Vergleichung der wirthschaftlichen Fachbildungssysteme und Anstalten noch nicht thunlich. Es muß genügen, diejenigen Punkte hervorzuheben, welche den Charakter derselben bilden.
Dieser Charakter beruht zuerst auf dem Verhältniß zur wirth- schaftlichen Vorbildung, namentlich dem Realschulsystem; maßgebend ist die Entscheidung über die Frage, ob ein Abgangszeugniß des letzteren für den Eintritt in die ersteren gefordert wird oder nicht.
Das Verhältniß des wirthschaftlichen Fachbildungssystemes zum ge- sammten Bildungswesen ist in der systematischen Aufstellung von Special- schulen einerseits und für die höhere Bildung wesentlich in der Berück- sichtigung der Staatswissenschaften als Lehr- und Prüfungsgegen- stand gegeben.
Die Auffassung des Bildungsprocesses und seines Umfanges ist ausgedrückt in dem Klassensystem, welches das Lehrsystem in sich aufnimmt und damit den Umfang der speciellen Fachbildung charakterisirt.
Das Verhältniß derselben zum öffentlichen Dienst und damit die formelle und öffentliche Anerkennung des Berufes ist gegeben durch das Prüfungssystem und zwar wesentlich durch die Bestimmung, ob und wie weit die bestandene Prüfung das öffentliche Recht zur Ausübung des Berufes gibt.
Neben dem, in jenen Momenten gegebenen System der Staats- anstalten der wirthschaftlichen Fachbildung sind nun die Privatanstalten, die Verkehrs- oder Handelsschulen, von nicht geringer Bedeutung. Sie sind noch sehr örtlich, aber im Wesentlichen gleichartig. Das Erste wäre hier, eine tüchtige und nach speciellen Gesichtspunkten zu Werke gehende Statistik derselben aufzustellen, wie Brachelli sie in seinen Staaten Europas begonnen hat. Erst dann dürfte eine systematische Behand- lung des positiven Rechts mit Erfolg thunlich sein. Die Hauptdaten sind vor der Hand folgende.
Oesterreich. System: 1) Polytechnisches Institut (Organ. Statut vom 17. Okt. 1865. Allgemeine Abtheilung; vier Fachschulen (Bau, Maschinen, Chemie). Voraussetzung: Realschulprüfung oder Obergymnasien. Jahreszeugnisse; Abgangsprüfung mit Diplom; Lehrer- wesen dem Universitätswesen nachgebildet. Staatswissenschaften dabei nicht obligat und kein Gegenstand der Prüfung (höhere Gewerbeschulen fehlen dafür). (Technisches) Johanneum in Graz. 2) Landwirth- schaftliche Lehranstalt. Eine in Ungarisch-Altenburg (Organ. vom 31. Okt. 1850) mit zweijährigem Curs. 3) Forstlehranstalt: eine in Mariabrunn (Organ. vom 27. April 1852). 4) Bergwesen: Berg- Akademie zu Chemnitz (Organ. vom 25. März 1851). Bergschulen in Vordernberg (Organ. vom 21. Sept. 1848), Leoben und Przibram
Vergleichung der wirthſchaftlichen Fachbildungsſyſteme und Anſtalten noch nicht thunlich. Es muß genügen, diejenigen Punkte hervorzuheben, welche den Charakter derſelben bilden.
Dieſer Charakter beruht zuerſt auf dem Verhältniß zur wirth- ſchaftlichen Vorbildung, namentlich dem Realſchulſyſtem; maßgebend iſt die Entſcheidung über die Frage, ob ein Abgangszeugniß des letzteren für den Eintritt in die erſteren gefordert wird oder nicht.
Das Verhältniß des wirthſchaftlichen Fachbildungsſyſtemes zum ge- ſammten Bildungsweſen iſt in der ſyſtematiſchen Aufſtellung von Special- ſchulen einerſeits und für die höhere Bildung weſentlich in der Berück- ſichtigung der Staatswiſſenſchaften als Lehr- und Prüfungsgegen- ſtand gegeben.
Die Auffaſſung des Bildungsproceſſes und ſeines Umfanges iſt ausgedrückt in dem Klaſſenſyſtem, welches das Lehrſyſtem in ſich aufnimmt und damit den Umfang der ſpeciellen Fachbildung charakteriſirt.
Das Verhältniß derſelben zum öffentlichen Dienſt und damit die formelle und öffentliche Anerkennung des Berufes iſt gegeben durch das Prüfungsſyſtem und zwar weſentlich durch die Beſtimmung, ob und wie weit die beſtandene Prüfung das öffentliche Recht zur Ausübung des Berufes gibt.
Neben dem, in jenen Momenten gegebenen Syſtem der Staats- anſtalten der wirthſchaftlichen Fachbildung ſind nun die Privatanſtalten, die Verkehrs- oder Handelsſchulen, von nicht geringer Bedeutung. Sie ſind noch ſehr örtlich, aber im Weſentlichen gleichartig. Das Erſte wäre hier, eine tüchtige und nach ſpeciellen Geſichtspunkten zu Werke gehende Statiſtik derſelben aufzuſtellen, wie Brachelli ſie in ſeinen Staaten Europas begonnen hat. Erſt dann dürfte eine ſyſtematiſche Behand- lung des poſitiven Rechts mit Erfolg thunlich ſein. Die Hauptdaten ſind vor der Hand folgende.
Oeſterreich. Syſtem: 1) Polytechniſches Inſtitut (Organ. Statut vom 17. Okt. 1865. Allgemeine Abtheilung; vier Fachſchulen (Bau, Maſchinen, Chemie). Vorausſetzung: Realſchulprüfung oder Obergymnaſien. Jahreszeugniſſe; Abgangsprüfung mit Diplom; Lehrer- weſen dem Univerſitätsweſen nachgebildet. Staatswiſſenſchaften dabei nicht obligat und kein Gegenſtand der Prüfung (höhere Gewerbeſchulen fehlen dafür). (Techniſches) Johanneum in Graz. 2) Landwirth- ſchaftliche Lehranſtalt. Eine in Ungariſch-Altenburg (Organ. vom 31. Okt. 1850) mit zweijährigem Curs. 3) Forſtlehranſtalt: eine in Mariabrunn (Organ. vom 27. April 1852). 4) Bergweſen: Berg- Akademie zu Chemnitz (Organ. vom 25. März 1851). Bergſchulen in Vordernberg (Organ. vom 21. Sept. 1848), Leoben und Przibram
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Vergleichung der wirthſchaftlichen Fachbildungsſyſteme und Anſtalten
noch nicht thunlich. Es muß genügen, diejenigen Punkte hervorzuheben,
welche den Charakter derſelben bilden.
Dieſer Charakter beruht zuerſt auf dem Verhältniß zur wirth-
ſchaftlichen Vorbildung, namentlich dem Realſchulſyſtem; maßgebend iſt
die Entſcheidung über die Frage, ob ein Abgangszeugniß des letzteren
für den Eintritt in die erſteren gefordert wird oder nicht.
Das Verhältniß des wirthſchaftlichen Fachbildungsſyſtemes zum ge-
ſammten Bildungsweſen iſt in der ſyſtematiſchen Aufſtellung von Special-
ſchulen einerſeits und für die höhere Bildung weſentlich in der Berück-
ſichtigung der Staatswiſſenſchaften als Lehr- und Prüfungsgegen-
ſtand gegeben.
Die Auffaſſung des Bildungsproceſſes und ſeines Umfanges iſt
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aufnimmt und damit den Umfang der ſpeciellen Fachbildung charakteriſirt.
Das Verhältniß derſelben zum öffentlichen Dienſt und damit die
formelle und öffentliche Anerkennung des Berufes iſt gegeben durch das
Prüfungsſyſtem und zwar weſentlich durch die Beſtimmung, ob und
wie weit die beſtandene Prüfung das öffentliche Recht zur Ausübung
des Berufes gibt.
Neben dem, in jenen Momenten gegebenen Syſtem der Staats-
anſtalten der wirthſchaftlichen Fachbildung ſind nun die Privatanſtalten,
die Verkehrs- oder Handelsſchulen, von nicht geringer Bedeutung. Sie
ſind noch ſehr örtlich, aber im Weſentlichen gleichartig. Das Erſte wäre
hier, eine tüchtige und nach ſpeciellen Geſichtspunkten zu Werke gehende
Statiſtik derſelben aufzuſtellen, wie Brachelli ſie in ſeinen Staaten
Europas begonnen hat. Erſt dann dürfte eine ſyſtematiſche Behand-
lung des poſitiven Rechts mit Erfolg thunlich ſein. Die Hauptdaten
ſind vor der Hand folgende.
Oeſterreich. Syſtem: 1) Polytechniſches Inſtitut (Organ.
Statut vom 17. Okt. 1865. Allgemeine Abtheilung; vier Fachſchulen
(Bau, Maſchinen, Chemie). Vorausſetzung: Realſchulprüfung oder
Obergymnaſien. Jahreszeugniſſe; Abgangsprüfung mit Diplom; Lehrer-
weſen dem Univerſitätsweſen nachgebildet. Staatswiſſenſchaften dabei
nicht obligat und kein Gegenſtand der Prüfung (höhere Gewerbeſchulen
fehlen dafür). (Techniſches) Johanneum in Graz. 2) Landwirth-
ſchaftliche Lehranſtalt. Eine in Ungariſch-Altenburg (Organ. vom
31. Okt. 1850) mit zweijährigem Curs. 3) Forſtlehranſtalt: eine in
Mariabrunn (Organ. vom 27. April 1852). 4) Bergweſen: Berg-
Akademie zu Chemnitz (Organ. vom 25. März 1851). Bergſchulen
in Vordernberg (Organ. vom 21. Sept. 1848), Leoben und Przibram
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/306>, abgerufen am 18.07.2024.
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