Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.Grafschaft Norfolk hatte nur 66 Grundherren, Hugh de Alvincis bekam Dieses feodal system beruht darauf, daß der König durch die Er- Grafſchaft Norfolk hatte nur 66 Grundherren, Hugh de Alvincis bekam Dieſes feodal system beruht darauf, daß der König durch die Er- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0130" n="112"/> Grafſchaft Norfolk hatte nur 66 Grundherren, Hugh de Alvincis bekam<lb/> vom Könige Wilhelm dem Eroberer das ganze Palatinat von Cheſter.<lb/> (<hi rendition="#g">Eden</hi> <hi rendition="#aq">I.</hi> 54.) Eine völlige Unterwerfung war daher gleich anfangs faktiſch<lb/> unthunlich und die Eroberer mußten ſich begnügen eine gewiſſe Oberherr-<lb/> lichkeit auszuüben, die mehr durch die Natur der gegebenen Verhältniſſe<lb/> als durch ihren guten Willen beſtimmt ward. Dieſe Oberherrlichkeit nun<lb/> kann in Princip und Entwicklung nicht verſtanden werden, ohne das,<lb/> was die Engländer unter ihrem <hi rendition="#aq">feodal system</hi> im Gegenſatz zu dem<lb/> alten Recht verſtehen.</p><lb/> <p>Dieſes <hi rendition="#aq">feodal system</hi> beruht darauf, daß der König durch die Er-<lb/> oberung rechtlich als einziger <hi rendition="#g">Eigenthümer alles</hi> Grundes und<lb/> Bodens angeſehen wird. Diejenigen, welche vom Könige direkt mit<lb/> Herrſchaften, Grafſchaften und Ländern belehnt werden, ſind die <hi rendition="#aq">te-<lb/> nants in capite</hi>. <hi rendition="#g">Alle</hi> diejenigen, welche einen Grundbeſitz innerhalb<lb/> der vom Könige an den <hi rendition="#aq">tenant in capite</hi> belehnten Marken haben,<lb/> erſcheinen daher zwar auch als ſitzend auf dem Grund und Boden des<lb/> Königs, aber als Vaſallen der <hi rendition="#aq">tenants in capite;</hi> dieſe können wieder<lb/><hi rendition="#aq">subtenentes</hi> haben; immer aber bleibt der König nicht bloß Lehens-<lb/> herr, ſondern <hi rendition="#g">Obereigenthümer</hi>. Der ſchlagendſte Unterſchied zwiſchen<lb/> dieſem Syſtem des Grundbeſitzes und dem des Continents beſteht daher<lb/> darin, daß es keinen Unterſchied zwiſchen <hi rendition="#aq">Allodium</hi> und <hi rendition="#aq">Feudum</hi> gibt,<lb/> ſondern daß <hi rendition="#g">alles</hi> Land <hi rendition="#aq">Feudum</hi> des Königs iſt, und daher für alle<lb/> Grundbeſitzer das <hi rendition="#g">Princip der Gleichheit des Rechts</hi> an dem<lb/> Grund und Boden gilt, wenn auch innerhalb dieſer Gleichheit gewiſſe<lb/> Stufen vorhanden ſind, die aber doch zuletzt alle in jenem Rechte des<lb/> Königs zuſammen laufen. Auch der niedrigſte <hi rendition="#aq">villein,</hi> wenn er ein-<lb/> mal zu irgend einem Grundbeſitz gelangt war, gleichviel in welcher Form,<lb/> ſtand daher dem Rechte nach nicht bloß unter dem verleihenden <hi rendition="#aq">Lord<lb/> of the manor,</hi> ſondern zugleich unter dem Könige als eigentlich und<lb/> wahrem <hi rendition="#g">Eigenthümer</hi>, den der Lord nur vertrat. Das war die Seite<lb/> jenes <hi rendition="#aq">feodal system,</hi> mit dem daſſelbe in ſo entſcheidender Weiſe in<lb/> die innere Rechtsbildung und geſellſchaftliche Entwicklung Englands ein-<lb/> gegriffen hat, und das ſo wenig <hi rendition="#g">Gneiſt</hi> als <hi rendition="#g">Zöpfl</hi> (Alterthümer des<lb/> deutſchen Reiches und Rechtes <hi rendition="#aq">I.</hi> Nr. <hi rendition="#aq">V.</hi>) richtig erkannt haben. Die<lb/> Geſchichte der Freiheit in der Geſchlechterordnung hat es nun nicht mit<lb/> dem Verhältniß der vermöge dieſes <hi rendition="#aq">feodal system</hi> herrſchenden Klaſſe zum<lb/> Königthum, ſondern eben mit dem der unterſten beherrſchten Klaſſe<lb/> zu den herrſchenden Beſitzern zu thun, was die bisherigen Bearbeiter,<lb/> die mehr an den Staat, als an das Volk dachten, ſo gut als gänzlich<lb/> überſehen haben. In der That kam es jetzt nur darauf an, auch dem<lb/> unterſten <hi rendition="#aq">villein</hi> in ein rechtlich beſtimmtes Verhältniß zum Grund und<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [112/0130]
Grafſchaft Norfolk hatte nur 66 Grundherren, Hugh de Alvincis bekam
vom Könige Wilhelm dem Eroberer das ganze Palatinat von Cheſter.
(Eden I. 54.) Eine völlige Unterwerfung war daher gleich anfangs faktiſch
unthunlich und die Eroberer mußten ſich begnügen eine gewiſſe Oberherr-
lichkeit auszuüben, die mehr durch die Natur der gegebenen Verhältniſſe
als durch ihren guten Willen beſtimmt ward. Dieſe Oberherrlichkeit nun
kann in Princip und Entwicklung nicht verſtanden werden, ohne das,
was die Engländer unter ihrem feodal system im Gegenſatz zu dem
alten Recht verſtehen.
Dieſes feodal system beruht darauf, daß der König durch die Er-
oberung rechtlich als einziger Eigenthümer alles Grundes und
Bodens angeſehen wird. Diejenigen, welche vom Könige direkt mit
Herrſchaften, Grafſchaften und Ländern belehnt werden, ſind die te-
nants in capite. Alle diejenigen, welche einen Grundbeſitz innerhalb
der vom Könige an den tenant in capite belehnten Marken haben,
erſcheinen daher zwar auch als ſitzend auf dem Grund und Boden des
Königs, aber als Vaſallen der tenants in capite; dieſe können wieder
subtenentes haben; immer aber bleibt der König nicht bloß Lehens-
herr, ſondern Obereigenthümer. Der ſchlagendſte Unterſchied zwiſchen
dieſem Syſtem des Grundbeſitzes und dem des Continents beſteht daher
darin, daß es keinen Unterſchied zwiſchen Allodium und Feudum gibt,
ſondern daß alles Land Feudum des Königs iſt, und daher für alle
Grundbeſitzer das Princip der Gleichheit des Rechts an dem
Grund und Boden gilt, wenn auch innerhalb dieſer Gleichheit gewiſſe
Stufen vorhanden ſind, die aber doch zuletzt alle in jenem Rechte des
Königs zuſammen laufen. Auch der niedrigſte villein, wenn er ein-
mal zu irgend einem Grundbeſitz gelangt war, gleichviel in welcher Form,
ſtand daher dem Rechte nach nicht bloß unter dem verleihenden Lord
of the manor, ſondern zugleich unter dem Könige als eigentlich und
wahrem Eigenthümer, den der Lord nur vertrat. Das war die Seite
jenes feodal system, mit dem daſſelbe in ſo entſcheidender Weiſe in
die innere Rechtsbildung und geſellſchaftliche Entwicklung Englands ein-
gegriffen hat, und das ſo wenig Gneiſt als Zöpfl (Alterthümer des
deutſchen Reiches und Rechtes I. Nr. V.) richtig erkannt haben. Die
Geſchichte der Freiheit in der Geſchlechterordnung hat es nun nicht mit
dem Verhältniß der vermöge dieſes feodal system herrſchenden Klaſſe zum
Königthum, ſondern eben mit dem der unterſten beherrſchten Klaſſe
zu den herrſchenden Beſitzern zu thun, was die bisherigen Bearbeiter,
die mehr an den Staat, als an das Volk dachten, ſo gut als gänzlich
überſehen haben. In der That kam es jetzt nur darauf an, auch dem
unterſten villein in ein rechtlich beſtimmtes Verhältniß zum Grund und
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