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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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daher jetzt der Ausdruck und Begriff der tenure, und an seine Stelle
tritt der Begriff und das Wort der "estates," Grundbesitz im bürger-
lichen Eigenthume; sie sind gleich, und wenn man von nun an noch
den Ausdruck "freehold" gebraucht, so hat er nur noch die historische
Bedeutung, daß diese freehold früher unmittelbares Kroneigenthum
gewesen ist; das Verhältniß des Grundbesitzes zum Könige ist auf-
gehoben. Der copyhold dagegen steht zu dem Könige zwar in keinem
direkten Verhältniß; doch aber war der König mittelbar Obereigenthümer
auch für die copyholder. Und die Frage mußte daher jetzt entstehen,
ob das Rechtsverhältniß des copyholders, das aus der tenure in vil-
lenagium purum
oder privilegiatum hervorgegangen durch das Stat. 12.
Ch.
24 nicht modificirt worden sei.

Hier nun muß man das formale von dem materiellen Verhältniß
wohl unterscheiden.

In der That nämlich hatte der Lord bis zum Stat. 12. Ch. II. dieß
Recht auf diese Leistungen des copyholders doch im Grunde nur vermöge
seiner tenure in capite als Vertreter des Königs gehabt. Die Aufhebung
der tenures nun macht ihn dagegen zum privatrechtlichen Eigenthümer der
Leistungen des copyholders; oder, das Recht auf diese Leistungen entsprang
nicht mehr aus der tenure in capite, sondern aus dem Privateigenthum.
Sie bilden daher auch mit dem Eigenthum am Grund und Boden Ein
Ganzes und der Begriff der estate enthält daher jetzt für den Großgrund-
besitzer zugleich den Besitz des Grundes und Bodens, und die Gesammt-
heit der Rechte, welche aus der Rent roll über die copyholders entsprin-
gen, und die an sich ja durch Aufhebung des feodal system gar nicht ge-
ändert werden. Allein während die tenure des freehold somit gegen-
über dem Könige verschwindet, bleibt sie der historische Rechtsgrund
für die Verpflichtungen des copyholders; sie ist der juristische Beweis
für den Grundherrn; der title, für seinen Besitz und seine Rechte,
die estate, und zugleich der juristische Beweis für den copyholder
gegenüber dem älteren Lord auf seinen zwar zum Theil sehr schwer
belasteten, aber doch vererblichen und im Verkehr freien Besitz. Man
kann ihn daher zur Bezeichnung der Agrarverhältnisse nicht entbehren,
nur ist er selbst kein Rechtsverhältniß, sondern nur der historische Grund
des Agrarrechts. Und daher denn erklärt es sich, daß tenure, estate
und title selbst bei den sonst vollkommen klaren Juristen wie Blackstone
und Anderen, noch immer durch einander gebracht werden, und daß der
copyholder noch immer als "tenant" des Herrn erscheint, was eben
so wenig richtig ist, als ob der Besitzer eines mit Servituten belasteten
Grundstücks als der "Lasse" des praedium dominans erschiene. Zugleich
erhielt sich juristisch das ganze System der alten Bezeichnungen der

daher jetzt der Ausdruck und Begriff der tenure, und an ſeine Stelle
tritt der Begriff und das Wort der „estates,“ Grundbeſitz im bürger-
lichen Eigenthume; ſie ſind gleich, und wenn man von nun an noch
den Ausdruck „freehold“ gebraucht, ſo hat er nur noch die hiſtoriſche
Bedeutung, daß dieſe freehold früher unmittelbares Kroneigenthum
geweſen iſt; das Verhältniß des Grundbeſitzes zum Könige iſt auf-
gehoben. Der copyhold dagegen ſteht zu dem Könige zwar in keinem
direkten Verhältniß; doch aber war der König mittelbar Obereigenthümer
auch für die copyholder. Und die Frage mußte daher jetzt entſtehen,
ob das Rechtsverhältniß des copyholders, das aus der tenure in vil-
lenagium purum
oder privilegiatum hervorgegangen durch das Stat. 12.
Ch.
24 nicht modificirt worden ſei.

Hier nun muß man das formale von dem materiellen Verhältniß
wohl unterſcheiden.

In der That nämlich hatte der Lord bis zum Stat. 12. Ch. II. dieß
Recht auf dieſe Leiſtungen des copyholders doch im Grunde nur vermöge
ſeiner tenure in capite als Vertreter des Königs gehabt. Die Aufhebung
der tenures nun macht ihn dagegen zum privatrechtlichen Eigenthümer der
Leiſtungen des copyholders; oder, das Recht auf dieſe Leiſtungen entſprang
nicht mehr aus der tenure in capite, ſondern aus dem Privateigenthum.
Sie bilden daher auch mit dem Eigenthum am Grund und Boden Ein
Ganzes und der Begriff der estate enthält daher jetzt für den Großgrund-
beſitzer zugleich den Beſitz des Grundes und Bodens, und die Geſammt-
heit der Rechte, welche aus der Rent roll über die copyholders entſprin-
gen, und die an ſich ja durch Aufhebung des feodal system gar nicht ge-
ändert werden. Allein während die tenure des freehold ſomit gegen-
über dem Könige verſchwindet, bleibt ſie der hiſtoriſche Rechtsgrund
für die Verpflichtungen des copyholders; ſie iſt der juriſtiſche Beweis
für den Grundherrn; der title, für ſeinen Beſitz und ſeine Rechte,
die estate, und zugleich der juriſtiſche Beweis für den copyholder
gegenüber dem älteren Lord auf ſeinen zwar zum Theil ſehr ſchwer
belaſteten, aber doch vererblichen und im Verkehr freien Beſitz. Man
kann ihn daher zur Bezeichnung der Agrarverhältniſſe nicht entbehren,
nur iſt er ſelbſt kein Rechtsverhältniß, ſondern nur der hiſtoriſche Grund
des Agrarrechts. Und daher denn erklärt es ſich, daß tenure, estate
und title ſelbſt bei den ſonſt vollkommen klaren Juriſten wie Blackſtone
und Anderen, noch immer durch einander gebracht werden, und daß der
copyholder noch immer als „tenant“ des Herrn erſcheint, was eben
ſo wenig richtig iſt, als ob der Beſitzer eines mit Servituten belaſteten
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[126/0144] daher jetzt der Ausdruck und Begriff der tenure, und an ſeine Stelle tritt der Begriff und das Wort der „estates,“ Grundbeſitz im bürger- lichen Eigenthume; ſie ſind gleich, und wenn man von nun an noch den Ausdruck „freehold“ gebraucht, ſo hat er nur noch die hiſtoriſche Bedeutung, daß dieſe freehold früher unmittelbares Kroneigenthum geweſen iſt; das Verhältniß des Grundbeſitzes zum Könige iſt auf- gehoben. Der copyhold dagegen ſteht zu dem Könige zwar in keinem direkten Verhältniß; doch aber war der König mittelbar Obereigenthümer auch für die copyholder. Und die Frage mußte daher jetzt entſtehen, ob das Rechtsverhältniß des copyholders, das aus der tenure in vil- lenagium purum oder privilegiatum hervorgegangen durch das Stat. 12. Ch. 24 nicht modificirt worden ſei. Hier nun muß man das formale von dem materiellen Verhältniß wohl unterſcheiden. In der That nämlich hatte der Lord bis zum Stat. 12. Ch. II. dieß Recht auf dieſe Leiſtungen des copyholders doch im Grunde nur vermöge ſeiner tenure in capite als Vertreter des Königs gehabt. Die Aufhebung der tenures nun macht ihn dagegen zum privatrechtlichen Eigenthümer der Leiſtungen des copyholders; oder, das Recht auf dieſe Leiſtungen entſprang nicht mehr aus der tenure in capite, ſondern aus dem Privateigenthum. Sie bilden daher auch mit dem Eigenthum am Grund und Boden Ein Ganzes und der Begriff der estate enthält daher jetzt für den Großgrund- beſitzer zugleich den Beſitz des Grundes und Bodens, und die Geſammt- heit der Rechte, welche aus der Rent roll über die copyholders entſprin- gen, und die an ſich ja durch Aufhebung des feodal system gar nicht ge- ändert werden. Allein während die tenure des freehold ſomit gegen- über dem Könige verſchwindet, bleibt ſie der hiſtoriſche Rechtsgrund für die Verpflichtungen des copyholders; ſie iſt der juriſtiſche Beweis für den Grundherrn; der title, für ſeinen Beſitz und ſeine Rechte, die estate, und zugleich der juriſtiſche Beweis für den copyholder gegenüber dem älteren Lord auf ſeinen zwar zum Theil ſehr ſchwer belaſteten, aber doch vererblichen und im Verkehr freien Beſitz. Man kann ihn daher zur Bezeichnung der Agrarverhältniſſe nicht entbehren, nur iſt er ſelbſt kein Rechtsverhältniß, ſondern nur der hiſtoriſche Grund des Agrarrechts. Und daher denn erklärt es ſich, daß tenure, estate und title ſelbſt bei den ſonſt vollkommen klaren Juriſten wie Blackſtone und Anderen, noch immer durch einander gebracht werden, und daß der copyholder noch immer als „tenant“ des Herrn erſcheint, was eben ſo wenig richtig iſt, als ob der Beſitzer eines mit Servituten belaſteten Grundſtücks als der „Laſſe“ des praedium dominans erſchiene. Zugleich erhielt ſich juriſtiſch das ganze Syſtem der alten Bezeichnungen der

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/144>, abgerufen am 28.04.2024.