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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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In der That enthält der Uebergang vom villein auf seine privi-
leged tenure
zum copyholder nur zwei von den oben erwähnten
Klassen der Geschlechterunfreiheit. Er bezieht sich nur auf die persönlich
Freien, die lange Zeit auf unfreiem Boden saßen, und auf die persön-
lich Unfreien, die aus der ungemessenen Frohnde der villeins in feste
Rechtsverhältnisse übertraten. Er hat daher nur mit denen zu thun,
welche einen Grundbesitz haben. Diese nun macht er so gut als frei,
wenn auch der Grund und Boden zum Theil sehr schwere Lasten an
den Lord zu tragen hat; die Freiheit derselben ist eine Thatsache, lange
bevor sie ein Recht wird. Allein es bleibt noch eine vierte große Klasse
übrig, und das ist die der persönlich Unfreien, die keinen Grund-
besitz haben, die villeins en gros, und die dem Lord ursprünglich leib-
eigen angehören. Nun ist es zwar klar, daß auch diese nicht lange in
jener absoluten Unfreiheit bleiben konnten, da neben ihnen alles frei
ward. Ein großer Theil derselben ging nun zwar allmählig in die
Klasse der villeins regardant als Hintersassen des Lord gegen das
servitium über; allein ein anderer Theil erhielt eine solche Hufe ent-
weder nicht oder wollte sie vielleicht nicht haben. Das Schicksal dieser
letzten Klasse und ihre Befreiung bildet daher das letzte Gebiet der Ge-
schichte der englischen Freiheit der Geschlechterordnung. Leider ist es
sehr schwierig, die Sache hier im Einzelnen zu verfolgen, da mit der
Anknüpfung an den Grundbesitz der feste Rechtstitel fehlt. Im Großen
und Ganzen aber mögen es zwei Hauptpunkte gewesen sein, welche
auch hier die Entscheidung brachten.

Der erste Punkt bestand in den unmittelbaren Freilassungen,
den manumissions, die bereits seit dem 12. Jahrhundert sehr all-
gemein werden, und hauptsächlich von der Kirche ausgegangen sind.
Schon das große Concilium von Westminster, 1102, erklärte, "daß
niemand sich unterfangen solle (nemo presumat), den verdammlichen
Handel des Verkaufes von Menschen auf dem Markte weiter zu treiben,
der bisher allgemeine Sitte in England gewesen." (Eadwrd bei
Eden I, 10.) In dieser Richtung wirkten dann die einzelnen Geist-
lichen weiter. Thomas Smith in seinem Common wealth (1635)
gibt an, daß viele Herren auf Andrängen der Geistlichen ihre Leib-
eigenen befreiten (S. 250). Sehr gut charakterisirt Eden a. a. O.
S. 10 das Verhältniß: "It is not unreasonable to suppose that the
clergy, whose learning in a dark age had given them the exclu-
sive possession of the Courts of Justice, should in interpreting
the law avail themselves of many subtleties which, while they
accorded with christian charity at the same time enabled them
to lessen the formidable power of their great rivals, temporal

In der That enthält der Uebergang vom villein auf ſeine privi-
leged tenure
zum copyholder nur zwei von den oben erwähnten
Klaſſen der Geſchlechterunfreiheit. Er bezieht ſich nur auf die perſönlich
Freien, die lange Zeit auf unfreiem Boden ſaßen, und auf die perſön-
lich Unfreien, die aus der ungemeſſenen Frohnde der villeins in feſte
Rechtsverhältniſſe übertraten. Er hat daher nur mit denen zu thun,
welche einen Grundbeſitz haben. Dieſe nun macht er ſo gut als frei,
wenn auch der Grund und Boden zum Theil ſehr ſchwere Laſten an
den Lord zu tragen hat; die Freiheit derſelben iſt eine Thatſache, lange
bevor ſie ein Recht wird. Allein es bleibt noch eine vierte große Klaſſe
übrig, und das iſt die der perſönlich Unfreien, die keinen Grund-
beſitz haben, die villeins en gros, und die dem Lord urſprünglich leib-
eigen angehören. Nun iſt es zwar klar, daß auch dieſe nicht lange in
jener abſoluten Unfreiheit bleiben konnten, da neben ihnen alles frei
ward. Ein großer Theil derſelben ging nun zwar allmählig in die
Klaſſe der villeins regardant als Hinterſaſſen des Lord gegen das
servitium über; allein ein anderer Theil erhielt eine ſolche Hufe ent-
weder nicht oder wollte ſie vielleicht nicht haben. Das Schickſal dieſer
letzten Klaſſe und ihre Befreiung bildet daher das letzte Gebiet der Ge-
ſchichte der engliſchen Freiheit der Geſchlechterordnung. Leider iſt es
ſehr ſchwierig, die Sache hier im Einzelnen zu verfolgen, da mit der
Anknüpfung an den Grundbeſitz der feſte Rechtstitel fehlt. Im Großen
und Ganzen aber mögen es zwei Hauptpunkte geweſen ſein, welche
auch hier die Entſcheidung brachten.

Der erſte Punkt beſtand in den unmittelbaren Freilaſſungen,
den manumissions, die bereits ſeit dem 12. Jahrhundert ſehr all-
gemein werden, und hauptſächlich von der Kirche ausgegangen ſind.
Schon das große Concilium von Weſtminſter, 1102, erklärte, „daß
niemand ſich unterfangen ſolle (nemo presumat), den verdammlichen
Handel des Verkaufes von Menſchen auf dem Markte weiter zu treiben,
der bisher allgemeine Sitte in England geweſen.“ (Eadwrd bei
Eden I, 10.) In dieſer Richtung wirkten dann die einzelnen Geiſt-
lichen weiter. Thomas Smith in ſeinem Common wealth (1635)
gibt an, daß viele Herren auf Andrängen der Geiſtlichen ihre Leib-
eigenen befreiten (S. 250). Sehr gut charakteriſirt Eden a. a. O.
S. 10 das Verhältniß: „It is not unreasonable to suppose that the
clergy, whose learning in a dark age had given them the exclu-
sive possession of the Courts of Justice, should in interpreting
the law avail themselves of many subtleties which, while they
accorded with christian charity at the same time enabled them
to lessen the formidable power of their great rivals, temporal

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[121/0139] In der That enthält der Uebergang vom villein auf ſeine privi- leged tenure zum copyholder nur zwei von den oben erwähnten Klaſſen der Geſchlechterunfreiheit. Er bezieht ſich nur auf die perſönlich Freien, die lange Zeit auf unfreiem Boden ſaßen, und auf die perſön- lich Unfreien, die aus der ungemeſſenen Frohnde der villeins in feſte Rechtsverhältniſſe übertraten. Er hat daher nur mit denen zu thun, welche einen Grundbeſitz haben. Dieſe nun macht er ſo gut als frei, wenn auch der Grund und Boden zum Theil ſehr ſchwere Laſten an den Lord zu tragen hat; die Freiheit derſelben iſt eine Thatſache, lange bevor ſie ein Recht wird. Allein es bleibt noch eine vierte große Klaſſe übrig, und das iſt die der perſönlich Unfreien, die keinen Grund- beſitz haben, die villeins en gros, und die dem Lord urſprünglich leib- eigen angehören. Nun iſt es zwar klar, daß auch dieſe nicht lange in jener abſoluten Unfreiheit bleiben konnten, da neben ihnen alles frei ward. Ein großer Theil derſelben ging nun zwar allmählig in die Klaſſe der villeins regardant als Hinterſaſſen des Lord gegen das servitium über; allein ein anderer Theil erhielt eine ſolche Hufe ent- weder nicht oder wollte ſie vielleicht nicht haben. Das Schickſal dieſer letzten Klaſſe und ihre Befreiung bildet daher das letzte Gebiet der Ge- ſchichte der engliſchen Freiheit der Geſchlechterordnung. Leider iſt es ſehr ſchwierig, die Sache hier im Einzelnen zu verfolgen, da mit der Anknüpfung an den Grundbeſitz der feſte Rechtstitel fehlt. Im Großen und Ganzen aber mögen es zwei Hauptpunkte geweſen ſein, welche auch hier die Entſcheidung brachten. Der erſte Punkt beſtand in den unmittelbaren Freilaſſungen, den manumissions, die bereits ſeit dem 12. Jahrhundert ſehr all- gemein werden, und hauptſächlich von der Kirche ausgegangen ſind. Schon das große Concilium von Weſtminſter, 1102, erklärte, „daß niemand ſich unterfangen ſolle (nemo presumat), den verdammlichen Handel des Verkaufes von Menſchen auf dem Markte weiter zu treiben, der bisher allgemeine Sitte in England geweſen.“ (Eadwrd bei Eden I, 10.) In dieſer Richtung wirkten dann die einzelnen Geiſt- lichen weiter. Thomas Smith in ſeinem Common wealth (1635) gibt an, daß viele Herren auf Andrängen der Geiſtlichen ihre Leib- eigenen befreiten (S. 250). Sehr gut charakteriſirt Eden a. a. O. S. 10 das Verhältniß: „It is not unreasonable to suppose that the clergy, whose learning in a dark age had given them the exclu- sive possession of the Courts of Justice, should in interpreting the law avail themselves of many subtleties which, while they accorded with christian charity at the same time enabled them to lessen the formidable power of their great rivals, temporal

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/139>, abgerufen am 28.04.2024.