den Weg zum Himmel, »ebenso gut wie der Padre in der Stadt«, während »die
andern Leute ihn nicht kennen«.

Das portugiesische Wort alma, Seele, war dem Häuptling geläufig,*) er
übersetzte es mit niakó. Während des Schlafes wandert das Niakó umher, es
kehrt zurück und man erwacht. Sein Niakó, fügte er zu, sei in der vorigen Nacht
bei seiner Frau und seinem Kind gewesen; er glaubte durchaus, das Dorf
wirklich besucht zu haben
. Das Niakó geht weit weg und tritt aus dem
Körper (nomelíhi, wie in allen unsern Sprachen Haut = Körper) am Nacken aus.
Ruft man den Schlafenden an und das Niakó ist noch in der Ferne, so »thut der
ganze Kopf weh«. Den genaueren Sinn von „niáko« kenne ich nicht. Die Tiere
haben es ebenso wie die Menschen.

Die »Seele« des Toten gebraucht sechs Tage, um im Himmel anzukommen.
Christliche Vorstellungen scheinen hier bereits mit den ursprünglichen amalgamiert.
Denn die bösen Menschen dringen nicht bis zum Himmel vor. Ein kleines Feuer
auf dem Wege dahin, flackert hoch empor, wenn ein »Sünder« erscheint und ver-
zehrt ihn. Mit ihm ist es zu Ende, wie die tote Mero in der Bakaïrísage ver-
brannt wird, damit sie töter als tot sei. »Sünder« (mit dem portugiesischen Wort)
aber, die dem Feuer entrinnen, fallen in die Gewalt eines Ungeheuers halb
menschlichen halb tierischen, hundeähnlichen Aussehens mit gewaltigen Ohren,
des iyuriú, das zu dem Wanderer sagt »komm hierher mein Sohn« und ihm
die Augen ausreisst, sodass es nun eigentlich erst »stirbt«. Im Himmel sind
die ältesten Paressí, die den Ankommenden begrüssen, namentlich vier Brüder
noschínú, die wir in der Ahnensage noch kennen lernen werden, an ihrer Spitze
Waikomoné, der den Toten beim Empfang mit Urukú bemalt — eine
gewiss körperlich gedachte Seele! Jeder bekommt dort oben einen palatá, d. h.
einen Palast, wie ihn der Capitão grande in Cuyabá besitzt. Sie leben dort wie
auf Erden und zeugen viele Kinder.

Firmament. Die Sonne besteht aus roten Ararafedern und gehört dem
Molihutuaré, dessen Frau Kameró (kamái Sonne) heisst. Es ist ihr Besitzer,
»dono«. Er bewahrt sie Nachts in einem langen Federkürbis und öffnet diesen
am Morgen. Doch wurden noch zwei andere Namen für den Besitzer der Sonne
genannt, Kuitahé und Kaschíe, die jetzt tot seien, während ein Anderer sagte,
Molihutuaré sei jetzt tot. Es handelt sich wohl um mehrere Namen, sei es der
Kaschinití oder Waimaré oder sonstiger Teile der Stammesgruppe für dieselbe
Person. Auch der Mond,**) der aus gelben Mutungfedern, wahrscheinlich von

*) Wahrscheinlich von dem »alma do outro mundo« (Seele der andern Welt) des brasilischen
Volksglaubens. Der Ausdruck spielt eine grosse Rolle bei der niedern Bevölkerung.
**) kayö Mond, kayé Batate. Dass hier zwei verschiedene Worte zusammenfallen, zeigt Moxos
cohè Mond, coere Batate.
28*
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[435/0499] Tabakrauch anbläst. Er weiss Alles, er nimmt junge Leute auf, die bei ihm lernen wollen, die ewenekuaré, und wer am besteu lernt, wird sein Nachfolger. Der Student muss fasten und einsam im Wald leben. Der Otuharití weiss auch den Weg zum Himmel, »ebenso gut wie der Padre in der Stadt«, während »die andern Leute ihn nicht kennen«. Das portugiesische Wort alma, Seele, war dem Häuptling geläufig, *) er übersetzte es mit niakó. Während des Schlafes wandert das Niakó umher, es kehrt zurück und man erwacht. Sein Niakó, fügte er zu, sei in der vorigen Nacht bei seiner Frau und seinem Kind gewesen; er glaubte durchaus, das Dorf wirklich besucht zu haben. Das Niakó geht weit weg und tritt aus dem Körper (nomelíhi, wie in allen unsern Sprachen Haut = Körper) am Nacken aus. Ruft man den Schlafenden an und das Niakó ist noch in der Ferne, so »thut der ganze Kopf weh«. Den genaueren Sinn von „niáko« kenne ich nicht. Die Tiere haben es ebenso wie die Menschen. Die »Seele« des Toten gebraucht sechs Tage, um im Himmel anzukommen. Christliche Vorstellungen scheinen hier bereits mit den ursprünglichen amalgamiert. Denn die bösen Menschen dringen nicht bis zum Himmel vor. Ein kleines Feuer auf dem Wege dahin, flackert hoch empor, wenn ein »Sünder« erscheint und ver- zehrt ihn. Mit ihm ist es zu Ende, wie die tote Mero in der Bakaïrísage ver- brannt wird, damit sie töter als tot sei. »Sünder« (mit dem portugiesischen Wort) aber, die dem Feuer entrinnen, fallen in die Gewalt eines Ungeheuers halb menschlichen halb tierischen, hundeähnlichen Aussehens mit gewaltigen Ohren, des iyuriú, das zu dem Wanderer sagt »komm hierher mein Sohn« und ihm die Augen ausreisst, sodass es nun eigentlich erst »stirbt«. Im Himmel sind die ältesten Paressí, die den Ankommenden begrüssen, namentlich vier Brüder noschínú, die wir in der Ahnensage noch kennen lernen werden, an ihrer Spitze Waikomoné, der den Toten beim Empfang mit Urukú bemalt — eine gewiss körperlich gedachte Seele! Jeder bekommt dort oben einen palatá, d. h. einen Palast, wie ihn der Capitão grande in Cuyabá besitzt. Sie leben dort wie auf Erden und zeugen viele Kinder. Firmament. Die Sonne besteht aus roten Ararafedern und gehört dem Molihutuaré, dessen Frau Kameró (kamái Sonne) heisst. Es ist ihr Besitzer, »dono«. Er bewahrt sie Nachts in einem langen Federkürbis und öffnet diesen am Morgen. Doch wurden noch zwei andere Namen für den Besitzer der Sonne genannt, Kuitahé und Kaschíe, die jetzt tot seien, während ein Anderer sagte, Molihutuaré sei jetzt tot. Es handelt sich wohl um mehrere Namen, sei es der Kaschinití oder Waimaré oder sonstiger Teile der Stammesgruppe für dieselbe Person. Auch der Mond, **) der aus gelben Mutungfedern, wahrscheinlich von *) Wahrscheinlich von dem »alma do outro mundo« (Seele der andern Welt) des brasilischen Volksglaubens. Der Ausdruck spielt eine grosse Rolle bei der niedern Bevölkerung. **) kayö Mond, kayé Batate. Dass hier zwei verschiedene Worte zusammenfallen, zeigt Moxos cohè Mond, coere Batate. 28*

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/499>, abgerufen am 22.11.2024.