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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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giebt. Die eine, an die wir zuerst denken, die das Aeussere schmücken soll,
war die seltenere und hatte ein Kennzeichen, das sie von der andern ziemlich
sicher unterscheiden liess. Dieses Kennzeichen war, dass zum Schmuck das
Muster gehörte, sei es einfach, sei es prunkvoll. Man muss einen Unterschied
machen zwischen Anstreichen und Bemalen des Körpers. Beim Anstreichen
ist das Nützliche, beim Mustermalen das Schöne massgebend. Die Farbenfreude
ist in beiden Fällen vorhanden, aber sekundär. Schon die Wirkung des Urukurots
überschätzen wir. Wenn sie so allgemein wert gehalten worden wäre, so hätten
sich alle Stämme seiner bedienen können. Wer den wahrhaft prunkhaften Schmuck
der Papageienvögel zu Hause hat, der soll sich besonders schön vorkommen,
wenn er sich mit Russ und auch mit Ziegelrot anstreicht! Man verweile im
Berliner Museum für Völkerkunde vor den herrlichen Federzierraten des tropischen
Südamerika und vergleiche damit getrost das Schönste und Bunteste, was unsere
gewiss nicht Geringes leistende moderne Technik hervorzuzaubern vermag -- noch
kann die Natur den Vergleich aushalten, und sicherlich schlägt ihre Federpracht
das bescheidene Schwarzweissrot, das dem Indianer Kohle, Lehm und Orleans-
strauch liefern.

Der Indianer gebraucht niemals Weiss zur Körperbemalung! Ich
höre schon die Antwort "er findet, Weiss steht ihm nicht". Daran ist wohl auch
etwas Richtiges. Unsere weissen Perlen schätzte er geringer als die roten, beiden
zog er die blauen vor, die mit seiner Haut am besten kontrastirten. Man könnte
zwar einwenden, dass er diese Unterschiede schon nach dem blossen Anblick
machte, und ehe er die Perlen auf seinem Körper gesehen hatte, aber es mag
sein, rot gefiel ihm besser als weiss und blau besser als alle übrigen, nicht, weil
er die für ihn selteneren Farben vorzog, sondern nach reinem Geschmacksurteil.
Dann ist damit noch nicht erklärt, warum er sich des Weissen gänzlich enthielt,
man verstände nur, dass er es sparsamer gebrauchte, und könnte keinenfalls be-
greifen, dass er es nicht schon, um die anderen Farben besser zu heben, an-
wendete. Er trägt Federhauben, die allerliebst aussehen, von reinem Weiss mit
wenigen gelbroten Federchen dazwischen.

Zur Musterbemalung des Körpers eignet sich der kreidige feinkörnige Thon
nicht. Würde er wie Kohle mit dem gelblichen Oel vermischt, so liesse er
sich ebenfalls in Linien auftragen, aber die weisse Farbe ginge verloren. Mit
Wasser gemischt, würden die Linien aber sehr unbeständig sein und zumeist
beim Antrocknen abfallen. Auf den Masken liefert das Weiss nur den Grund
oder erscheint bei den kunstlosesten in breiten Streifen. Dagegen würde den Ein-
geborenen, wenn er seinen Farbstoff wesentlich um des Farbeneindrucks willen zum
Körperschmuck verwendete, nichts hindern, sich auch mit Weiss zu verschönern,
indem er sich mit dem Thon in breiter Fläche einpulverte. So sind kreidigweiss
die Oberschenkel der fadendrillenden Frauen; auch der feine Mehlstaub, mit dem
die Beijubäckerinnen öfters weiss eingehüllt sind, stände ihm zur Verfügung. Aber
weder die weisse Bäckerin noch der in breiter Fläche rot oder schwarz angestrichene

giebt. Die eine, an die wir zuerst denken, die das Aeussere schmücken soll,
war die seltenere und hatte ein Kennzeichen, das sie von der andern ziemlich
sicher unterscheiden liess. Dieses Kennzeichen war, dass zum Schmuck das
Muster gehörte, sei es einfach, sei es prunkvoll. Man muss einen Unterschied
machen zwischen Anstreichen und Bemalen des Körpers. Beim Anstreichen
ist das Nützliche, beim Mustermalen das Schöne massgebend. Die Farbenfreude
ist in beiden Fällen vorhanden, aber sekundär. Schon die Wirkung des Urukúrots
überschätzen wir. Wenn sie so allgemein wert gehalten worden wäre, so hätten
sich alle Stämme seiner bedienen können. Wer den wahrhaft prunkhaften Schmuck
der Papageienvögel zu Hause hat, der soll sich besonders schön vorkommen,
wenn er sich mit Russ und auch mit Ziegelrot anstreicht! Man verweile im
Berliner Museum für Völkerkunde vor den herrlichen Federzierraten des tropischen
Südamerika und vergleiche damit getrost das Schönste und Bunteste, was unsere
gewiss nicht Geringes leistende moderne Technik hervorzuzaubern vermag — noch
kann die Natur den Vergleich aushalten, und sicherlich schlägt ihre Federpracht
das bescheidene Schwarzweissrot, das dem Indianer Kohle, Lehm und Orléans-
strauch liefern.

Der Indianer gebraucht niemals Weiss zur Körperbemalung! Ich
höre schon die Antwort »er findet, Weiss steht ihm nicht«. Daran ist wohl auch
etwas Richtiges. Unsere weissen Perlen schätzte er geringer als die roten, beiden
zog er die blauen vor, die mit seiner Haut am besten kontrastirten. Man könnte
zwar einwenden, dass er diese Unterschiede schon nach dem blossen Anblick
machte, und ehe er die Perlen auf seinem Körper gesehen hatte, aber es mag
sein, rot gefiel ihm besser als weiss und blau besser als alle übrigen, nicht, weil
er die für ihn selteneren Farben vorzog, sondern nach reinem Geschmacksurteil.
Dann ist damit noch nicht erklärt, warum er sich des Weissen gänzlich enthielt,
man verstände nur, dass er es sparsamer gebrauchte, und könnte keinenfalls be-
greifen, dass er es nicht schon, um die anderen Farben besser zu heben, an-
wendete. Er trägt Federhauben, die allerliebst aussehen, von reinem Weiss mit
wenigen gelbroten Federchen dazwischen.

Zur Musterbemalung des Körpers eignet sich der kreidige feinkörnige Thon
nicht. Würde er wie Kohle mit dem gelblichen Oel vermischt, so liesse er
sich ebenfalls in Linien auftragen, aber die weisse Farbe ginge verloren. Mit
Wasser gemischt, würden die Linien aber sehr unbeständig sein und zumeist
beim Antrocknen abfallen. Auf den Masken liefert das Weiss nur den Grund
oder erscheint bei den kunstlosesten in breiten Streifen. Dagegen würde den Ein-
geborenen, wenn er seinen Farbstoff wesentlich um des Farbeneindrucks willen zum
Körperschmuck verwendete, nichts hindern, sich auch mit Weiss zu verschönern,
indem er sich mit dem Thon in breiter Fläche einpulverte. So sind kreidigweiss
die Oberschenkel der fadendrillenden Frauen; auch der feine Mehlstaub, mit dem
die Beijúbäckerinnen öfters weiss eingehüllt sind, stände ihm zur Verfügung. Aber
weder die weisse Bäckerin noch der in breiter Fläche rot oder schwarz angestrichene

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[185/0229] giebt. Die eine, an die wir zuerst denken, die das Aeussere schmücken soll, war die seltenere und hatte ein Kennzeichen, das sie von der andern ziemlich sicher unterscheiden liess. Dieses Kennzeichen war, dass zum Schmuck das Muster gehörte, sei es einfach, sei es prunkvoll. Man muss einen Unterschied machen zwischen Anstreichen und Bemalen des Körpers. Beim Anstreichen ist das Nützliche, beim Mustermalen das Schöne massgebend. Die Farbenfreude ist in beiden Fällen vorhanden, aber sekundär. Schon die Wirkung des Urukúrots überschätzen wir. Wenn sie so allgemein wert gehalten worden wäre, so hätten sich alle Stämme seiner bedienen können. Wer den wahrhaft prunkhaften Schmuck der Papageienvögel zu Hause hat, der soll sich besonders schön vorkommen, wenn er sich mit Russ und auch mit Ziegelrot anstreicht! Man verweile im Berliner Museum für Völkerkunde vor den herrlichen Federzierraten des tropischen Südamerika und vergleiche damit getrost das Schönste und Bunteste, was unsere gewiss nicht Geringes leistende moderne Technik hervorzuzaubern vermag — noch kann die Natur den Vergleich aushalten, und sicherlich schlägt ihre Federpracht das bescheidene Schwarzweissrot, das dem Indianer Kohle, Lehm und Orléans- strauch liefern. Der Indianer gebraucht niemals Weiss zur Körperbemalung! Ich höre schon die Antwort »er findet, Weiss steht ihm nicht«. Daran ist wohl auch etwas Richtiges. Unsere weissen Perlen schätzte er geringer als die roten, beiden zog er die blauen vor, die mit seiner Haut am besten kontrastirten. Man könnte zwar einwenden, dass er diese Unterschiede schon nach dem blossen Anblick machte, und ehe er die Perlen auf seinem Körper gesehen hatte, aber es mag sein, rot gefiel ihm besser als weiss und blau besser als alle übrigen, nicht, weil er die für ihn selteneren Farben vorzog, sondern nach reinem Geschmacksurteil. Dann ist damit noch nicht erklärt, warum er sich des Weissen gänzlich enthielt, man verstände nur, dass er es sparsamer gebrauchte, und könnte keinenfalls be- greifen, dass er es nicht schon, um die anderen Farben besser zu heben, an- wendete. Er trägt Federhauben, die allerliebst aussehen, von reinem Weiss mit wenigen gelbroten Federchen dazwischen. Zur Musterbemalung des Körpers eignet sich der kreidige feinkörnige Thon nicht. Würde er wie Kohle mit dem gelblichen Oel vermischt, so liesse er sich ebenfalls in Linien auftragen, aber die weisse Farbe ginge verloren. Mit Wasser gemischt, würden die Linien aber sehr unbeständig sein und zumeist beim Antrocknen abfallen. Auf den Masken liefert das Weiss nur den Grund oder erscheint bei den kunstlosesten in breiten Streifen. Dagegen würde den Ein- geborenen, wenn er seinen Farbstoff wesentlich um des Farbeneindrucks willen zum Körperschmuck verwendete, nichts hindern, sich auch mit Weiss zu verschönern, indem er sich mit dem Thon in breiter Fläche einpulverte. So sind kreidigweiss die Oberschenkel der fadendrillenden Frauen; auch der feine Mehlstaub, mit dem die Beijúbäckerinnen öfters weiss eingehüllt sind, stände ihm zur Verfügung. Aber weder die weisse Bäckerin noch der in breiter Fläche rot oder schwarz angestrichene

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/229>, abgerufen am 05.05.2024.