Ueberall fand sich das tierische Material. Es gab Hornperlen, Knochen- perlen, diese auch in Stäbchenform, sie wurden bald vereinzelt aufgehängt, bald zu ganzen Ketten vereinigt besonders Affen- und Jaguarzähne. Vgl. das Bild des Auetö-Häuptlings Seite 108. Wir erhielten bei den Nahuqua eine Kette mit Jaguar- zähnen und bunten Federchen. Die Trumai schätzten Kapivara-Zähne. Bei den Mehinaku gab es besonders reichlichen Kinderschmuck, mit dem die Säuglinge bündelweise behangen waren: ausser dem Uebrigen, zumal Affen-Zähnen, Zähne der Jaguatirica (Felis mitis), Fischwirbel, Knochen vom Bagadu-Fisch, einmal ein mächtiges schwarzes Käferhorn. Auch Klauen vom Tapir (Kamayura), Jaguar und Hirsch.
Hiermit werden die wesentlichsten Bestandteile des Kettenschmucks wohl aufgezählt sein, in dem späteren Kapitel über die Plastik unserer Indianer komme ich auf Einzelnes noch zurück, insofern auch allerlei Figuren geschnitzt und geschliffen wurden.
Inwieweit den einzelnen Dingen nützliche und heilsame Wirkungen zu- geschrieben wurden, vermag ich nicht zu sagen. Dass der "Schmuck" viel- fach "Talisman" war, geht daraus hervor, dass, wie erwähnt, die Kinder und Schwangeren am meisten behängt waren. Wenn die Reste einer Zündholzschachtel umgehängt wurden, so wird dies auch nicht aus dem Schönheitsgefühl entsprungen sein. Die Grasperlen der Bakairi waren zierlichen Fischknöchelchen äussserst ähnlich, ich erhielt eine solche Kette aber nur mit grösster Mühe; sie war in den Augen ihres Besitzers entschieden "schöner" als die mit Fischperlen, weil sie seltener war.
Anstreichen und Malen. Warum streichen sich die Indianer mit Oelfarbe an, sei es nun mit schwarzer, wie die Einen, die den Orleansstrauch weniger pflegen, oder mit roter, wie die Anderen vorziehen? Den Feind durch Prunk und Entstellung zu schrecken? Das ist gewiss eine nützliche Anwendung, aber doch nur für diesen bestimmten Fall.
Sollte durch die Freude an der Farbe Alles erklärt werden? Dann sind wir genötigt, auch die Freude am Schwarzen als eine ursprüngliche Lustempfindung anzuerkennen. Dann müssten wir mit Erstaunen feststellen, dass unsern Stämmen ein z. B. in Polynesien so ausgiebig benutztes, für solchen Zweck selbst in dem relativ blumenarmen Flusswald reich bestelltes Fundgebiet der Natur entgangen ist -- nicht Mann, nicht Weib schmückte sich mit Blumen. Die einzige Frage, glaube ich, die Antonio aus eigener Initiative an mich gerichtet hat, war in Cuyaba die: "warum tragen die Frauen Blumen im Haar?" Der Gedanke, dass es geschehe, um sich mit bunten Farben zu schmücken, lag seiner Seele himmelfern. Nein, die bunten Papageifedern sind zum farbigen Schmuck erst geworden; zuerst war das Vergnügen an der Jagd oder dem Tierleben und die Prahlerei mit der Jäger- geschicklichkeit wirksam und dann erst kam die Sinnenfreude zu ihrem Recht.
Ich habe in meinem Tagebuch jeden Fall von Körperbemalung eingetragen und feststellen können, dass es hier noch heute zwei Arten des Körperbemalens
Ueberall fand sich das tierische Material. Es gab Hornperlen, Knochen- perlen, diese auch in Stäbchenform, sie wurden bald vereinzelt aufgehängt, bald zu ganzen Ketten vereinigt besonders Affen- und Jaguarzähne. Vgl. das Bild des Auetö́-Häuptlings Seite 108. Wir erhielten bei den Nahuquá eine Kette mit Jaguar- zähnen und bunten Federchen. Die Trumaí schätzten Kapivara-Zähne. Bei den Mehinakú gab es besonders reichlichen Kinderschmuck, mit dem die Säuglinge bündelweise behangen waren: ausser dem Uebrigen, zumal Affen-Zähnen, Zähne der Jaguatirica (Felis mitis), Fischwirbel, Knochen vom Bagadú-Fisch, einmal ein mächtiges schwarzes Käferhorn. Auch Klauen vom Tapir (Kamayurá), Jaguar und Hirsch.
Hiermit werden die wesentlichsten Bestandteile des Kettenschmucks wohl aufgezählt sein, in dem späteren Kapitel über die Plastik unserer Indianer komme ich auf Einzelnes noch zurück, insofern auch allerlei Figuren geschnitzt und geschliffen wurden.
Inwieweit den einzelnen Dingen nützliche und heilsame Wirkungen zu- geschrieben wurden, vermag ich nicht zu sagen. Dass der »Schmuck« viel- fach »Talisman« war, geht daraus hervor, dass, wie erwähnt, die Kinder und Schwangeren am meisten behängt waren. Wenn die Reste einer Zündholzschachtel umgehängt wurden, so wird dies auch nicht aus dem Schönheitsgefühl entsprungen sein. Die Grasperlen der Bakaïrí waren zierlichen Fischknöchelchen äussserst ähnlich, ich erhielt eine solche Kette aber nur mit grösster Mühe; sie war in den Augen ihres Besitzers entschieden »schöner« als die mit Fischperlen, weil sie seltener war.
Anstreichen und Malen. Warum streichen sich die Indianer mit Oelfarbe an, sei es nun mit schwarzer, wie die Einen, die den Orléansstrauch weniger pflegen, oder mit roter, wie die Anderen vorziehen? Den Feind durch Prunk und Entstellung zu schrecken? Das ist gewiss eine nützliche Anwendung, aber doch nur für diesen bestimmten Fall.
Sollte durch die Freude an der Farbe Alles erklärt werden? Dann sind wir genötigt, auch die Freude am Schwarzen als eine ursprüngliche Lustempfindung anzuerkennen. Dann müssten wir mit Erstaunen feststellen, dass unsern Stämmen ein z. B. in Polynesien so ausgiebig benutztes, für solchen Zweck selbst in dem relativ blumenarmen Flusswald reich bestelltes Fundgebiet der Natur entgangen ist — nicht Mann, nicht Weib schmückte sich mit Blumen. Die einzige Frage, glaube ich, die Antonio aus eigener Initiative an mich gerichtet hat, war in Cuyabá die: »warum tragen die Frauen Blumen im Haar?« Der Gedanke, dass es geschehe, um sich mit bunten Farben zu schmücken, lag seiner Seele himmelfern. Nein, die bunten Papageifedern sind zum farbigen Schmuck erst geworden; zuerst war das Vergnügen an der Jagd oder dem Tierleben und die Prahlerei mit der Jäger- geschicklichkeit wirksam und dann erst kam die Sinnenfreude zu ihrem Recht.
Ich habe in meinem Tagebuch jeden Fall von Körperbemalung eingetragen und feststellen können, dass es hier noch heute zwei Arten des Körperbemalens
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[184/0228]
Ueberall fand sich das tierische Material. Es gab Hornperlen, Knochen-
perlen, diese auch in Stäbchenform, sie wurden bald vereinzelt aufgehängt, bald
zu ganzen Ketten vereinigt besonders Affen- und Jaguarzähne. Vgl. das Bild des
Auetö́-Häuptlings Seite 108. Wir erhielten bei den Nahuquá eine Kette mit Jaguar-
zähnen und bunten Federchen. Die Trumaí schätzten Kapivara-Zähne. Bei den
Mehinakú gab es besonders reichlichen Kinderschmuck, mit dem die Säuglinge
bündelweise behangen waren: ausser dem Uebrigen, zumal Affen-Zähnen, Zähne
der Jaguatirica (Felis mitis), Fischwirbel, Knochen vom Bagadú-Fisch, einmal ein
mächtiges schwarzes Käferhorn. Auch Klauen vom Tapir (Kamayurá), Jaguar
und Hirsch.
Hiermit werden die wesentlichsten Bestandteile des Kettenschmucks wohl
aufgezählt sein, in dem späteren Kapitel über die Plastik unserer Indianer komme
ich auf Einzelnes noch zurück, insofern auch allerlei Figuren geschnitzt und
geschliffen wurden.
Inwieweit den einzelnen Dingen nützliche und heilsame Wirkungen zu-
geschrieben wurden, vermag ich nicht zu sagen. Dass der »Schmuck« viel-
fach »Talisman« war, geht daraus hervor, dass, wie erwähnt, die Kinder und
Schwangeren am meisten behängt waren. Wenn die Reste einer Zündholzschachtel
umgehängt wurden, so wird dies auch nicht aus dem Schönheitsgefühl entsprungen
sein. Die Grasperlen der Bakaïrí waren zierlichen Fischknöchelchen äussserst ähnlich,
ich erhielt eine solche Kette aber nur mit grösster Mühe; sie war in den Augen
ihres Besitzers entschieden »schöner« als die mit Fischperlen, weil sie seltener war.
Anstreichen und Malen. Warum streichen sich die Indianer mit Oelfarbe
an, sei es nun mit schwarzer, wie die Einen, die den Orléansstrauch weniger
pflegen, oder mit roter, wie die Anderen vorziehen? Den Feind durch Prunk
und Entstellung zu schrecken? Das ist gewiss eine nützliche Anwendung, aber
doch nur für diesen bestimmten Fall.
Sollte durch die Freude an der Farbe Alles erklärt werden? Dann sind
wir genötigt, auch die Freude am Schwarzen als eine ursprüngliche Lustempfindung
anzuerkennen. Dann müssten wir mit Erstaunen feststellen, dass unsern Stämmen
ein z. B. in Polynesien so ausgiebig benutztes, für solchen Zweck selbst in dem
relativ blumenarmen Flusswald reich bestelltes Fundgebiet der Natur entgangen
ist — nicht Mann, nicht Weib schmückte sich mit Blumen. Die einzige Frage,
glaube ich, die Antonio aus eigener Initiative an mich gerichtet hat, war in Cuyabá
die: »warum tragen die Frauen Blumen im Haar?« Der Gedanke, dass es geschehe,
um sich mit bunten Farben zu schmücken, lag seiner Seele himmelfern. Nein,
die bunten Papageifedern sind zum farbigen Schmuck erst geworden; zuerst war
das Vergnügen an der Jagd oder dem Tierleben und die Prahlerei mit der Jäger-
geschicklichkeit wirksam und dann erst kam die Sinnenfreude zu ihrem Recht.
Ich habe in meinem Tagebuch jeden Fall von Körperbemalung eingetragen
und feststellen können, dass es hier noch heute zwei Arten des Körperbemalens
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/228>, abgerufen am 22.11.2024.
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