nannten. Man beginnt bei Tagesanbruch. Drei Arten wurden angegeben: der Zulani-Tanz, wo Einer allein anhebt (hamenane harone ezanane kuakena, nato nato natanee, wovon ich nichts verstehe als nato = ich) und der Chorus einfällt (halo halo katahe: timenatire zolukatö hahaha ...) -- der Holuta-Tanz mit Flötenmusik in schwirrend langgezogenen Tönen, die allmählich in der Ferne zu verklingen scheinen; dabei oder danach wird geschmaust, Fisch, Waldschwein, "tudo come, Alles isst" endlich der Walarosö-Tanz mit Flöte und Rassel (wala).
Von Maskentänzen konnte ich nur erfahren, dass man aus Buritistroh "Brillen" oder dergleichen mache und mit Stangen (?) um das mit dem Kaschiri gefüllte Trinkkanu tanze. Antonio Pires hat die Masken natürlich als Idole aufgefasst und die Festhütte als Tempel.
Die Vernünftigsten und Mässigsten waren die beiden Häuptlinge Joao Battista und Manoel Chico, die ich Abends bei mir hielt und ausfragte. Leider war ihr Portugiesisch sehr mangelhaft; wohl auf bolivischen Import waren einige spanische Wörter zu beziehen, wie muchacho, Knabe, und hoiyo = hiyo, Sohn. Indessen erfuhr ich mancherlei Interessantes und bedauerte lebhaft, dass die Gesellschaft nicht länger zu halten war.
Die Paressi leben in Monogamie, die Heirat werde von den beiderseitigen Eltern ausgemacht und die Braut von ihren Eltern ohne Formalität, nachdem sie einige Geschenke erhalten hat, zu der Hängematte des Bräutigams geführt. Die Frau kommt, von ihrer Mutter um die Brust gefasst, in knieender Stellung nieder. Mann und Frau bleiben etwa fünf Tage, bis die Nabelschnur abfällt, zu Hause; der Vater darf nur mit Beiju angerührtes Wasser geniessen. Sonst würde das Kind sterben. Es erhält seinen Namen, den eines "Grossvaters", mit etwa drei Jahren.
Die Toten werden im Hause mit dem Kopf im Osten beerdigt. In das Grab legt man Hängematte, Federschmuck, Armbänder, eine Halskette mit schwarzen Früchten und reichlichen Reiseproviant von Branntwein, Beiju, Fleisch von Waldschwein, Salz, einen kleinen Trinkkürbis. Die Verwandten schliessen das Haus ab und bleiben sechs Tage bei dem Grabe, während deren sie selbst strenge Fasten halten und nur "ein bischen Wasser" trinken. Wenn Einer isst, so "isst er den Mund des Toten", so würde auch er sterben. Ist der Tote bis zum sechsten Tage nicht wieder lebendig geworden, so wartet man nicht länger, alsdann ist er im Himmel angekommen und kehrt nicht zurück. Man bereitet aus dem Saft des Kaiteru-Baums, indem man ihn die ganze Nacht hindurch quirlt, eine Flüssigkeit, zu der man das Urukurot hinzusetzt, und am siebenten Morgen bemalt sich Alles festlich, schmaust und trinkt. Der Tod ist immer durch einen Hexenmeister tihanale hervorgerufen. Er bereitet den feitico, das Zaubergift (portu- giesischer Ausdruck, mit "Fetisch" identisch), oder ihuzare und sucht es seinem Opfer, unter anderm auch durch Wurf, beizubringen. Er vergiftet auch den Branntwein, und der Trinker stirbt -- einer so guten Sache wie dem reinen Schnaps wird die böse Wirkung nicht zugeschrieben. Der gute Medizinmann, sein Gegenpart, heisst otuhariti. Zur Zeit gebe es im Dorfe keinen. Er heilt die Kranken, die er mit
nannten. Man beginnt bei Tagesanbruch. Drei Arten wurden angegeben: der Zulaní-Tanz, wo Einer allein anhebt (hamenané haroné ezanané kuakéna, nató nató natáneé, wovon ich nichts verstehe als nató = ich) und der Chorus einfällt (haló haló katáhe: timenatiré zolukatö hahahá …) — der Holúta-Tanz mit Flötenmusik in schwirrend langgezogenen Tönen, die allmählich in der Ferne zu verklingen scheinen; dabei oder danach wird geschmaust, Fisch, Waldschwein, »tudo come, Alles isst« endlich der Walarosö-Tanz mit Flöte und Rassel (wála).
Von Maskentänzen konnte ich nur erfahren, dass man aus Buritístroh »Brillen« oder dergleichen mache und mit Stangen (?) um das mit dem Kaschirí gefüllte Trinkkanu tanze. Antonio Pires hat die Masken natürlich als Idole aufgefasst und die Festhütte als Tempel.
Die Vernünftigsten und Mässigsten waren die beiden Häuptlinge João Battista und Manoel Chico, die ich Abends bei mir hielt und ausfragte. Leider war ihr Portugiesisch sehr mangelhaft; wohl auf bolivischen Import waren einige spanische Wörter zu beziehen, wie muchacho, Knabe, und hoíyo = hiyo, Sohn. Indessen erfuhr ich mancherlei Interessantes und bedauerte lebhaft, dass die Gesellschaft nicht länger zu halten war.
Die Paressí leben in Monogamie, die Heirat werde von den beiderseitigen Eltern ausgemacht und die Braut von ihren Eltern ohne Formalität, nachdem sie einige Geschenke erhalten hat, zu der Hängematte des Bräutigams geführt. Die Frau kommt, von ihrer Mutter um die Brust gefasst, in knieender Stellung nieder. Mann und Frau bleiben etwa fünf Tage, bis die Nabelschnur abfällt, zu Hause; der Vater darf nur mit Beijú angerührtes Wasser geniessen. Sonst würde das Kind sterben. Es erhält seinen Namen, den eines »Grossvaters«, mit etwa drei Jahren.
Die Toten werden im Hause mit dem Kopf im Osten beerdigt. In das Grab legt man Hängematte, Federschmuck, Armbänder, eine Halskette mit schwarzen Früchten und reichlichen Reiseproviant von Branntwein, Beijú, Fleisch von Waldschwein, Salz, einen kleinen Trinkkürbis. Die Verwandten schliessen das Haus ab und bleiben sechs Tage bei dem Grabe, während deren sie selbst strenge Fasten halten und nur »ein bischen Wasser« trinken. Wenn Einer isst, so »isst er den Mund des Toten«, so würde auch er sterben. Ist der Tote bis zum sechsten Tage nicht wieder lebendig geworden, so wartet man nicht länger, alsdann ist er im Himmel angekommen und kehrt nicht zurück. Man bereitet aus dem Saft des Kaiterú-Baums, indem man ihn die ganze Nacht hindurch quirlt, eine Flüssigkeit, zu der man das Urukúrot hinzusetzt, und am siebenten Morgen bemalt sich Alles festlich, schmaust und trinkt. Der Tod ist immer durch einen Hexenmeister tihanále hervorgerufen. Er bereitet den feitiço, das Zaubergift (portu- giesischer Ausdruck, mit »Fetisch« identisch), oder ihúzaré und sucht es seinem Opfer, unter anderm auch durch Wurf, beizubringen. Er vergiftet auch den Branntwein, und der Trinker stirbt — einer so guten Sache wie dem reinen Schnaps wird die böse Wirkung nicht zugeschrieben. Der gute Medizinmann, sein Gegenpart, heisst otuharití. Zur Zeit gebe es im Dorfe keinen. Er heilt die Kranken, die er mit
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natáneé, wovon ich nichts verstehe als nató = ich) und der Chorus einfällt (haló
haló katáhe: timenatiré zolukatö hahahá …) — der Holúta-Tanz mit Flötenmusik
in schwirrend langgezogenen Tönen, die allmählich in der Ferne zu verklingen
scheinen; dabei oder danach wird geschmaust, Fisch, Waldschwein, »tudo come,
Alles isst« endlich der Walarosö-Tanz mit Flöte und Rassel (wála).
Von Maskentänzen konnte ich nur erfahren, dass man aus Buritístroh »Brillen«
oder dergleichen mache und mit Stangen (?) um das mit dem Kaschirí gefüllte
Trinkkanu tanze. Antonio Pires hat die Masken natürlich als Idole aufgefasst
und die Festhütte als Tempel.
Die Vernünftigsten und Mässigsten waren die beiden Häuptlinge João Battista
und Manoel Chico, die ich Abends bei mir hielt und ausfragte. Leider war ihr
Portugiesisch sehr mangelhaft; wohl auf bolivischen Import waren einige spanische
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erfuhr ich mancherlei Interessantes und bedauerte lebhaft, dass die Gesellschaft
nicht länger zu halten war.
Die Paressí leben in Monogamie, die Heirat werde von den beiderseitigen
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kommt, von ihrer Mutter um die Brust gefasst, in knieender Stellung nieder.
Mann und Frau bleiben etwa fünf Tage, bis die Nabelschnur abfällt, zu Hause; der
Vater darf nur mit Beijú angerührtes Wasser geniessen. Sonst würde das Kind
sterben. Es erhält seinen Namen, den eines »Grossvaters«, mit etwa drei Jahren.
Die Toten werden im Hause mit dem Kopf im Osten beerdigt. In das
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schwarzen Früchten und reichlichen Reiseproviant von Branntwein, Beijú, Fleisch
von Waldschwein, Salz, einen kleinen Trinkkürbis. Die Verwandten schliessen
das Haus ab und bleiben sechs Tage bei dem Grabe, während deren sie selbst
strenge Fasten halten und nur »ein bischen Wasser« trinken. Wenn Einer isst,
so »isst er den Mund des Toten«, so würde auch er sterben. Ist der Tote bis
zum sechsten Tage nicht wieder lebendig geworden, so wartet man nicht länger,
alsdann ist er im Himmel angekommen und kehrt nicht zurück. Man bereitet
aus dem Saft des Kaiterú-Baums, indem man ihn die ganze Nacht hindurch quirlt,
eine Flüssigkeit, zu der man das Urukúrot hinzusetzt, und am siebenten Morgen
bemalt sich Alles festlich, schmaust und trinkt. Der Tod ist immer durch einen
Hexenmeister tihanále hervorgerufen. Er bereitet den feitiço, das Zaubergift (portu-
giesischer Ausdruck, mit »Fetisch« identisch), oder ihúzaré und sucht es seinem Opfer,
unter anderm auch durch Wurf, beizubringen. Er vergiftet auch den Branntwein,
und der Trinker stirbt — einer so guten Sache wie dem reinen Schnaps wird die
böse Wirkung nicht zugeschrieben. Der gute Medizinmann, sein Gegenpart, heisst
otuharití. Zur Zeit gebe es im Dorfe keinen. Er heilt die Kranken, die er mit
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/498>, abgerufen am 22.11.2024.
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