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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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für das ganze Strafrecht jene neue Richtung beginnt, deren Grund-
lage eben die doppelte Idee der Strafe sein wird -- der peinlichen
mit ihrem sittlichen Inhalt, die ihren Grund im ethischen Wesen der
Persönlichkeit hat, und der verwaltungsrechtlichen, die ihren
Grund in ihrer Zweckmäßigkeit für die Aufgaben der Verwaltung suchen
muß. Diese Idee entscheidet dann auch für das Recht zur Strafver-
fügung
, das nur bei der letzteren im Verordnungswege denkbar ist,
indem alles, was für einen äußeren Zweck geschieht, stets sich der Ver-
ordnung unterwirft, während eine peinliche Strafe nur als Ausdruck
des sittlichen Bewußtseins der Gesammtheit auftreten kann. Es würde
hier zu weit führen, darauf einzugehen. Wir bemerken nur noch, daß
sich trotz des in §. 32, 33 enthaltenen Verbotes, irgend eine andere
als die gesetzlich anerkannte Strafe auszusprechen, die Idee der allge-
meinen Ordnungsstrafe in §. 6 und 29 erhalten, und damit der An-
knüpfungspunkt für die allgemeinere Auffassung erhalten hat. Jeden-
falls dürfte schon hier das feststehen, daß die systematische Weiterbildung
der gesammten Strafrechtslehre nicht mehr innerhalb des bisherigen
peinlichen Rechts liegen wird, das wohl ohnehin im Wesentlichen er-
schöpft ist, sondern in einer Auffassung, die hoch genug steht, um beide
Theile, das peinliche wie das Verwaltungsstrafrecht, von einem höchsten
gemeinsamen Gesichtspunkt zu umfassen, als zwei große, verschiedene,
aber doch organisch zusammenhängende Gebiete Eines Gedankens, der
eben darum nicht mehr beiläufig, sondern in selbständiger wissenschaft-
licher Durchführung zu behandeln und die etwas ermüdete Strafrechts-
lehre neu zu beleben bestimmt ist.

(Von allen auf die Polizeistrafgesetzgebung bezüglichen Arbeiten
gebührt ohne Zweifel der vortrefflichen Arbeit von C. Edel, das Polizei-
strafgesetzbuch für das Königreich Bayern (Dollmann, Gesetzgebung
des Königreichs Bayern 1862 B. V.) der Vorzug. Der Verfasser
hat das bayerische Polizeistrafgesetzbuch schon in den Verhandlungen
der zweiten Kammer mit seinen eingreifenden Erläuterungen begleitet;
das citirte Werk enthält aber außerdem nicht bloß die Exegese und die
Geschichte der einzelnen Bestimmungen des betreffenden Gesetzes, son-
dern in vollständiger Ausführlichkeit auch die übrige dahin gehörende
Gesetzgebung des Königreichs, und darf dieß Werk als ein Muster für
ähnliche Bearbeitungen angesehen werden. Wir nehmen daher an, daß
bei allen folgenden einzelnen Paragraphen des bayerischen Polizeistraf-
gesetzbuchs die betreffende Ausführung des Verfassers als hinzu citirt
angenommen werden möge.)

Was Baden betrifft, so verweisen wir auf die schöne Arbeit von
L. Kempf, das Polizeistrafgesetzbuch für das Großherzogthum Baden,

für das ganze Strafrecht jene neue Richtung beginnt, deren Grund-
lage eben die doppelte Idee der Strafe ſein wird — der peinlichen
mit ihrem ſittlichen Inhalt, die ihren Grund im ethiſchen Weſen der
Perſönlichkeit hat, und der verwaltungsrechtlichen, die ihren
Grund in ihrer Zweckmäßigkeit für die Aufgaben der Verwaltung ſuchen
muß. Dieſe Idee entſcheidet dann auch für das Recht zur Strafver-
fügung
, das nur bei der letzteren im Verordnungswege denkbar iſt,
indem alles, was für einen äußeren Zweck geſchieht, ſtets ſich der Ver-
ordnung unterwirft, während eine peinliche Strafe nur als Ausdruck
des ſittlichen Bewußtſeins der Geſammtheit auftreten kann. Es würde
hier zu weit führen, darauf einzugehen. Wir bemerken nur noch, daß
ſich trotz des in §. 32, 33 enthaltenen Verbotes, irgend eine andere
als die geſetzlich anerkannte Strafe auszuſprechen, die Idee der allge-
meinen Ordnungsſtrafe in §. 6 und 29 erhalten, und damit der An-
knüpfungspunkt für die allgemeinere Auffaſſung erhalten hat. Jeden-
falls dürfte ſchon hier das feſtſtehen, daß die ſyſtematiſche Weiterbildung
der geſammten Strafrechtslehre nicht mehr innerhalb des bisherigen
peinlichen Rechts liegen wird, das wohl ohnehin im Weſentlichen er-
ſchöpft iſt, ſondern in einer Auffaſſung, die hoch genug ſteht, um beide
Theile, das peinliche wie das Verwaltungsſtrafrecht, von einem höchſten
gemeinſamen Geſichtspunkt zu umfaſſen, als zwei große, verſchiedene,
aber doch organiſch zuſammenhängende Gebiete Eines Gedankens, der
eben darum nicht mehr beiläufig, ſondern in ſelbſtändiger wiſſenſchaft-
licher Durchführung zu behandeln und die etwas ermüdete Strafrechts-
lehre neu zu beleben beſtimmt iſt.

(Von allen auf die Polizeiſtrafgeſetzgebung bezüglichen Arbeiten
gebührt ohne Zweifel der vortrefflichen Arbeit von C. Edel, das Polizei-
ſtrafgeſetzbuch für das Königreich Bayern (Dollmann, Geſetzgebung
des Königreichs Bayern 1862 B. V.) der Vorzug. Der Verfaſſer
hat das bayeriſche Polizeiſtrafgeſetzbuch ſchon in den Verhandlungen
der zweiten Kammer mit ſeinen eingreifenden Erläuterungen begleitet;
das citirte Werk enthält aber außerdem nicht bloß die Exegeſe und die
Geſchichte der einzelnen Beſtimmungen des betreffenden Geſetzes, ſon-
dern in vollſtändiger Ausführlichkeit auch die übrige dahin gehörende
Geſetzgebung des Königreichs, und darf dieß Werk als ein Muſter für
ähnliche Bearbeitungen angeſehen werden. Wir nehmen daher an, daß
bei allen folgenden einzelnen Paragraphen des bayeriſchen Polizeiſtraf-
geſetzbuchs die betreffende Ausführung des Verfaſſers als hinzu citirt
angenommen werden möge.)

Was Baden betrifft, ſo verweiſen wir auf die ſchöne Arbeit von
L. Kempf, das Polizeiſtrafgeſetzbuch für das Großherzogthum Baden,

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[44/0066] für das ganze Strafrecht jene neue Richtung beginnt, deren Grund- lage eben die doppelte Idee der Strafe ſein wird — der peinlichen mit ihrem ſittlichen Inhalt, die ihren Grund im ethiſchen Weſen der Perſönlichkeit hat, und der verwaltungsrechtlichen, die ihren Grund in ihrer Zweckmäßigkeit für die Aufgaben der Verwaltung ſuchen muß. Dieſe Idee entſcheidet dann auch für das Recht zur Strafver- fügung, das nur bei der letzteren im Verordnungswege denkbar iſt, indem alles, was für einen äußeren Zweck geſchieht, ſtets ſich der Ver- ordnung unterwirft, während eine peinliche Strafe nur als Ausdruck des ſittlichen Bewußtſeins der Geſammtheit auftreten kann. Es würde hier zu weit führen, darauf einzugehen. Wir bemerken nur noch, daß ſich trotz des in §. 32, 33 enthaltenen Verbotes, irgend eine andere als die geſetzlich anerkannte Strafe auszuſprechen, die Idee der allge- meinen Ordnungsſtrafe in §. 6 und 29 erhalten, und damit der An- knüpfungspunkt für die allgemeinere Auffaſſung erhalten hat. Jeden- falls dürfte ſchon hier das feſtſtehen, daß die ſyſtematiſche Weiterbildung der geſammten Strafrechtslehre nicht mehr innerhalb des bisherigen peinlichen Rechts liegen wird, das wohl ohnehin im Weſentlichen er- ſchöpft iſt, ſondern in einer Auffaſſung, die hoch genug ſteht, um beide Theile, das peinliche wie das Verwaltungsſtrafrecht, von einem höchſten gemeinſamen Geſichtspunkt zu umfaſſen, als zwei große, verſchiedene, aber doch organiſch zuſammenhängende Gebiete Eines Gedankens, der eben darum nicht mehr beiläufig, ſondern in ſelbſtändiger wiſſenſchaft- licher Durchführung zu behandeln und die etwas ermüdete Strafrechts- lehre neu zu beleben beſtimmt iſt. (Von allen auf die Polizeiſtrafgeſetzgebung bezüglichen Arbeiten gebührt ohne Zweifel der vortrefflichen Arbeit von C. Edel, das Polizei- ſtrafgeſetzbuch für das Königreich Bayern (Dollmann, Geſetzgebung des Königreichs Bayern 1862 B. V.) der Vorzug. Der Verfaſſer hat das bayeriſche Polizeiſtrafgeſetzbuch ſchon in den Verhandlungen der zweiten Kammer mit ſeinen eingreifenden Erläuterungen begleitet; das citirte Werk enthält aber außerdem nicht bloß die Exegeſe und die Geſchichte der einzelnen Beſtimmungen des betreffenden Geſetzes, ſon- dern in vollſtändiger Ausführlichkeit auch die übrige dahin gehörende Geſetzgebung des Königreichs, und darf dieß Werk als ein Muſter für ähnliche Bearbeitungen angeſehen werden. Wir nehmen daher an, daß bei allen folgenden einzelnen Paragraphen des bayeriſchen Polizeiſtraf- geſetzbuchs die betreffende Ausführung des Verfaſſers als hinzu citirt angenommen werden möge.) Was Baden betrifft, ſo verweiſen wir auf die ſchöne Arbeit von L. Kempf, das Polizeiſtrafgeſetzbuch für das Großherzogthum Baden,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/66>, abgerufen am 03.05.2024.