Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

Inhalts und seines Rechts von dem besonderen Theil und seinen ein-
zelnen Gebieten erscheint dieser als die erste wissenschaftliche Forderung
der ganzen wirthschaftlichen Verwaltungslehre, und wo immer ein be-
sonderer Theil behandelt wird, wird derselbe stets das zugleich wesent-
lich Praktische dieser Forderung erkennen.

II. Das System des allgemeinen Theiles ruht nun auf denjenigen
Verhältnissen des volkswirthschaftlichen Lebens, welche ihrem Wesen nach
durch keine Art der Unternehmung erschöpft, für keine derselben auch
nur als vorwiegende Bedingung ihrer speciellen Entwicklung angesehen
werden können, sondern die gleichmäßig die Voraussetzung der Wohl-
fahrt aller bilden. Diese nun erscheinen naturgemäß in drei, durch
das Wesen des Lebens überhaupt gegebene Gruppen.

Die erste hat es mit dem rein persönlichen Element zu thun, so
weit dasselbe nicht von der Kraft und dem Willen des Einzelnen be-
herrscht wird. Dieß persönliche Element ist das Recht der Einzelnen.
Dieß Recht der Einzelnen erzeugt da, wo seine Aufhebung eine Be-
dingung des wirthschaftlichen Fortschrittes ist, die Entwährung als
erste volkswirthschaftliche Funktion der Verwaltung, und mit ihr das
Entwährungsrecht. Dieses nun theilt sich wieder in die Grund-
entlastung
, die eine vorwiegend sociale Maßregel ist, die Ablö-
sungen
, welche im Interesse der Gesammtproduktion geschehen, und
die Enteignungen (Expropriationen) und Zwangsleistungen,
welche durch das Interesse des Verkehrs gefordert werden.

Das zweite große Element ist die Natur. Die Verwaltung aber
hat es nicht mit der Natur im Ganzen zu thun, und eben so wenig
mit der Natur, so weit sie nur in der Sphäre der Einzelwirthschaft er-
scheint. Die Natur wird erst da Gegenstand der Verwaltung, wo sie
als eine, die Gesammtheit aller Interessen bestimmende, und durch
den Einzelnen nicht mehr zu bewältigende Kraft erscheint, der jedoch die
Gemeinschaft durch den Organismus der Verwaltung ihre Gränze vor-
schreiben und ihre Ordnung geben kann. Das nun ist der Fall bei
Feuer und Wasser. Für Feuer und Wasser gibt es daher eine Verwaltung
und mithin ein Verwaltungsrecht, das zugleich ein öffentliches, ein
bürgerliches und ein polizeiliches ist. Diese Verwaltung des Feuers und des
Wassers ist wieder, wie es im Wesen jeder elementaren Kraft begründet
ist, zunächst eine Organisation des Kampfes mit ihren Gefahren; dann
aber tritt die Verwaltung auch positiv ordnend hinzu, namentlich beim
Wasser, und endlich schreitet sie, wo dennoch jene Kräfte Schaden gethan,
helfend ein, und erzeugt das Versicherungswesen. Auf diese Weise bildet
die Verwaltung der elementaren Verhältnisse das zweite selbständige
Gebiet der volkswirthschaftlichen Verwaltung in ihrem Allgemeinen.


Stein, die Verwaltungslehre. VII. 4

Inhalts und ſeines Rechts von dem beſonderen Theil und ſeinen ein-
zelnen Gebieten erſcheint dieſer als die erſte wiſſenſchaftliche Forderung
der ganzen wirthſchaftlichen Verwaltungslehre, und wo immer ein be-
ſonderer Theil behandelt wird, wird derſelbe ſtets das zugleich weſent-
lich Praktiſche dieſer Forderung erkennen.

II. Das Syſtem des allgemeinen Theiles ruht nun auf denjenigen
Verhältniſſen des volkswirthſchaftlichen Lebens, welche ihrem Weſen nach
durch keine Art der Unternehmung erſchöpft, für keine derſelben auch
nur als vorwiegende Bedingung ihrer ſpeciellen Entwicklung angeſehen
werden können, ſondern die gleichmäßig die Vorausſetzung der Wohl-
fahrt aller bilden. Dieſe nun erſcheinen naturgemäß in drei, durch
das Weſen des Lebens überhaupt gegebene Gruppen.

Die erſte hat es mit dem rein perſönlichen Element zu thun, ſo
weit daſſelbe nicht von der Kraft und dem Willen des Einzelnen be-
herrſcht wird. Dieß perſönliche Element iſt das Recht der Einzelnen.
Dieß Recht der Einzelnen erzeugt da, wo ſeine Aufhebung eine Be-
dingung des wirthſchaftlichen Fortſchrittes iſt, die Entwährung als
erſte volkswirthſchaftliche Funktion der Verwaltung, und mit ihr das
Entwährungsrecht. Dieſes nun theilt ſich wieder in die Grund-
entlaſtung
, die eine vorwiegend ſociale Maßregel iſt, die Ablö-
ſungen
, welche im Intereſſe der Geſammtproduktion geſchehen, und
die Enteignungen (Expropriationen) und Zwangsleiſtungen,
welche durch das Intereſſe des Verkehrs gefordert werden.

Das zweite große Element iſt die Natur. Die Verwaltung aber
hat es nicht mit der Natur im Ganzen zu thun, und eben ſo wenig
mit der Natur, ſo weit ſie nur in der Sphäre der Einzelwirthſchaft er-
ſcheint. Die Natur wird erſt da Gegenſtand der Verwaltung, wo ſie
als eine, die Geſammtheit aller Intereſſen beſtimmende, und durch
den Einzelnen nicht mehr zu bewältigende Kraft erſcheint, der jedoch die
Gemeinſchaft durch den Organismus der Verwaltung ihre Gränze vor-
ſchreiben und ihre Ordnung geben kann. Das nun iſt der Fall bei
Feuer und Waſſer. Für Feuer und Waſſer gibt es daher eine Verwaltung
und mithin ein Verwaltungsrecht, das zugleich ein öffentliches, ein
bürgerliches und ein polizeiliches iſt. Dieſe Verwaltung des Feuers und des
Waſſers iſt wieder, wie es im Weſen jeder elementaren Kraft begründet
iſt, zunächſt eine Organiſation des Kampfes mit ihren Gefahren; dann
aber tritt die Verwaltung auch poſitiv ordnend hinzu, namentlich beim
Waſſer, und endlich ſchreitet ſie, wo dennoch jene Kräfte Schaden gethan,
helfend ein, und erzeugt das Verſicherungsweſen. Auf dieſe Weiſe bildet
die Verwaltung der elementaren Verhältniſſe das zweite ſelbſtändige
Gebiet der volkswirthſchaftlichen Verwaltung in ihrem Allgemeinen.


Stein, die Verwaltungslehre. VII. 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0067" n="49"/>
Inhalts und &#x017F;eines Rechts von dem be&#x017F;onderen Theil und &#x017F;einen ein-<lb/>
zelnen Gebieten er&#x017F;cheint die&#x017F;er als die <hi rendition="#g">er&#x017F;te</hi> wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Forderung<lb/>
der ganzen wirth&#x017F;chaftlichen Verwaltungslehre, und wo immer ein be-<lb/>
&#x017F;onderer Theil behandelt wird, wird der&#x017F;elbe &#x017F;tets das zugleich we&#x017F;ent-<lb/>
lich Prakti&#x017F;che die&#x017F;er Forderung erkennen.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">II.</hi> Das Sy&#x017F;tem des allgemeinen Theiles ruht nun auf denjenigen<lb/>
Verhältni&#x017F;&#x017F;en des volkswirth&#x017F;chaftlichen Lebens, welche ihrem We&#x017F;en nach<lb/>
durch keine Art der Unternehmung er&#x017F;chöpft, für keine der&#x017F;elben auch<lb/>
nur als vorwiegende Bedingung ihrer &#x017F;peciellen Entwicklung ange&#x017F;ehen<lb/>
werden können, &#x017F;ondern die gleichmäßig die Voraus&#x017F;etzung der Wohl-<lb/>
fahrt <hi rendition="#g">aller</hi> bilden. Die&#x017F;e nun er&#x017F;cheinen naturgemäß in drei, durch<lb/>
das We&#x017F;en des Lebens überhaupt gegebene Gruppen.</p><lb/>
            <p>Die er&#x017F;te hat es mit dem rein per&#x017F;önlichen Element zu thun, &#x017F;o<lb/>
weit da&#x017F;&#x017F;elbe nicht von der Kraft und dem Willen des Einzelnen be-<lb/>
herr&#x017F;cht wird. Dieß per&#x017F;önliche Element i&#x017F;t das <hi rendition="#g">Recht</hi> der Einzelnen.<lb/>
Dieß Recht der Einzelnen erzeugt da, wo &#x017F;eine Aufhebung eine Be-<lb/>
dingung des wirth&#x017F;chaftlichen Fort&#x017F;chrittes i&#x017F;t, die <hi rendition="#g">Entwährung</hi> als<lb/>
er&#x017F;te volkswirth&#x017F;chaftliche Funktion der Verwaltung, und mit ihr das<lb/><hi rendition="#g">Entwährungsrecht</hi>. Die&#x017F;es nun theilt &#x017F;ich wieder in die <hi rendition="#g">Grund-<lb/>
entla&#x017F;tung</hi>, die eine vorwiegend &#x017F;ociale Maßregel i&#x017F;t, die <hi rendition="#g">Ablö-<lb/>
&#x017F;ungen</hi>, welche im Intere&#x017F;&#x017F;e der Ge&#x017F;ammtproduktion ge&#x017F;chehen, und<lb/>
die <hi rendition="#g">Enteignungen</hi> (Expropriationen) und <hi rendition="#g">Zwangslei&#x017F;tungen</hi>,<lb/>
welche durch das Intere&#x017F;&#x017F;e des Verkehrs gefordert werden.</p><lb/>
            <p>Das zweite große Element i&#x017F;t die Natur. Die Verwaltung aber<lb/>
hat es nicht mit der Natur im Ganzen zu thun, und eben &#x017F;o wenig<lb/>
mit der Natur, &#x017F;o weit &#x017F;ie nur in der Sphäre der Einzelwirth&#x017F;chaft er-<lb/>
&#x017F;cheint. Die Natur wird er&#x017F;t da Gegen&#x017F;tand der Verwaltung, wo &#x017F;ie<lb/>
als eine, die Ge&#x017F;ammtheit <hi rendition="#g">aller</hi> Intere&#x017F;&#x017F;en be&#x017F;timmende, und durch<lb/>
den Einzelnen nicht mehr zu bewältigende Kraft er&#x017F;cheint, der jedoch die<lb/>
Gemein&#x017F;chaft durch den Organismus der Verwaltung ihre Gränze vor-<lb/>
&#x017F;chreiben und ihre Ordnung geben kann. Das nun i&#x017F;t der Fall bei<lb/>
Feuer und Wa&#x017F;&#x017F;er. Für Feuer und Wa&#x017F;&#x017F;er gibt es daher eine Verwaltung<lb/>
und mithin ein Verwaltung<hi rendition="#g">srecht</hi>, das zugleich ein öffentliches, ein<lb/>
bürgerliches und ein polizeiliches i&#x017F;t. Die&#x017F;e Verwaltung des Feuers und des<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;ers i&#x017F;t wieder, wie es im We&#x017F;en jeder elementaren Kraft begründet<lb/>
i&#x017F;t, zunäch&#x017F;t eine Organi&#x017F;ation des Kampfes mit ihren Gefahren; dann<lb/>
aber tritt die Verwaltung auch po&#x017F;itiv ordnend hinzu, namentlich beim<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er, und endlich &#x017F;chreitet &#x017F;ie, wo dennoch jene Kräfte Schaden gethan,<lb/>
helfend ein, und erzeugt das Ver&#x017F;icherungswe&#x017F;en. Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e bildet<lb/>
die Verwaltung der elementaren Verhältni&#x017F;&#x017F;e das zweite &#x017F;elb&#x017F;tändige<lb/>
Gebiet der volkswirth&#x017F;chaftlichen Verwaltung in ihrem Allgemeinen.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Stein</hi>, die Verwaltungslehre. <hi rendition="#aq">VII.</hi> 4</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0067] Inhalts und ſeines Rechts von dem beſonderen Theil und ſeinen ein- zelnen Gebieten erſcheint dieſer als die erſte wiſſenſchaftliche Forderung der ganzen wirthſchaftlichen Verwaltungslehre, und wo immer ein be- ſonderer Theil behandelt wird, wird derſelbe ſtets das zugleich weſent- lich Praktiſche dieſer Forderung erkennen. II. Das Syſtem des allgemeinen Theiles ruht nun auf denjenigen Verhältniſſen des volkswirthſchaftlichen Lebens, welche ihrem Weſen nach durch keine Art der Unternehmung erſchöpft, für keine derſelben auch nur als vorwiegende Bedingung ihrer ſpeciellen Entwicklung angeſehen werden können, ſondern die gleichmäßig die Vorausſetzung der Wohl- fahrt aller bilden. Dieſe nun erſcheinen naturgemäß in drei, durch das Weſen des Lebens überhaupt gegebene Gruppen. Die erſte hat es mit dem rein perſönlichen Element zu thun, ſo weit daſſelbe nicht von der Kraft und dem Willen des Einzelnen be- herrſcht wird. Dieß perſönliche Element iſt das Recht der Einzelnen. Dieß Recht der Einzelnen erzeugt da, wo ſeine Aufhebung eine Be- dingung des wirthſchaftlichen Fortſchrittes iſt, die Entwährung als erſte volkswirthſchaftliche Funktion der Verwaltung, und mit ihr das Entwährungsrecht. Dieſes nun theilt ſich wieder in die Grund- entlaſtung, die eine vorwiegend ſociale Maßregel iſt, die Ablö- ſungen, welche im Intereſſe der Geſammtproduktion geſchehen, und die Enteignungen (Expropriationen) und Zwangsleiſtungen, welche durch das Intereſſe des Verkehrs gefordert werden. Das zweite große Element iſt die Natur. Die Verwaltung aber hat es nicht mit der Natur im Ganzen zu thun, und eben ſo wenig mit der Natur, ſo weit ſie nur in der Sphäre der Einzelwirthſchaft er- ſcheint. Die Natur wird erſt da Gegenſtand der Verwaltung, wo ſie als eine, die Geſammtheit aller Intereſſen beſtimmende, und durch den Einzelnen nicht mehr zu bewältigende Kraft erſcheint, der jedoch die Gemeinſchaft durch den Organismus der Verwaltung ihre Gränze vor- ſchreiben und ihre Ordnung geben kann. Das nun iſt der Fall bei Feuer und Waſſer. Für Feuer und Waſſer gibt es daher eine Verwaltung und mithin ein Verwaltungsrecht, das zugleich ein öffentliches, ein bürgerliches und ein polizeiliches iſt. Dieſe Verwaltung des Feuers und des Waſſers iſt wieder, wie es im Weſen jeder elementaren Kraft begründet iſt, zunächſt eine Organiſation des Kampfes mit ihren Gefahren; dann aber tritt die Verwaltung auch poſitiv ordnend hinzu, namentlich beim Waſſer, und endlich ſchreitet ſie, wo dennoch jene Kräfte Schaden gethan, helfend ein, und erzeugt das Verſicherungsweſen. Auf dieſe Weiſe bildet die Verwaltung der elementaren Verhältniſſe das zweite ſelbſtändige Gebiet der volkswirthſchaftlichen Verwaltung in ihrem Allgemeinen. Stein, die Verwaltungslehre. VII. 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/67
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/67>, abgerufen am 27.04.2024.