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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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mit den Motiven, Commissionsberichten und landständischen Verhandlun-
gen 1864. Eine andere Arbeit ist uns bis jetzt nicht bekannt.

Auf dieser allgemeinen Grundlage wird es nun wohl leicht sein,
das Recht und Wesen der Polizeistrafordnungen in den übrigen Staaten
zu charakterisiren, so weit uns dieselben zugänglich waren.

Am nächsten dem Standpunkte des süddeutschen Polizeistrafgesetz-
buches kommt das preußische Recht. Im preußischen Recht ist näm-
lich das Verhältniß zwischen Verordnung und Gesetz, und die Compe-
tenzfrage über den Erlaß der ersteren allerdings sehr klar behandelt
und entschieden. Hier sind zuerst die königlichen Verordnungen von
den Polizeiverordnungen weit besser getrennt, als in Belgien und selbst
in Baden und Bayern, und den letzteren das Recht voller Gültigkeit
beigelegt, wenn sie unter den gesetzlichen Formen publicirt sind. Dieser
Grundsatz ist schon durch das Allgemeine Landrecht II. T. 13, §. 6 be-
gründet, der das Recht auf Erlaß von Verordnungen für ein "Maje-
stätsrecht" erklärt hat. Die Frage, in wie weit dieß Recht den Polizei-
organen zukomme, und in wie weit speziell dieselben Polizeistrafen auf
verordnungsmäßigem Wege aussprechen können, war in der rein poli-
zeilichen Epoche des preußischen öffentlichen Rechts eigentlich gar nicht
vorhanden, sondern die Sache wurde als selbstverständlich angesehen.
Erst mit dem Siege der verfassungsmäßigen Verwaltung zeigte es sich
auch hier, daß es eine der wesentlichsten Bedingungen der letzteren sei,
über diesen Punkt ins Klare zu kommen. Und das geschah nun in der,
für die ganze Entwicklung dieser Begriffe bezeichnenden Weise dadurch,
daß die Reform der Strafgesetzgebung wesentlich zu dem
Zweck
unternommen wurde, um durch die Aufnahme des Polizeistrafen-
systems in das Strafgesetzbuch ein gesetzliches Strafsystem für
das Verwaltungsrecht zu schaffen
. Das war nun die Haupt-
aufgabe der neuen Redaktion des preußischen Strafgesetzbuches, bei
dem im dritten Theil das französische Muster des Code Penal IV.
vorschwebte. Es geschah daher hier, was 1808 in Frankreich geschehen
war, daß man nämlich das Verwaltungsstrafrecht mit dem peinlichen
durch gemeinsame Codification formell identificirte, und dafür zwar
ein objektioes Recht des ersteren gewann, aber in Gefahr gerieth, das
Bewußtsein von seinem tiefen Unterschiede vom peinlichen Recht definitiv
zu verlieren. Die formell vortreffliche Organisation der preußischen
Verwaltung hat jedoch davor geschützt, indem jetzt neben dem betref-
fenden Theile des Strafgesetzbuches das Gesetz vom 11. Mai 1850 über
die Polizeiverwaltung gegeben ward, das im Grunde dasjenige als
Princip enthält, was die Polizeistrafgesetzbücher des Südens als syste-
matisches Strafrecht formuliren, das selbständige Verwaltungsstrafrecht.

mit den Motiven, Commiſſionsberichten und landſtändiſchen Verhandlun-
gen 1864. Eine andere Arbeit iſt uns bis jetzt nicht bekannt.

Auf dieſer allgemeinen Grundlage wird es nun wohl leicht ſein,
das Recht und Weſen der Polizeiſtrafordnungen in den übrigen Staaten
zu charakteriſiren, ſo weit uns dieſelben zugänglich waren.

Am nächſten dem Standpunkte des ſüddeutſchen Polizeiſtrafgeſetz-
buches kommt das preußiſche Recht. Im preußiſchen Recht iſt näm-
lich das Verhältniß zwiſchen Verordnung und Geſetz, und die Compe-
tenzfrage über den Erlaß der erſteren allerdings ſehr klar behandelt
und entſchieden. Hier ſind zuerſt die königlichen Verordnungen von
den Polizeiverordnungen weit beſſer getrennt, als in Belgien und ſelbſt
in Baden und Bayern, und den letzteren das Recht voller Gültigkeit
beigelegt, wenn ſie unter den geſetzlichen Formen publicirt ſind. Dieſer
Grundſatz iſt ſchon durch das Allgemeine Landrecht II. T. 13, §. 6 be-
gründet, der das Recht auf Erlaß von Verordnungen für ein „Maje-
ſtätsrecht“ erklärt hat. Die Frage, in wie weit dieß Recht den Polizei-
organen zukomme, und in wie weit ſpeziell dieſelben Polizeiſtrafen auf
verordnungsmäßigem Wege ausſprechen können, war in der rein poli-
zeilichen Epoche des preußiſchen öffentlichen Rechts eigentlich gar nicht
vorhanden, ſondern die Sache wurde als ſelbſtverſtändlich angeſehen.
Erſt mit dem Siege der verfaſſungsmäßigen Verwaltung zeigte es ſich
auch hier, daß es eine der weſentlichſten Bedingungen der letzteren ſei,
über dieſen Punkt ins Klare zu kommen. Und das geſchah nun in der,
für die ganze Entwicklung dieſer Begriffe bezeichnenden Weiſe dadurch,
daß die Reform der Strafgeſetzgebung weſentlich zu dem
Zweck
unternommen wurde, um durch die Aufnahme des Polizeiſtrafen-
ſyſtems in das Strafgeſetzbuch ein geſetzliches Strafſyſtem für
das Verwaltungsrecht zu ſchaffen
. Das war nun die Haupt-
aufgabe der neuen Redaktion des preußiſchen Strafgeſetzbuches, bei
dem im dritten Theil das franzöſiſche Muſter des Code Pénal IV.
vorſchwebte. Es geſchah daher hier, was 1808 in Frankreich geſchehen
war, daß man nämlich das Verwaltungsſtrafrecht mit dem peinlichen
durch gemeinſame Codification formell identificirte, und dafür zwar
ein objektioes Recht des erſteren gewann, aber in Gefahr gerieth, das
Bewußtſein von ſeinem tiefen Unterſchiede vom peinlichen Recht definitiv
zu verlieren. Die formell vortreffliche Organiſation der preußiſchen
Verwaltung hat jedoch davor geſchützt, indem jetzt neben dem betref-
fenden Theile des Strafgeſetzbuches das Geſetz vom 11. Mai 1850 über
die Polizeiverwaltung gegeben ward, das im Grunde dasjenige als
Princip enthält, was die Polizeiſtrafgeſetzbücher des Südens als ſyſte-
matiſches Strafrecht formuliren, das ſelbſtändige Verwaltungsſtrafrecht.

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[45/0067] mit den Motiven, Commiſſionsberichten und landſtändiſchen Verhandlun- gen 1864. Eine andere Arbeit iſt uns bis jetzt nicht bekannt. Auf dieſer allgemeinen Grundlage wird es nun wohl leicht ſein, das Recht und Weſen der Polizeiſtrafordnungen in den übrigen Staaten zu charakteriſiren, ſo weit uns dieſelben zugänglich waren. Am nächſten dem Standpunkte des ſüddeutſchen Polizeiſtrafgeſetz- buches kommt das preußiſche Recht. Im preußiſchen Recht iſt näm- lich das Verhältniß zwiſchen Verordnung und Geſetz, und die Compe- tenzfrage über den Erlaß der erſteren allerdings ſehr klar behandelt und entſchieden. Hier ſind zuerſt die königlichen Verordnungen von den Polizeiverordnungen weit beſſer getrennt, als in Belgien und ſelbſt in Baden und Bayern, und den letzteren das Recht voller Gültigkeit beigelegt, wenn ſie unter den geſetzlichen Formen publicirt ſind. Dieſer Grundſatz iſt ſchon durch das Allgemeine Landrecht II. T. 13, §. 6 be- gründet, der das Recht auf Erlaß von Verordnungen für ein „Maje- ſtätsrecht“ erklärt hat. Die Frage, in wie weit dieß Recht den Polizei- organen zukomme, und in wie weit ſpeziell dieſelben Polizeiſtrafen auf verordnungsmäßigem Wege ausſprechen können, war in der rein poli- zeilichen Epoche des preußiſchen öffentlichen Rechts eigentlich gar nicht vorhanden, ſondern die Sache wurde als ſelbſtverſtändlich angeſehen. Erſt mit dem Siege der verfaſſungsmäßigen Verwaltung zeigte es ſich auch hier, daß es eine der weſentlichſten Bedingungen der letzteren ſei, über dieſen Punkt ins Klare zu kommen. Und das geſchah nun in der, für die ganze Entwicklung dieſer Begriffe bezeichnenden Weiſe dadurch, daß die Reform der Strafgeſetzgebung weſentlich zu dem Zweck unternommen wurde, um durch die Aufnahme des Polizeiſtrafen- ſyſtems in das Strafgeſetzbuch ein geſetzliches Strafſyſtem für das Verwaltungsrecht zu ſchaffen. Das war nun die Haupt- aufgabe der neuen Redaktion des preußiſchen Strafgeſetzbuches, bei dem im dritten Theil das franzöſiſche Muſter des Code Pénal IV. vorſchwebte. Es geſchah daher hier, was 1808 in Frankreich geſchehen war, daß man nämlich das Verwaltungsſtrafrecht mit dem peinlichen durch gemeinſame Codification formell identificirte, und dafür zwar ein objektioes Recht des erſteren gewann, aber in Gefahr gerieth, das Bewußtſein von ſeinem tiefen Unterſchiede vom peinlichen Recht definitiv zu verlieren. Die formell vortreffliche Organiſation der preußiſchen Verwaltung hat jedoch davor geſchützt, indem jetzt neben dem betref- fenden Theile des Strafgeſetzbuches das Geſetz vom 11. Mai 1850 über die Polizeiverwaltung gegeben ward, das im Grunde dasjenige als Princip enthält, was die Polizeiſtrafgeſetzbücher des Südens als ſyſte- matiſches Strafrecht formuliren, das ſelbſtändige Verwaltungsſtrafrecht.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/67>, abgerufen am 25.11.2024.