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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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gebiete noch gar keine systematische Stellung haben, vielmehr gleichsam
heimathslos in der Luft schweben, sondern es fehlt auch, wir müssen
sagen gänzlich das Bewußtsein, daß sie ganz etwas anders enthalten,
als eine besondere Form des Privatrechts. Man weiß nicht, daß sie
in der That diejenigen öffentlich rechtlichen Modificationen
des bürgerlichen Rechts enthalten, welche durch das Wesen des Ge-
schäftscredits
als eines Elementes des gesammten volkswirthschaft-
lichen Lebens bedingt werden. Erst auf dieser Grundlage erhalten sie
ihre wahre Bedeutung. Sie ist die Basis der Exegese im Einzelnen
und der Auffassung im Ganzen, wie aus ihr, und nicht aus den
Principien des bürgerlichen Rechts, die Gesetze hervorgegangen sind,
nach denen sie sich richten. Erst wenn man sie als Theile des Ver-
waltungsrechts behandeln wird, werden sie in ihrem wahren Wesen
verständlich sein. Das genauer zu zeigen, ist die erste Aufgabe der
Lehre von der Organisation des Geschäftscredits.

2) Der Zahlungscredit ist zweitens nicht eine besondere Art
des Credits, sondern eine besondere Form seiner Benutzung. Es ist
durchaus nothwendig, sich eine klare Vorstellung von demselben und
seiner Funktion zu verschaffen, wenn man die richtige Stellung der
Verwaltung auch hier beurtheilen will. Was die Zahlung als solche
betrifft, so braucht nicht erst dargethan zu werden, daß sie eine Lösung
einer Verbindlichkeit durch Münze ist. Im Geschäftscredit aber er-
scheint nun bekanntlich das Verhältniß, daß die Zahlung des Einen
beständig von der des Andern abhängig ist; stockt die erste, so stocken
alle auf dieselben im geschäftlichen Wege angewiesenen Zahlungen.
Nun ist dabei das Wesentliche, daß dieser specifische Akt der Zahlungen
durch das Vorhandensein von Werthen aller Art nicht ersetzt werden
kann, so wenig etwa wie das Trinken durch das Essen, oder das Hören
durch das Sehen. Die Zahlung beruht nicht auf Gütern, sondern
wird nur vollzogen durch Geld. Es kann jemand ein großes Vermögen
haben und zahlungsunfähig sein; es kann jemand zahlungsfähig sein,
und vollständig bankerott. Das Zahlen als solches erscheint daher
als ein specifisches Element des Verkehrs, und doch wieder nicht immer
gegeben durch das Vorhandensein von Werthen, obgleich sie der zu
zahlenden Summe vollständig entsprechen. Es wird daher eine der
großen Aufgaben der Gemeinschaft der Interessen, die Zahlungen
möglich zu machen
, so weit sie wenigstens durch Werthe gedeckt sind,
damit nicht die Stockung der Zahlung für alle auf die Zahlung des
Einen angewiesenen andern Geschäfte leiden. Und das dafür bestimmte
Institut ist die eigentliche Bank. Das Princip alles Bankwesens ist
es daher, den Zahlungscredit zu organisiren, und die aus

gebiete noch gar keine ſyſtematiſche Stellung haben, vielmehr gleichſam
heimathslos in der Luft ſchweben, ſondern es fehlt auch, wir müſſen
ſagen gänzlich das Bewußtſein, daß ſie ganz etwas anders enthalten,
als eine beſondere Form des Privatrechts. Man weiß nicht, daß ſie
in der That diejenigen öffentlich rechtlichen Modificationen
des bürgerlichen Rechts enthalten, welche durch das Weſen des Ge-
ſchäftscredits
als eines Elementes des geſammten volkswirthſchaft-
lichen Lebens bedingt werden. Erſt auf dieſer Grundlage erhalten ſie
ihre wahre Bedeutung. Sie iſt die Baſis der Exegeſe im Einzelnen
und der Auffaſſung im Ganzen, wie aus ihr, und nicht aus den
Principien des bürgerlichen Rechts, die Geſetze hervorgegangen ſind,
nach denen ſie ſich richten. Erſt wenn man ſie als Theile des Ver-
waltungsrechts behandeln wird, werden ſie in ihrem wahren Weſen
verſtändlich ſein. Das genauer zu zeigen, iſt die erſte Aufgabe der
Lehre von der Organiſation des Geſchäftscredits.

2) Der Zahlungscredit iſt zweitens nicht eine beſondere Art
des Credits, ſondern eine beſondere Form ſeiner Benutzung. Es iſt
durchaus nothwendig, ſich eine klare Vorſtellung von demſelben und
ſeiner Funktion zu verſchaffen, wenn man die richtige Stellung der
Verwaltung auch hier beurtheilen will. Was die Zahlung als ſolche
betrifft, ſo braucht nicht erſt dargethan zu werden, daß ſie eine Löſung
einer Verbindlichkeit durch Münze iſt. Im Geſchäftscredit aber er-
ſcheint nun bekanntlich das Verhältniß, daß die Zahlung des Einen
beſtändig von der des Andern abhängig iſt; ſtockt die erſte, ſo ſtocken
alle auf dieſelben im geſchäftlichen Wege angewieſenen Zahlungen.
Nun iſt dabei das Weſentliche, daß dieſer ſpecifiſche Akt der Zahlungen
durch das Vorhandenſein von Werthen aller Art nicht erſetzt werden
kann, ſo wenig etwa wie das Trinken durch das Eſſen, oder das Hören
durch das Sehen. Die Zahlung beruht nicht auf Gütern, ſondern
wird nur vollzogen durch Geld. Es kann jemand ein großes Vermögen
haben und zahlungsunfähig ſein; es kann jemand zahlungsfähig ſein,
und vollſtändig bankerott. Das Zahlen als ſolches erſcheint daher
als ein ſpecifiſches Element des Verkehrs, und doch wieder nicht immer
gegeben durch das Vorhandenſein von Werthen, obgleich ſie der zu
zahlenden Summe vollſtändig entſprechen. Es wird daher eine der
großen Aufgaben der Gemeinſchaft der Intereſſen, die Zahlungen
möglich zu machen
, ſo weit ſie wenigſtens durch Werthe gedeckt ſind,
damit nicht die Stockung der Zahlung für alle auf die Zahlung des
Einen angewieſenen andern Geſchäfte leiden. Und das dafür beſtimmte
Inſtitut iſt die eigentliche Bank. Das Princip alles Bankweſens iſt
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[56/0074] gebiete noch gar keine ſyſtematiſche Stellung haben, vielmehr gleichſam heimathslos in der Luft ſchweben, ſondern es fehlt auch, wir müſſen ſagen gänzlich das Bewußtſein, daß ſie ganz etwas anders enthalten, als eine beſondere Form des Privatrechts. Man weiß nicht, daß ſie in der That diejenigen öffentlich rechtlichen Modificationen des bürgerlichen Rechts enthalten, welche durch das Weſen des Ge- ſchäftscredits als eines Elementes des geſammten volkswirthſchaft- lichen Lebens bedingt werden. Erſt auf dieſer Grundlage erhalten ſie ihre wahre Bedeutung. Sie iſt die Baſis der Exegeſe im Einzelnen und der Auffaſſung im Ganzen, wie aus ihr, und nicht aus den Principien des bürgerlichen Rechts, die Geſetze hervorgegangen ſind, nach denen ſie ſich richten. Erſt wenn man ſie als Theile des Ver- waltungsrechts behandeln wird, werden ſie in ihrem wahren Weſen verſtändlich ſein. Das genauer zu zeigen, iſt die erſte Aufgabe der Lehre von der Organiſation des Geſchäftscredits. 2) Der Zahlungscredit iſt zweitens nicht eine beſondere Art des Credits, ſondern eine beſondere Form ſeiner Benutzung. Es iſt durchaus nothwendig, ſich eine klare Vorſtellung von demſelben und ſeiner Funktion zu verſchaffen, wenn man die richtige Stellung der Verwaltung auch hier beurtheilen will. Was die Zahlung als ſolche betrifft, ſo braucht nicht erſt dargethan zu werden, daß ſie eine Löſung einer Verbindlichkeit durch Münze iſt. Im Geſchäftscredit aber er- ſcheint nun bekanntlich das Verhältniß, daß die Zahlung des Einen beſtändig von der des Andern abhängig iſt; ſtockt die erſte, ſo ſtocken alle auf dieſelben im geſchäftlichen Wege angewieſenen Zahlungen. Nun iſt dabei das Weſentliche, daß dieſer ſpecifiſche Akt der Zahlungen durch das Vorhandenſein von Werthen aller Art nicht erſetzt werden kann, ſo wenig etwa wie das Trinken durch das Eſſen, oder das Hören durch das Sehen. Die Zahlung beruht nicht auf Gütern, ſondern wird nur vollzogen durch Geld. Es kann jemand ein großes Vermögen haben und zahlungsunfähig ſein; es kann jemand zahlungsfähig ſein, und vollſtändig bankerott. Das Zahlen als ſolches erſcheint daher als ein ſpecifiſches Element des Verkehrs, und doch wieder nicht immer gegeben durch das Vorhandenſein von Werthen, obgleich ſie der zu zahlenden Summe vollſtändig entſprechen. Es wird daher eine der großen Aufgaben der Gemeinſchaft der Intereſſen, die Zahlungen möglich zu machen, ſo weit ſie wenigſtens durch Werthe gedeckt ſind, damit nicht die Stockung der Zahlung für alle auf die Zahlung des Einen angewieſenen andern Geſchäfte leiden. Und das dafür beſtimmte Inſtitut iſt die eigentliche Bank. Das Princip alles Bankweſens iſt es daher, den Zahlungscredit zu organiſiren, und die aus

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/74>, abgerufen am 28.04.2024.