daran festhalten, daß es sich zunächst gar nicht auf die bisher unfreie Klasse, also auch nicht auf den copyhold oder die Reste des villenagium bezieht, sondern nur auf die ganze Klasse des freien Eigenthums, das dem Namen nach nach dem feodal system als Eigenthum des Königs galt. Für diese Klasse ist die Anerkennung des freien und vollgültigen Eigenthums durch jenes Gesetz, nämlich das formelle Ende des oben dargestellten, specifisch englischenfeodal system. Das Obereigenthum der Krone an jeden Grundbesitz ist aufgegeben, und an seine Stelle tritt das individuelle Eigenthumsrecht des rechtmäßigen Besitzers. Diesen Uebergang macht das englische Recht durch, ohne daß der Gedanke einer Entschädigung jemals aufgetreten, und ander- seits, ohne daß die Beseitigung öffentlicher Verwaltungs- oder Polizei- rechte nöthig gewesen wäre, da die Lords eben keine Patrimonialjuris- diction jemals anders als über die villeins en gros besessen, und auch diese durch das statutarische Recht der wages und durch die Manu- missionen verloren hatten. Das Ende des feodal system ist daher die Herstellung des Privateigenthums an die Stelle des lehnsrecht- lichen Eigenthumssystems für die Großgrundbesitzer. Allein die weitere Frage ist nun die, ob jenes Gesetz auch direkte oder indirekte Folgen gerade für die zweite Klasse des Grundbesitzes, die wir bezeichneten, gehabt hat, und ob es damit eigentlich dem Processe der Entlastung angehört.
Um dieß zu erklären, müssen wir auf zwei Ausdrücke hier eingehen, deren Verständniß der sonst so klare Blackstone nicht ganz besitzt. Das sind die beiden Bezeichnungen von tenure oder tenementum, und die von estate.
Der Ausdruck "tenure" nämlich bedeutet kurz gesagt den Rechts- titel auf den Grundbesitz, insofern derselbe aus dem feodal system stammt. Tenere bedeutet den Besitz unter dem obersten Recht eines andern halten. Dieß Recht hat nun hier wie immer gewisse Modi- fikationen, die theils aus dem lehnsrechtlichen Erwerb des Besitzes, theils aus den lehnsrechtlichen Verpflichtungen, die mit dem Besitze ver- bunden sind, hervorgehen. Jede dieser Modifikationen heißt nun eine besondere Art der "tenure," die in vier Hauptarten zerfielen, te- nure in capite, tenure in soccage, tenure in villenagium privilegia- tum und tenure in villenagium -- die erste die der Barone der nor- mannischen Eroberer, die zweite die der freien Angelsachsen, die dritte die der Freien auf unfreiem Boden, die vierte die der Unfreien auf unfreiem Gut. Von diesen tenures betrifft nun das Stat. 12. Ch. II. 24. nur die beiden ersten, und gibt ihnen an der Stelle des Lehns- eigenthums das bürgerliche Eigenthumsrecht. Für diese verschwindet
daran feſthalten, daß es ſich zunächſt gar nicht auf die bisher unfreie Klaſſe, alſo auch nicht auf den copyhold oder die Reſte des villenagium bezieht, ſondern nur auf die ganze Klaſſe des freien Eigenthums, das dem Namen nach nach dem feodal system als Eigenthum des Königs galt. Für dieſe Klaſſe iſt die Anerkennung des freien und vollgültigen Eigenthums durch jenes Geſetz, nämlich das formelle Ende des oben dargeſtellten, ſpecifiſch engliſchenfeodal system. Das Obereigenthum der Krone an jeden Grundbeſitz iſt aufgegeben, und an ſeine Stelle tritt das individuelle Eigenthumsrecht des rechtmäßigen Beſitzers. Dieſen Uebergang macht das engliſche Recht durch, ohne daß der Gedanke einer Entſchädigung jemals aufgetreten, und ander- ſeits, ohne daß die Beſeitigung öffentlicher Verwaltungs- oder Polizei- rechte nöthig geweſen wäre, da die Lords eben keine Patrimonialjuris- diction jemals anders als über die villeins en gros beſeſſen, und auch dieſe durch das ſtatutariſche Recht der wages und durch die Manu- miſſionen verloren hatten. Das Ende des feodal system iſt daher die Herſtellung des Privateigenthums an die Stelle des lehnsrecht- lichen Eigenthumsſyſtems für die Großgrundbeſitzer. Allein die weitere Frage iſt nun die, ob jenes Geſetz auch direkte oder indirekte Folgen gerade für die zweite Klaſſe des Grundbeſitzes, die wir bezeichneten, gehabt hat, und ob es damit eigentlich dem Proceſſe der Entlaſtung angehört.
Um dieß zu erklären, müſſen wir auf zwei Ausdrücke hier eingehen, deren Verſtändniß der ſonſt ſo klare Blackſtone nicht ganz beſitzt. Das ſind die beiden Bezeichnungen von tenure oder tenementum, und die von estate.
Der Ausdruck „tenure“ nämlich bedeutet kurz geſagt den Rechts- titel auf den Grundbeſitz, inſofern derſelbe aus dem feodal system ſtammt. Tenere bedeutet den Beſitz unter dem oberſten Recht eines andern halten. Dieß Recht hat nun hier wie immer gewiſſe Modi- fikationen, die theils aus dem lehnsrechtlichen Erwerb des Beſitzes, theils aus den lehnsrechtlichen Verpflichtungen, die mit dem Beſitze ver- bunden ſind, hervorgehen. Jede dieſer Modifikationen heißt nun eine beſondere Art der „tenure,“ die in vier Hauptarten zerfielen, te- nure in capite, tenure in soccage, tenure in villenagium privilegia- tum und tenure in villenagium — die erſte die der Barone der nor- manniſchen Eroberer, die zweite die der freien Angelſachſen, die dritte die der Freien auf unfreiem Boden, die vierte die der Unfreien auf unfreiem Gut. Von dieſen tenures betrifft nun das Stat. 12. Ch. II. 24. nur die beiden erſten, und gibt ihnen an der Stelle des Lehns- eigenthums das bürgerliche Eigenthumsrecht. Für dieſe verſchwindet
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daran feſthalten, daß es ſich zunächſt gar nicht auf die bisher unfreie
Klaſſe, alſo auch nicht auf den copyhold oder die Reſte des villenagium
bezieht, ſondern nur auf die ganze Klaſſe des freien Eigenthums, das
dem Namen nach nach dem feodal system als Eigenthum des Königs
galt. Für dieſe Klaſſe iſt die Anerkennung des freien und vollgültigen
Eigenthums durch jenes Geſetz, nämlich das formelle Ende des
oben dargeſtellten, ſpecifiſch engliſchen feodal system. Das
Obereigenthum der Krone an jeden Grundbeſitz iſt aufgegeben, und
an ſeine Stelle tritt das individuelle Eigenthumsrecht des rechtmäßigen
Beſitzers. Dieſen Uebergang macht das engliſche Recht durch, ohne
daß der Gedanke einer Entſchädigung jemals aufgetreten, und ander-
ſeits, ohne daß die Beſeitigung öffentlicher Verwaltungs- oder Polizei-
rechte nöthig geweſen wäre, da die Lords eben keine Patrimonialjuris-
diction jemals anders als über die villeins en gros beſeſſen, und auch
dieſe durch das ſtatutariſche Recht der wages und durch die Manu-
miſſionen verloren hatten. Das Ende des feodal system iſt daher
die Herſtellung des Privateigenthums an die Stelle des lehnsrecht-
lichen Eigenthumsſyſtems für die Großgrundbeſitzer. Allein die weitere
Frage iſt nun die, ob jenes Geſetz auch direkte oder indirekte Folgen
gerade für die zweite Klaſſe des Grundbeſitzes, die wir bezeichneten,
gehabt hat, und ob es damit eigentlich dem Proceſſe der Entlaſtung
angehört.
Um dieß zu erklären, müſſen wir auf zwei Ausdrücke hier eingehen,
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ſind die beiden Bezeichnungen von tenure oder tenementum, und die
von estate.
Der Ausdruck „tenure“ nämlich bedeutet kurz geſagt den Rechts-
titel auf den Grundbeſitz, inſofern derſelbe aus dem feodal system
ſtammt. Tenere bedeutet den Beſitz unter dem oberſten Recht eines
andern halten. Dieß Recht hat nun hier wie immer gewiſſe Modi-
fikationen, die theils aus dem lehnsrechtlichen Erwerb des Beſitzes,
theils aus den lehnsrechtlichen Verpflichtungen, die mit dem Beſitze ver-
bunden ſind, hervorgehen. Jede dieſer Modifikationen heißt nun
eine beſondere Art der „tenure,“ die in vier Hauptarten zerfielen, te-
nure in capite, tenure in soccage, tenure in villenagium privilegia-
tum und tenure in villenagium — die erſte die der Barone der nor-
manniſchen Eroberer, die zweite die der freien Angelſachſen, die dritte
die der Freien auf unfreiem Boden, die vierte die der Unfreien auf
unfreiem Gut. Von dieſen tenures betrifft nun das Stat. 12. Ch. II. 24.
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eigenthums das bürgerliche Eigenthumsrecht. Für dieſe verſchwindet
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/143>, abgerufen am 16.02.2025.
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