Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

letztere unter geistlicher Verwaltung. Die Gemeinde stellt die Lehrer an,
aber die Regierung kann sie suspendiren und absetzen. Die Gemeinde
trägt die Kosten auch des Lehrers; statt der Pension sind caisses de
prevoyance
für die Lehrer errichtet (Gesetz von 1847; de Fooz a. a. O.
S. 332). Bei den Ecoles superieures und normales hat jedoch die
Regierung das Anstellungsrecht (de Fooz a. a. O. S. 345).

Holland. Lehrerbildung durch das K. Seminar seit 1816. Das
Volksschulgesetz von 1857 hat ein System von Seminaristenprüfungen
(jährlich zweimal) angeordnet, in welchen jedoch, wie es scheint (Art. 44)
nicht eben zu viel gefordert wird. Darauf wird ein Fähigkeitszeugniß aus-
gestellt (acte van bequaamheid) ohne welches niemand Elementarunterricht
geben darf. Das Minimum des Gehalts Art. 19 ff. Die Gemeinde ernennt
die Hülfslehrer; der Hauptlehrer auf Vorschlag von drei, vom Bürger-
meister vorgeschlagenen Kandidaten. Neuerdings Herstellung von mehreren
Seminarien und Uebungsschulen. Daneben Lehrerconferenzen und zahl-
reiche Lehrervereine im Anschluß an die Inspektorate; letzteres eine treff-
liche Einrichtung (S. darüber Le Roy bei Schmid Bd. III. S. 366 ff.)

D. Die Lehrordnung.
Das Schulensystem, das Klassensystem und die Bürgerschule.

I. Die Lehrordnung begreift nun ihrer formellen Definition
nach die Gesammtheit der Vorschriften über dasjenige, was als Ele-
mentarkenntniß angesehen worden, und in welcher Ordnung dasselbe
gelehrt worden ist.

So einfach und so rein pädagogisch diese Sache nun auch auf den
ersten Blick erscheint, so ergibt sich ihr hochbedeutsamer und auch syste-
matisch selbständiger Inhalt, so wie man auf das höhere Wesen der
Elementarbildung zurückgeht, und dieselbe mit der staatsbürgerlichen
und socialen Aufgabe der Verwaltung in Verbindung bringt.

Alle Elementarbildung ist nämlich die absolute Bedingung der
Bildung für alle Angehörigen des Staats und zugleich die Voraus-
setzung, und daher die Einleitung für alle Weiterbildung in allen
Zweigen des Lebens.

Man kann daher mit voller Bestimmtheit sagen, daß alle Klassen
der Gesellschaft, welche ihre Kinder für irgend einen Beruf bestimmen,
die Elementarübung für die letzteren selbst besorgen werden, ohne daß
die Verpflichtung zur Benützung der Volksschule für sie administrativ
erzwungen werden müßte. Für alle besitzenden Klassen der Gesell-
schaft im weitesten Sinne des Wortes wird daher mit Recht ange-
nommen, daß hier die Elementarbildung mit der häuslichen

letztere unter geiſtlicher Verwaltung. Die Gemeinde ſtellt die Lehrer an,
aber die Regierung kann ſie ſuſpendiren und abſetzen. Die Gemeinde
trägt die Koſten auch des Lehrers; ſtatt der Penſion ſind caisses de
prévoyance
für die Lehrer errichtet (Geſetz von 1847; de Fooz a. a. O.
S. 332). Bei den Écoles supérieures und normales hat jedoch die
Regierung das Anſtellungsrecht (de Fooz a. a. O. S. 345).

Holland. Lehrerbildung durch das K. Seminar ſeit 1816. Das
Volksſchulgeſetz von 1857 hat ein Syſtem von Seminariſtenprüfungen
(jährlich zweimal) angeordnet, in welchen jedoch, wie es ſcheint (Art. 44)
nicht eben zu viel gefordert wird. Darauf wird ein Fähigkeitszeugniß aus-
geſtellt (acte van bequaamheid) ohne welches niemand Elementarunterricht
geben darf. Das Minimum des Gehalts Art. 19 ff. Die Gemeinde ernennt
die Hülfslehrer; der Hauptlehrer auf Vorſchlag von drei, vom Bürger-
meiſter vorgeſchlagenen Kandidaten. Neuerdings Herſtellung von mehreren
Seminarien und Uebungsſchulen. Daneben Lehrerconferenzen und zahl-
reiche Lehrervereine im Anſchluß an die Inſpektorate; letzteres eine treff-
liche Einrichtung (S. darüber Le Roy bei Schmid Bd. III. S. 366 ff.)

D. Die Lehrordnung.
Das Schulenſyſtem, das Klaſſenſyſtem und die Bürgerſchule.

I. Die Lehrordnung begreift nun ihrer formellen Definition
nach die Geſammtheit der Vorſchriften über dasjenige, was als Ele-
mentarkenntniß angeſehen worden, und in welcher Ordnung daſſelbe
gelehrt worden iſt.

So einfach und ſo rein pädagogiſch dieſe Sache nun auch auf den
erſten Blick erſcheint, ſo ergibt ſich ihr hochbedeutſamer und auch ſyſte-
matiſch ſelbſtändiger Inhalt, ſo wie man auf das höhere Weſen der
Elementarbildung zurückgeht, und dieſelbe mit der ſtaatsbürgerlichen
und ſocialen Aufgabe der Verwaltung in Verbindung bringt.

Alle Elementarbildung iſt nämlich die abſolute Bedingung der
Bildung für alle Angehörigen des Staats und zugleich die Voraus-
ſetzung, und daher die Einleitung für alle Weiterbildung in allen
Zweigen des Lebens.

Man kann daher mit voller Beſtimmtheit ſagen, daß alle Klaſſen
der Geſellſchaft, welche ihre Kinder für irgend einen Beruf beſtimmen,
die Elementarübung für die letzteren ſelbſt beſorgen werden, ohne daß
die Verpflichtung zur Benützung der Volksſchule für ſie adminiſtrativ
erzwungen werden müßte. Für alle beſitzenden Klaſſen der Geſell-
ſchaft im weiteſten Sinne des Wortes wird daher mit Recht ange-
nommen, daß hier die Elementarbildung mit der häuslichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0164" n="136"/>
letztere unter gei&#x017F;tlicher Verwaltung. Die Gemeinde &#x017F;tellt die Lehrer an,<lb/>
aber die Regierung kann &#x017F;ie &#x017F;u&#x017F;pendiren und ab&#x017F;etzen. Die Gemeinde<lb/>
trägt die Ko&#x017F;ten auch des Lehrers; &#x017F;tatt der Pen&#x017F;ion &#x017F;ind <hi rendition="#aq">caisses de<lb/>
prévoyance</hi> für die Lehrer errichtet (Ge&#x017F;etz von 1847; <hi rendition="#g">de Fooz</hi> a. a. O.<lb/>
S. 332). Bei den <hi rendition="#aq">Écoles supérieures</hi> und <hi rendition="#aq">normales</hi> hat jedoch die<lb/>
Regierung das An&#x017F;tellungsrecht (<hi rendition="#g">de Fooz</hi> a. a. O. S. 345).</p><lb/>
                  <p><hi rendition="#g">Holland</hi>. Lehrerbildung durch das K. Seminar &#x017F;eit 1816. Das<lb/>
Volks&#x017F;chulge&#x017F;etz von 1857 hat ein Sy&#x017F;tem von Seminari&#x017F;tenprüfungen<lb/>
(jährlich zweimal) angeordnet, in welchen jedoch, wie es &#x017F;cheint (Art. 44)<lb/>
nicht eben zu viel gefordert wird. Darauf wird ein Fähigkeitszeugniß aus-<lb/>
ge&#x017F;tellt <hi rendition="#aq">(acte van bequaamheid)</hi> ohne welches niemand Elementarunterricht<lb/>
geben darf. Das Minimum des Gehalts Art. 19 ff. Die Gemeinde ernennt<lb/>
die Hülfslehrer; der Hauptlehrer auf Vor&#x017F;chlag von <hi rendition="#g">drei</hi>, vom Bürger-<lb/>
mei&#x017F;ter vorge&#x017F;chlagenen Kandidaten. Neuerdings Her&#x017F;tellung von mehreren<lb/>
Seminarien und Uebungs&#x017F;chulen. Daneben Lehrerconferenzen und zahl-<lb/>
reiche Lehrervereine im An&#x017F;chluß an die In&#x017F;pektorate; letzteres eine treff-<lb/>
liche Einrichtung (S. darüber <hi rendition="#g">Le Roy</hi> bei Schmid Bd. <hi rendition="#aq">III.</hi> S. 366 ff.)</p>
                </div><lb/>
                <div n="6">
                  <head><hi rendition="#aq">D.</hi><hi rendition="#g">Die Lehrordnung</hi>.<lb/>
Das Schulen&#x017F;y&#x017F;tem, das Kla&#x017F;&#x017F;en&#x017F;y&#x017F;tem und die Bürger&#x017F;chule.</head><lb/>
                  <p><hi rendition="#aq">I.</hi> Die <hi rendition="#g">Lehrordnung</hi> begreift nun ihrer formellen Definition<lb/>
nach die Ge&#x017F;ammtheit der Vor&#x017F;chriften über dasjenige, was als Ele-<lb/>
mentarkenntniß ange&#x017F;ehen worden, und in welcher Ordnung da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
gelehrt worden i&#x017F;t.</p><lb/>
                  <p>So einfach und &#x017F;o rein pädagogi&#x017F;ch die&#x017F;e Sache nun auch auf den<lb/>
er&#x017F;ten Blick er&#x017F;cheint, &#x017F;o ergibt &#x017F;ich ihr hochbedeut&#x017F;amer und auch &#x017F;y&#x017F;te-<lb/>
mati&#x017F;ch &#x017F;elb&#x017F;tändiger Inhalt, &#x017F;o wie man auf das höhere We&#x017F;en der<lb/>
Elementarbildung zurückgeht, und die&#x017F;elbe mit der &#x017F;taatsbürgerlichen<lb/>
und &#x017F;ocialen Aufgabe der Verwaltung in Verbindung bringt.</p><lb/>
                  <p>Alle Elementarbildung i&#x017F;t nämlich die ab&#x017F;olute Bedingung der<lb/>
Bildung für <hi rendition="#g">alle</hi> Angehörigen des Staats und zugleich die Voraus-<lb/>
&#x017F;etzung, und daher die Einleitung für <hi rendition="#g">alle</hi> Weiterbildung in allen<lb/>
Zweigen des Lebens.</p><lb/>
                  <p>Man kann daher mit voller Be&#x017F;timmtheit &#x017F;agen, daß alle Kla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, welche ihre Kinder für irgend einen Beruf be&#x017F;timmen,<lb/>
die Elementarübung für die letzteren &#x017F;elb&#x017F;t be&#x017F;orgen werden, ohne daß<lb/>
die Verpflichtung zur Benützung der Volks&#x017F;chule für &#x017F;ie admini&#x017F;trativ<lb/>
erzwungen werden müßte. Für alle <hi rendition="#g">be&#x017F;itzenden</hi> Kla&#x017F;&#x017F;en der Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft im weite&#x017F;ten Sinne des Wortes wird daher mit Recht ange-<lb/>
nommen, daß hier die <hi rendition="#g">Elementarbildung mit der häuslichen<lb/></hi></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0164] letztere unter geiſtlicher Verwaltung. Die Gemeinde ſtellt die Lehrer an, aber die Regierung kann ſie ſuſpendiren und abſetzen. Die Gemeinde trägt die Koſten auch des Lehrers; ſtatt der Penſion ſind caisses de prévoyance für die Lehrer errichtet (Geſetz von 1847; de Fooz a. a. O. S. 332). Bei den Écoles supérieures und normales hat jedoch die Regierung das Anſtellungsrecht (de Fooz a. a. O. S. 345). Holland. Lehrerbildung durch das K. Seminar ſeit 1816. Das Volksſchulgeſetz von 1857 hat ein Syſtem von Seminariſtenprüfungen (jährlich zweimal) angeordnet, in welchen jedoch, wie es ſcheint (Art. 44) nicht eben zu viel gefordert wird. Darauf wird ein Fähigkeitszeugniß aus- geſtellt (acte van bequaamheid) ohne welches niemand Elementarunterricht geben darf. Das Minimum des Gehalts Art. 19 ff. Die Gemeinde ernennt die Hülfslehrer; der Hauptlehrer auf Vorſchlag von drei, vom Bürger- meiſter vorgeſchlagenen Kandidaten. Neuerdings Herſtellung von mehreren Seminarien und Uebungsſchulen. Daneben Lehrerconferenzen und zahl- reiche Lehrervereine im Anſchluß an die Inſpektorate; letzteres eine treff- liche Einrichtung (S. darüber Le Roy bei Schmid Bd. III. S. 366 ff.) D. Die Lehrordnung. Das Schulenſyſtem, das Klaſſenſyſtem und die Bürgerſchule. I. Die Lehrordnung begreift nun ihrer formellen Definition nach die Geſammtheit der Vorſchriften über dasjenige, was als Ele- mentarkenntniß angeſehen worden, und in welcher Ordnung daſſelbe gelehrt worden iſt. So einfach und ſo rein pädagogiſch dieſe Sache nun auch auf den erſten Blick erſcheint, ſo ergibt ſich ihr hochbedeutſamer und auch ſyſte- matiſch ſelbſtändiger Inhalt, ſo wie man auf das höhere Weſen der Elementarbildung zurückgeht, und dieſelbe mit der ſtaatsbürgerlichen und ſocialen Aufgabe der Verwaltung in Verbindung bringt. Alle Elementarbildung iſt nämlich die abſolute Bedingung der Bildung für alle Angehörigen des Staats und zugleich die Voraus- ſetzung, und daher die Einleitung für alle Weiterbildung in allen Zweigen des Lebens. Man kann daher mit voller Beſtimmtheit ſagen, daß alle Klaſſen der Geſellſchaft, welche ihre Kinder für irgend einen Beruf beſtimmen, die Elementarübung für die letzteren ſelbſt beſorgen werden, ohne daß die Verpflichtung zur Benützung der Volksſchule für ſie adminiſtrativ erzwungen werden müßte. Für alle beſitzenden Klaſſen der Geſell- ſchaft im weiteſten Sinne des Wortes wird daher mit Recht ange- nommen, daß hier die Elementarbildung mit der häuslichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/164
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/164>, abgerufen am 23.11.2024.