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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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entscheidend eingewirkt hat, als gerade bei der Lehre -- ja zum Theil
auch bei den Gesetzen -- über das Enteignungsrecht. Nirgends aller-
dings liegt die Vorstellung so nahe, daß die Zweckmäßigkeit und die
Ansicht über das öffentliche Bedürfniß den Rechtstitel für die Aktion
der Verwaltung ersetzen dürfe und selbst müsse, und daß eben dadurch
die Basis aller individuellen, staatsbürgerlichen Selbständigkeit, das
Eigenthum, dem Gutachten der Verwaltung anheimgegeben sei. Die
natürliche Folge ist davon gewesen, daß Literatur und Gesetzgebung
beide gleich sehr ihren Schwerpunkt mehr in dem Schutze des Privateigen-
thums gegen die Verwaltung, als in der genauen Bestimmung für das
Verfahren der letzteren gesucht haben. Eben daraus erklärt es sich ferner,
weßhalb man sowohl in Frankreich als in Deutschland beständig daran
festgehalten hat, so viel als nur irgend thunlich schien, die Gerichte
und ihre Funktion in das Enteignungsverfahren hineinzuziehen, in
Frankreich, weil dort die Verwaltung grundsätzlich viel mächtiger ist
als anderswo, in Deutschland weil der durchgehende Mangel guter
Enteignungsgesetze dem Verordnungsrecht einen viel zu großen Spielraum
gelassen hat, und das Beschwerdeverfahren noch in den unklarsten An-
fängen ist. Es wird deßhalb einige Schwierigkeit finden, den folgen-
den Standpunkt zur Geltung zu bringen. Und dennoch müssen wir
ihn für den einzig richtigen und zugleich für den einfachsten halten, da
er, so viel wir sehen, nicht bloß die einzelnen Fragen leicht zur Lösung
bringt, sondern auch neben dem Rechte des Einzeleigenthums die Funktion
der Verwaltung zu ihrer natürlichen Geltung bringt. Auch müssen wir
an der Ueberzeugung festhalten, daß nur auf diesem Wege die Verwir-
rung, welche durch ganz verschiedene Specialgesetzgebungen in das Ent-
eignungsrecht gekommen ist, leicht gelöst, und der Jurisprudenz eine
feste Basis gegeben werden kann. Freilich muß man dabei sich über
das Wesen von Gesetz und Verordnung einerseits, und über die Auf-
gabe und Competenz von Verwaltung und Gericht andererseits klar und
einig sein. Die Principien des Enteignungsrechts auf dieser Grundlage
sind folgende.

Da die Enteignung, im schärfsten Gegensatze zum Einzeleigenthum,
aus dem Begriffe und Wesen des bürgerlichen Rechtes nicht erklärt
werden kann, so erscheint sie ihrem ganzen Wesen nach als eine
Funktion der Verwaltung, und ihr ganzes Recht ist Verwaltungs-
recht. Sie kann daher auch nur von den Organen der Verwaltung
vollzogen werden. Diese Vollziehung derselben durch die Verwaltungs-
organe steht nun wieder unter dem gesetzlichen Recht. Die Gesetzgebung
kann aber dabei auf einem sehr verschiedenen Standpunkt stehen. Sie
kann sich entweder begnügen mit der allgemeinen Anerkennung des

entſcheidend eingewirkt hat, als gerade bei der Lehre — ja zum Theil
auch bei den Geſetzen — über das Enteignungsrecht. Nirgends aller-
dings liegt die Vorſtellung ſo nahe, daß die Zweckmäßigkeit und die
Anſicht über das öffentliche Bedürfniß den Rechtstitel für die Aktion
der Verwaltung erſetzen dürfe und ſelbſt müſſe, und daß eben dadurch
die Baſis aller individuellen, ſtaatsbürgerlichen Selbſtändigkeit, das
Eigenthum, dem Gutachten der Verwaltung anheimgegeben ſei. Die
natürliche Folge iſt davon geweſen, daß Literatur und Geſetzgebung
beide gleich ſehr ihren Schwerpunkt mehr in dem Schutze des Privateigen-
thums gegen die Verwaltung, als in der genauen Beſtimmung für das
Verfahren der letzteren geſucht haben. Eben daraus erklärt es ſich ferner,
weßhalb man ſowohl in Frankreich als in Deutſchland beſtändig daran
feſtgehalten hat, ſo viel als nur irgend thunlich ſchien, die Gerichte
und ihre Funktion in das Enteignungsverfahren hineinzuziehen, in
Frankreich, weil dort die Verwaltung grundſätzlich viel mächtiger iſt
als anderswo, in Deutſchland weil der durchgehende Mangel guter
Enteignungsgeſetze dem Verordnungsrecht einen viel zu großen Spielraum
gelaſſen hat, und das Beſchwerdeverfahren noch in den unklarſten An-
fängen iſt. Es wird deßhalb einige Schwierigkeit finden, den folgen-
den Standpunkt zur Geltung zu bringen. Und dennoch müſſen wir
ihn für den einzig richtigen und zugleich für den einfachſten halten, da
er, ſo viel wir ſehen, nicht bloß die einzelnen Fragen leicht zur Löſung
bringt, ſondern auch neben dem Rechte des Einzeleigenthums die Funktion
der Verwaltung zu ihrer natürlichen Geltung bringt. Auch müſſen wir
an der Ueberzeugung feſthalten, daß nur auf dieſem Wege die Verwir-
rung, welche durch ganz verſchiedene Specialgeſetzgebungen in das Ent-
eignungsrecht gekommen iſt, leicht gelöst, und der Jurisprudenz eine
feſte Baſis gegeben werden kann. Freilich muß man dabei ſich über
das Weſen von Geſetz und Verordnung einerſeits, und über die Auf-
gabe und Competenz von Verwaltung und Gericht andererſeits klar und
einig ſein. Die Principien des Enteignungsrechts auf dieſer Grundlage
ſind folgende.

Da die Enteignung, im ſchärfſten Gegenſatze zum Einzeleigenthum,
aus dem Begriffe und Weſen des bürgerlichen Rechtes nicht erklärt
werden kann, ſo erſcheint ſie ihrem ganzen Weſen nach als eine
Funktion der Verwaltung, und ihr ganzes Recht iſt Verwaltungs-
recht. Sie kann daher auch nur von den Organen der Verwaltung
vollzogen werden. Dieſe Vollziehung derſelben durch die Verwaltungs-
organe ſteht nun wieder unter dem geſetzlichen Recht. Die Geſetzgebung
kann aber dabei auf einem ſehr verſchiedenen Standpunkt ſtehen. Sie
kann ſich entweder begnügen mit der allgemeinen Anerkennung des

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[320/0338] entſcheidend eingewirkt hat, als gerade bei der Lehre — ja zum Theil auch bei den Geſetzen — über das Enteignungsrecht. Nirgends aller- dings liegt die Vorſtellung ſo nahe, daß die Zweckmäßigkeit und die Anſicht über das öffentliche Bedürfniß den Rechtstitel für die Aktion der Verwaltung erſetzen dürfe und ſelbſt müſſe, und daß eben dadurch die Baſis aller individuellen, ſtaatsbürgerlichen Selbſtändigkeit, das Eigenthum, dem Gutachten der Verwaltung anheimgegeben ſei. Die natürliche Folge iſt davon geweſen, daß Literatur und Geſetzgebung beide gleich ſehr ihren Schwerpunkt mehr in dem Schutze des Privateigen- thums gegen die Verwaltung, als in der genauen Beſtimmung für das Verfahren der letzteren geſucht haben. Eben daraus erklärt es ſich ferner, weßhalb man ſowohl in Frankreich als in Deutſchland beſtändig daran feſtgehalten hat, ſo viel als nur irgend thunlich ſchien, die Gerichte und ihre Funktion in das Enteignungsverfahren hineinzuziehen, in Frankreich, weil dort die Verwaltung grundſätzlich viel mächtiger iſt als anderswo, in Deutſchland weil der durchgehende Mangel guter Enteignungsgeſetze dem Verordnungsrecht einen viel zu großen Spielraum gelaſſen hat, und das Beſchwerdeverfahren noch in den unklarſten An- fängen iſt. Es wird deßhalb einige Schwierigkeit finden, den folgen- den Standpunkt zur Geltung zu bringen. Und dennoch müſſen wir ihn für den einzig richtigen und zugleich für den einfachſten halten, da er, ſo viel wir ſehen, nicht bloß die einzelnen Fragen leicht zur Löſung bringt, ſondern auch neben dem Rechte des Einzeleigenthums die Funktion der Verwaltung zu ihrer natürlichen Geltung bringt. Auch müſſen wir an der Ueberzeugung feſthalten, daß nur auf dieſem Wege die Verwir- rung, welche durch ganz verſchiedene Specialgeſetzgebungen in das Ent- eignungsrecht gekommen iſt, leicht gelöst, und der Jurisprudenz eine feſte Baſis gegeben werden kann. Freilich muß man dabei ſich über das Weſen von Geſetz und Verordnung einerſeits, und über die Auf- gabe und Competenz von Verwaltung und Gericht andererſeits klar und einig ſein. Die Principien des Enteignungsrechts auf dieſer Grundlage ſind folgende. Da die Enteignung, im ſchärfſten Gegenſatze zum Einzeleigenthum, aus dem Begriffe und Weſen des bürgerlichen Rechtes nicht erklärt werden kann, ſo erſcheint ſie ihrem ganzen Weſen nach als eine Funktion der Verwaltung, und ihr ganzes Recht iſt Verwaltungs- recht. Sie kann daher auch nur von den Organen der Verwaltung vollzogen werden. Dieſe Vollziehung derſelben durch die Verwaltungs- organe ſteht nun wieder unter dem geſetzlichen Recht. Die Geſetzgebung kann aber dabei auf einem ſehr verſchiedenen Standpunkt ſtehen. Sie kann ſich entweder begnügen mit der allgemeinen Anerkennung des

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/338>, abgerufen am 09.11.2024.