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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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Einer wirklichen Vergleichung, die nur durch Reduktion auf die obigen
Kategorien möglich ist, entbehren wir. Es ist klar, von welcher entscheiden-
den Wichtigkeit sie wäre. Die Anhaltspunkte dafür dürften folgende sein.

England, Frankreich und Deutschland zeigen den verschiedenen
Charakter ihrer Gesammtauffassung am deutlichsten gerade in dem Ver-
hältniß jener Organisationen.

England hat keine Ministerial-Organisation und kann keine haben
(s. oben). Die Unklarheit in der geltenden Organisation ist jedoch -- natur-
gemäß -- eben so groß als in dem Princip des Schulwesens überhaupt.
Man muß hier drei Systeme des Organismus unterscheiden. Zuerst das
des "Committee", das unter sich 50 Schulinspektoren hat, welche jährlich
genauen Bericht erstatten. "Die Autorität dieser Behörde ist aber nur eine
moralische, keine legale," d. i. vollziehende. (Schöll in Schmids Encyklo-
pädie, Art. Großbritannien S. 87); jedoch kann sie Regulations aufstellen,
wenn die Schule Unterstützung annimmt. Zweitens ist durch Ordre in
Council
vom 25. Februar 1856 ein Education Departement mit zwei
Sektionen, dem Elementar- und dem Vorbildungsunterricht der Armen
(Dep. of Science and Art) errichtet, das unter dem Lord President steht
(s. unten und Gugler S. 198); offenbar eine provisorische Einrichtung.
Drittens bestehen neben beiden ganz selbständig die Systeme der großen
Schulvereine, namentlich das der National school und der High Church
mit ihrer an das bischöfliche System angeschlossenen Organisation: Primas
von England, Bischöfe mit zehn Pairs; die Diöcesanbehörde unter den
Bischöfen und örtlich die Dekanate (Schöll a. a. O. 89. 90). Es ist klar,
daß das Inspektionssystem aus Frankreich stammt, während das National
school System
ächt englisch-kirchlich ist. Hier ist aber noch alles im Werden.

[Tabelle]

Einer wirklichen Vergleichung, die nur durch Reduktion auf die obigen
Kategorien möglich iſt, entbehren wir. Es iſt klar, von welcher entſcheiden-
den Wichtigkeit ſie wäre. Die Anhaltspunkte dafür dürften folgende ſein.

England, Frankreich und Deutſchland zeigen den verſchiedenen
Charakter ihrer Geſammtauffaſſung am deutlichſten gerade in dem Ver-
hältniß jener Organiſationen.

England hat keine Miniſterial-Organiſation und kann keine haben
(ſ. oben). Die Unklarheit in der geltenden Organiſation iſt jedoch — natur-
gemäß — eben ſo groß als in dem Princip des Schulweſens überhaupt.
Man muß hier drei Syſteme des Organismus unterſcheiden. Zuerſt das
des „Committee“, das unter ſich 50 Schulinſpektoren hat, welche jährlich
genauen Bericht erſtatten. „Die Autorität dieſer Behörde iſt aber nur eine
moraliſche, keine legale,“ d. i. vollziehende. (Schöll in Schmids Encyklo-
pädie, Art. Großbritannien S. 87); jedoch kann ſie Regulations aufſtellen,
wenn die Schule Unterſtützung annimmt. Zweitens iſt durch Ordre in
Council
vom 25. Februar 1856 ein Education Departement mit zwei
Sektionen, dem Elementar- und dem Vorbildungsunterricht der Armen
(Dep. of Science and Art) errichtet, das unter dem Lord President ſteht
(ſ. unten und Gugler S. 198); offenbar eine proviſoriſche Einrichtung.
Drittens beſtehen neben beiden ganz ſelbſtändig die Syſteme der großen
Schulvereine, namentlich das der National school und der High Church
mit ihrer an das biſchöfliche Syſtem angeſchloſſenen Organiſation: Primas
von England, Biſchöfe mit zehn Pairs; die Diöceſanbehörde unter den
Biſchöfen und örtlich die Dekanate (Schöll a. a. O. 89. 90). Es iſt klar,
daß das Inſpektionsſyſtem aus Frankreich ſtammt, während das National
school System
ächt engliſch-kirchlich iſt. Hier iſt aber noch alles im Werden.

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[116/0144] Einer wirklichen Vergleichung, die nur durch Reduktion auf die obigen Kategorien möglich iſt, entbehren wir. Es iſt klar, von welcher entſcheiden- den Wichtigkeit ſie wäre. Die Anhaltspunkte dafür dürften folgende ſein. England, Frankreich und Deutſchland zeigen den verſchiedenen Charakter ihrer Geſammtauffaſſung am deutlichſten gerade in dem Ver- hältniß jener Organiſationen. England hat keine Miniſterial-Organiſation und kann keine haben (ſ. oben). Die Unklarheit in der geltenden Organiſation iſt jedoch — natur- gemäß — eben ſo groß als in dem Princip des Schulweſens überhaupt. Man muß hier drei Syſteme des Organismus unterſcheiden. Zuerſt das des „Committee“, das unter ſich 50 Schulinſpektoren hat, welche jährlich genauen Bericht erſtatten. „Die Autorität dieſer Behörde iſt aber nur eine moraliſche, keine legale,“ d. i. vollziehende. (Schöll in Schmids Encyklo- pädie, Art. Großbritannien S. 87); jedoch kann ſie Regulations aufſtellen, wenn die Schule Unterſtützung annimmt. Zweitens iſt durch Ordre in Council vom 25. Februar 1856 ein Education Departement mit zwei Sektionen, dem Elementar- und dem Vorbildungsunterricht der Armen (Dep. of Science and Art) errichtet, das unter dem Lord President ſteht (ſ. unten und Gugler S. 198); offenbar eine proviſoriſche Einrichtung. Drittens beſtehen neben beiden ganz ſelbſtändig die Syſteme der großen Schulvereine, namentlich das der National school und der High Church mit ihrer an das biſchöfliche Syſtem angeſchloſſenen Organiſation: Primas von England, Biſchöfe mit zehn Pairs; die Diöceſanbehörde unter den Biſchöfen und örtlich die Dekanate (Schöll a. a. O. 89. 90). Es iſt klar, daß das Inſpektionsſyſtem aus Frankreich ſtammt, während das National school System ächt engliſch-kirchlich iſt. Hier iſt aber noch alles im Werden.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/144>, abgerufen am 28.04.2024.