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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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kann. Das Mittel dafür ist zunächst ein Prüfungswesen. Aus demselben
erzeugt sich von selbst ein gesetzlicher Studienplan, mit der Pflicht der
Schüler, sich nach demselben zu verhalten. Der Regel nach ist derselbe
sehr minutiös und strenge gehalten und darauf berechnet, die Selbst-
thätigkeit der Lernenden durch Arbeiten in und für die Anstalt fast ganz
zu ersetzen. Das ist ein Mangel. Der Begriff der Lernfreiheit existirt
noch gar nicht
für diese wirthschaftliche Fachbildung; aber er wird auch
kommen. Und für sie wie für die gelehrte Bildung sprechen wir den Satz
aus, daß auch hier der Bildungsproceß in zwei Elementen besteht, von
denen keins das andere ganz absorbiren darf, in dem Elemente des ob-
jektiven Lernens und dem der subjektiven Selbstthätigkeit. Völlige Lern-
freiheit unter Aufhebung jeder Vorschrift ist eben so falsch als völlige
Absorbirung der gesammten Lernkraft durch zu große Zahl von obligaten
Fächern. Die Neigung wendet sich jetzt nach der letztern Richtung zu.
Der Gegensatz wird kommen. In dem richtigen Maße für beide liegt
das Wahre, weil es der Natur der beiden Faktoren entspricht. Die
Fachmänner sollen für jede Art der Fachbildung dieß Maß finden. Die
Verwaltungslehre hat an dem obigen Princip festzuhalten.

Dem entsprechend kann die Verwaltung ein Prüfungssystem als
rechtliche Bedingung der Berufsausübung nur für diejenigen Fächer
aufstellen, in denen aus volkswirtschaftlichen Rücksichten jenes Mini-
mum gefordert werden muß; nicht bloß für die Staatsbeamteten (Zoll-,
Steuer-, Grundbuch-, Post-, Forst-, Bau- u. s. w.), sondern auch für rein
wirthschaftliche Erwerbszweige (Civilbau, Maschinenbau etc.). Wo da-
gegen dieß nicht der Fall ist, muß sie statt eines Rechts der bestan-
denen Prüfung ein Recht auf Bestehen der Prüfung und mithin
auf Ertheilung eines Zeugnisses anerkennen, und die Lehrer ver-
pflichten, ein solches zu ertheilen, es dem Einzelnen und dem Publikum
überlassend, diesen Zeugnissen den ihnen geeignet scheinenden Werth beizu-
legen. Daß sie einen solchen haben und behalten werden, wird wohl
nicht in Frage stehen; nicht das letzte Element desselben besteht in dem
indirekten Einfluß, den ein solcher Werth auf die Anstrengungen des
Lehrkörpers ausübt; denn dieser Werth ist die öffentliche Ehre des letztern.

Demgemäß nun dürfen wir zur Verdeutlichung dieser Sätze viel-
leicht auch hier ein Schema aufstellen.

Wirthschaftliche Fachbildung.

A. Produktionsschulen (etwa vierjähriger Cursus).
Erster Theil: Cursus der Specialanstalten. Vorbildung
auf einer der beiden Vorbildungsanstalten. Abgangszeugniß
derselben als Aufnahmszeugniß. Etwa dreijähriger Cursus.
Jede hat eigenen Lehrplan. Abgangsprüfung.

kann. Das Mittel dafür iſt zunächſt ein Prüfungsweſen. Aus demſelben
erzeugt ſich von ſelbſt ein geſetzlicher Studienplan, mit der Pflicht der
Schüler, ſich nach demſelben zu verhalten. Der Regel nach iſt derſelbe
ſehr minutiös und ſtrenge gehalten und darauf berechnet, die Selbſt-
thätigkeit der Lernenden durch Arbeiten in und für die Anſtalt faſt ganz
zu erſetzen. Das iſt ein Mangel. Der Begriff der Lernfreiheit exiſtirt
noch gar nicht
für dieſe wirthſchaftliche Fachbildung; aber er wird auch
kommen. Und für ſie wie für die gelehrte Bildung ſprechen wir den Satz
aus, daß auch hier der Bildungsproceß in zwei Elementen beſteht, von
denen keins das andere ganz abſorbiren darf, in dem Elemente des ob-
jektiven Lernens und dem der ſubjektiven Selbſtthätigkeit. Völlige Lern-
freiheit unter Aufhebung jeder Vorſchrift iſt eben ſo falſch als völlige
Abſorbirung der geſammten Lernkraft durch zu große Zahl von obligaten
Fächern. Die Neigung wendet ſich jetzt nach der letztern Richtung zu.
Der Gegenſatz wird kommen. In dem richtigen Maße für beide liegt
das Wahre, weil es der Natur der beiden Faktoren entſpricht. Die
Fachmänner ſollen für jede Art der Fachbildung dieß Maß finden. Die
Verwaltungslehre hat an dem obigen Princip feſtzuhalten.

Dem entſprechend kann die Verwaltung ein Prüfungsſyſtem als
rechtliche Bedingung der Berufsausübung nur für diejenigen Fächer
aufſtellen, in denen aus volkswirtſchaftlichen Rückſichten jenes Mini-
mum gefordert werden muß; nicht bloß für die Staatsbeamteten (Zoll-,
Steuer-, Grundbuch-, Poſt-, Forſt-, Bau- u. ſ. w.), ſondern auch für rein
wirthſchaftliche Erwerbszweige (Civilbau, Maſchinenbau ꝛc.). Wo da-
gegen dieß nicht der Fall iſt, muß ſie ſtatt eines Rechts der beſtan-
denen Prüfung ein Recht auf Beſtehen der Prüfung und mithin
auf Ertheilung eines Zeugniſſes anerkennen, und die Lehrer ver-
pflichten, ein ſolches zu ertheilen, es dem Einzelnen und dem Publikum
überlaſſend, dieſen Zeugniſſen den ihnen geeignet ſcheinenden Werth beizu-
legen. Daß ſie einen ſolchen haben und behalten werden, wird wohl
nicht in Frage ſtehen; nicht das letzte Element deſſelben beſteht in dem
indirekten Einfluß, den ein ſolcher Werth auf die Anſtrengungen des
Lehrkörpers ausübt; denn dieſer Werth iſt die öffentliche Ehre des letztern.

Demgemäß nun dürfen wir zur Verdeutlichung dieſer Sätze viel-
leicht auch hier ein Schema aufſtellen.

Wirthſchaftliche Fachbildung.

A. Produktionsſchulen (etwa vierjähriger Curſus).
Erſter Theil: Curſus der Specialanſtalten. Vorbildung
auf einer der beiden Vorbildungsanſtalten. Abgangszeugniß
derſelben als Aufnahmszeugniß. Etwa dreijähriger Curſus.
Jede hat eigenen Lehrplan. Abgangsprüfung.
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[276/0304] kann. Das Mittel dafür iſt zunächſt ein Prüfungsweſen. Aus demſelben erzeugt ſich von ſelbſt ein geſetzlicher Studienplan, mit der Pflicht der Schüler, ſich nach demſelben zu verhalten. Der Regel nach iſt derſelbe ſehr minutiös und ſtrenge gehalten und darauf berechnet, die Selbſt- thätigkeit der Lernenden durch Arbeiten in und für die Anſtalt faſt ganz zu erſetzen. Das iſt ein Mangel. Der Begriff der Lernfreiheit exiſtirt noch gar nicht für dieſe wirthſchaftliche Fachbildung; aber er wird auch kommen. Und für ſie wie für die gelehrte Bildung ſprechen wir den Satz aus, daß auch hier der Bildungsproceß in zwei Elementen beſteht, von denen keins das andere ganz abſorbiren darf, in dem Elemente des ob- jektiven Lernens und dem der ſubjektiven Selbſtthätigkeit. Völlige Lern- freiheit unter Aufhebung jeder Vorſchrift iſt eben ſo falſch als völlige Abſorbirung der geſammten Lernkraft durch zu große Zahl von obligaten Fächern. Die Neigung wendet ſich jetzt nach der letztern Richtung zu. Der Gegenſatz wird kommen. In dem richtigen Maße für beide liegt das Wahre, weil es der Natur der beiden Faktoren entſpricht. Die Fachmänner ſollen für jede Art der Fachbildung dieß Maß finden. Die Verwaltungslehre hat an dem obigen Princip feſtzuhalten. Dem entſprechend kann die Verwaltung ein Prüfungsſyſtem als rechtliche Bedingung der Berufsausübung nur für diejenigen Fächer aufſtellen, in denen aus volkswirtſchaftlichen Rückſichten jenes Mini- mum gefordert werden muß; nicht bloß für die Staatsbeamteten (Zoll-, Steuer-, Grundbuch-, Poſt-, Forſt-, Bau- u. ſ. w.), ſondern auch für rein wirthſchaftliche Erwerbszweige (Civilbau, Maſchinenbau ꝛc.). Wo da- gegen dieß nicht der Fall iſt, muß ſie ſtatt eines Rechts der beſtan- denen Prüfung ein Recht auf Beſtehen der Prüfung und mithin auf Ertheilung eines Zeugniſſes anerkennen, und die Lehrer ver- pflichten, ein ſolches zu ertheilen, es dem Einzelnen und dem Publikum überlaſſend, dieſen Zeugniſſen den ihnen geeignet ſcheinenden Werth beizu- legen. Daß ſie einen ſolchen haben und behalten werden, wird wohl nicht in Frage ſtehen; nicht das letzte Element deſſelben beſteht in dem indirekten Einfluß, den ein ſolcher Werth auf die Anſtrengungen des Lehrkörpers ausübt; denn dieſer Werth iſt die öffentliche Ehre des letztern. Demgemäß nun dürfen wir zur Verdeutlichung dieſer Sätze viel- leicht auch hier ein Schema aufſtellen. Wirthſchaftliche Fachbildung. A. Produktionsſchulen (etwa vierjähriger Curſus). Erſter Theil: Curſus der Specialanſtalten. Vorbildung auf einer der beiden Vorbildungsanſtalten. Abgangszeugniß derſelben als Aufnahmszeugniß. Etwa dreijähriger Curſus. Jede hat eigenen Lehrplan. Abgangsprüfung.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/304>, abgerufen am 13.05.2024.