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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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Während in diesem System die Stellung und Competenz des
Ministeriums kaum irgendwo zweifelhaft ist, ist dagegen das Be-
hördensystem
wesentlich verschieden, und zwar, indem es einerseits
stets aus zwei Elementen besteht, dem weltlichen und dem kirchlichen,
andererseits aber die Competenz beider gegenüber der Gemeinde den
eigentlichen Kern der historischen Entwicklung enthält.

Die ursprünglich einzige Behörde für die Volksschule ist unzweifel-
haft die Geistlichkeit. Erst im vorigen Jahrhundert, wo der Staat die
Volksschule für eine Anstalt der Verwaltung erklärt, beginnt er für
die Verwaltungsbehörde bei dem Elementarunterricht Rechte zu fordern.
Diese Rechte entwickeln sich langsam, und in jedem Staat wohl in
verschiedener Weise dahin, daß sie sich ursprünglich nur auf die Her-
stellung und wirthschaftliche Verwaltung der Schule beziehen, dann
aber, namentlich durch die Errichtung der Lehrerseminarien aus Staats-
mitteln, einen Antheil, und an manchen Orten das ausschließliche
Anstellungsrecht der Lehrer erzeugen, und endlich auch die
Lehre selbst, den Unterricht, umfassen. Hier nun gelten meist zwei
Systeme: entweder die Verbindung der geistlichen Behörde mit der
weltlichen in der Oberaufsicht, oder die Scheidung derselben, in
welcher wieder die weltliche Behörde die äußeren Angelegenheiten der
Schulverwaltung, die kirchliche Behörde dagegen bald den ganzen
Unterricht oder nur den religiösen Unterricht leitet, Verhältnisse deren
rechtlichen Ausdruck dann die Unterordnung des Schullehrers
unter den Geistlichen oder weltliche Behörde bildet, die oft nicht einmal
genau definirt ist.

Nachdem auf diese Weise beide Elemente der Organisation sich
verbunden, entsteht nun mit der höheren Entwicklung der hierarchischen
Gliederung auch das System der Behörden in den Schulcollegien,
die wieder zum Theil zugleich für die Berufsschulen competent sind, und
ihre Funktion theils als entscheidendes Organ, theils als Aufsichts-
organ
mit verschiedenen Formen und Namen vollziehen. Die Noth-
wendigkeit und Einheit aller Verwaltung und die immer wachsende
Gleichheit der Bildungs- und Lebensverhältnisse erzeugt dann das
Institut der allgemeinen, wir möchten sagen, der ministeriellen Auf-
sicht, unter der die Landesbehörde mit der ihrigen und endlich die
Ortsbehörde in Verbindung mit der Geistlichkeit und Selbstverwal-
tung steht.

Auf diese Weise ergeben sich folgende elementare Kategorien der
Organisation der Volksschulverwaltung in ihrer Vergleichung, bei denen
natürlich nur festzuhalten ist, daß die höheren Organe stets auch mit
der Berufsbildung zu thun haben.

Während in dieſem Syſtem die Stellung und Competenz des
Miniſteriums kaum irgendwo zweifelhaft iſt, iſt dagegen das Be-
hördenſyſtem
weſentlich verſchieden, und zwar, indem es einerſeits
ſtets aus zwei Elementen beſteht, dem weltlichen und dem kirchlichen,
andererſeits aber die Competenz beider gegenüber der Gemeinde den
eigentlichen Kern der hiſtoriſchen Entwicklung enthält.

Die urſprünglich einzige Behörde für die Volksſchule iſt unzweifel-
haft die Geiſtlichkeit. Erſt im vorigen Jahrhundert, wo der Staat die
Volksſchule für eine Anſtalt der Verwaltung erklärt, beginnt er für
die Verwaltungsbehörde bei dem Elementarunterricht Rechte zu fordern.
Dieſe Rechte entwickeln ſich langſam, und in jedem Staat wohl in
verſchiedener Weiſe dahin, daß ſie ſich urſprünglich nur auf die Her-
ſtellung und wirthſchaftliche Verwaltung der Schule beziehen, dann
aber, namentlich durch die Errichtung der Lehrerſeminarien aus Staats-
mitteln, einen Antheil, und an manchen Orten das ausſchließliche
Anſtellungsrecht der Lehrer erzeugen, und endlich auch die
Lehre ſelbſt, den Unterricht, umfaſſen. Hier nun gelten meiſt zwei
Syſteme: entweder die Verbindung der geiſtlichen Behörde mit der
weltlichen in der Oberaufſicht, oder die Scheidung derſelben, in
welcher wieder die weltliche Behörde die äußeren Angelegenheiten der
Schulverwaltung, die kirchliche Behörde dagegen bald den ganzen
Unterricht oder nur den religiöſen Unterricht leitet, Verhältniſſe deren
rechtlichen Ausdruck dann die Unterordnung des Schullehrers
unter den Geiſtlichen oder weltliche Behörde bildet, die oft nicht einmal
genau definirt iſt.

Nachdem auf dieſe Weiſe beide Elemente der Organiſation ſich
verbunden, entſteht nun mit der höheren Entwicklung der hierarchiſchen
Gliederung auch das Syſtem der Behörden in den Schulcollegien,
die wieder zum Theil zugleich für die Berufsſchulen competent ſind, und
ihre Funktion theils als entſcheidendes Organ, theils als Aufſichts-
organ
mit verſchiedenen Formen und Namen vollziehen. Die Noth-
wendigkeit und Einheit aller Verwaltung und die immer wachſende
Gleichheit der Bildungs- und Lebensverhältniſſe erzeugt dann das
Inſtitut der allgemeinen, wir möchten ſagen, der miniſteriellen Auf-
ſicht, unter der die Landesbehörde mit der ihrigen und endlich die
Ortsbehörde in Verbindung mit der Geiſtlichkeit und Selbſtverwal-
tung ſteht.

Auf dieſe Weiſe ergeben ſich folgende elementare Kategorien der
Organiſation der Volksſchulverwaltung in ihrer Vergleichung, bei denen
natürlich nur feſtzuhalten iſt, daß die höheren Organe ſtets auch mit
der Berufsbildung zu thun haben.

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[115/0143] Während in dieſem Syſtem die Stellung und Competenz des Miniſteriums kaum irgendwo zweifelhaft iſt, iſt dagegen das Be- hördenſyſtem weſentlich verſchieden, und zwar, indem es einerſeits ſtets aus zwei Elementen beſteht, dem weltlichen und dem kirchlichen, andererſeits aber die Competenz beider gegenüber der Gemeinde den eigentlichen Kern der hiſtoriſchen Entwicklung enthält. Die urſprünglich einzige Behörde für die Volksſchule iſt unzweifel- haft die Geiſtlichkeit. Erſt im vorigen Jahrhundert, wo der Staat die Volksſchule für eine Anſtalt der Verwaltung erklärt, beginnt er für die Verwaltungsbehörde bei dem Elementarunterricht Rechte zu fordern. Dieſe Rechte entwickeln ſich langſam, und in jedem Staat wohl in verſchiedener Weiſe dahin, daß ſie ſich urſprünglich nur auf die Her- ſtellung und wirthſchaftliche Verwaltung der Schule beziehen, dann aber, namentlich durch die Errichtung der Lehrerſeminarien aus Staats- mitteln, einen Antheil, und an manchen Orten das ausſchließliche Anſtellungsrecht der Lehrer erzeugen, und endlich auch die Lehre ſelbſt, den Unterricht, umfaſſen. Hier nun gelten meiſt zwei Syſteme: entweder die Verbindung der geiſtlichen Behörde mit der weltlichen in der Oberaufſicht, oder die Scheidung derſelben, in welcher wieder die weltliche Behörde die äußeren Angelegenheiten der Schulverwaltung, die kirchliche Behörde dagegen bald den ganzen Unterricht oder nur den religiöſen Unterricht leitet, Verhältniſſe deren rechtlichen Ausdruck dann die Unterordnung des Schullehrers unter den Geiſtlichen oder weltliche Behörde bildet, die oft nicht einmal genau definirt iſt. Nachdem auf dieſe Weiſe beide Elemente der Organiſation ſich verbunden, entſteht nun mit der höheren Entwicklung der hierarchiſchen Gliederung auch das Syſtem der Behörden in den Schulcollegien, die wieder zum Theil zugleich für die Berufsſchulen competent ſind, und ihre Funktion theils als entſcheidendes Organ, theils als Aufſichts- organ mit verſchiedenen Formen und Namen vollziehen. Die Noth- wendigkeit und Einheit aller Verwaltung und die immer wachſende Gleichheit der Bildungs- und Lebensverhältniſſe erzeugt dann das Inſtitut der allgemeinen, wir möchten ſagen, der miniſteriellen Auf- ſicht, unter der die Landesbehörde mit der ihrigen und endlich die Ortsbehörde in Verbindung mit der Geiſtlichkeit und Selbſtverwal- tung ſteht. Auf dieſe Weiſe ergeben ſich folgende elementare Kategorien der Organiſation der Volksſchulverwaltung in ihrer Vergleichung, bei denen natürlich nur feſtzuhalten iſt, daß die höheren Organe ſtets auch mit der Berufsbildung zu thun haben.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/143>, abgerufen am 27.04.2024.