diesen Unterschied nehmen, und das ganze Gebiet als eine gleich- artige Einheit mit einer so oder so gearteten Deduction umfassen. Es ist unabweisbar, dem Begriffe des Verbrechens eine Idee der sittlichen, dem Begriffe des Vergehens und der Uebertretung eine Idee der staatlichen oder wenn man lieber will der administrativen Ordnung zum Grunde zu legen. Es wird nicht möglich bleiben, alles was wir Strafe nennen, künftig als eine ebenso gleichartige Erscheinung mit einem und demselben Begriffe zu erledigen. Es ist schon dem gewöhnlichen Menschenverstande klar, daß eine Buße von einem Thaler etwas wesentlich anderes ist, als eine lebens- längliche Zuchthaus- oder gar die Todesstrafe. Es wird sich als unvermeidlich zeigen, das ganze Gebiet der Ordnungsstrafen von dem der eigentlichen Strafen, die wir die peinlichen Stra- fen nennen, zu trennen, und darnach die Wissenschaft des Straf- rechts umzugestalten. Es wird das aber nicht von der Straf- rechtslehre ausgehen, sondern vom Polizeirecht. Damit aber das Polizeirecht das vermöge, muß es innerhalb der Verwaltungs- lehre wieder als ein selbständiges Gebiet erscheinen. Ueber die Verwechslung von Polizei und Verwaltung, von Polizeiwissenschaft und Verwaltungslehre noch weiter zu reden, halten wir für über- flüssig. Allein wir müssen daran festhalten, daß wir ohne eine solche selbständige Lehre vom Polizeirecht weder in der Verwaltung noch in der Strafrechtslehre weiter kommen werden, und die Conse- quenzen für das Strafverfahren, die sich aus dem Wesen der letzteren ergeben und die ja schon zum Theil praktisch durchgeführt sind, liegen so nahe, daß wir sie nicht eigens hervorzuheben brauchen. Das sind die Gedanken, welche uns bewogen haben, die Frage nach dem Wesen der Polizei im Allgemeinen und der Sicherheitspolizei im Besondern hier möglichst gründlich und mit Zuhilfenahme der Gesetzgebung aller Hauptstaaten Europas zu be- handeln. Wir wissen recht wohl, daß wir in Beziehung auf die bisherige Anschauung der Criminalisten hier nur negativ aufge- treten sind. Aber obwohl wir sonst der negativen Arbeit keinen allzugroßen Werth beilegen, so wird man uns doch zugeben, daß
dieſen Unterſchied nehmen, und das ganze Gebiet als eine gleich- artige Einheit mit einer ſo oder ſo gearteten Deduction umfaſſen. Es iſt unabweisbar, dem Begriffe des Verbrechens eine Idee der ſittlichen, dem Begriffe des Vergehens und der Uebertretung eine Idee der ſtaatlichen oder wenn man lieber will der adminiſtrativen Ordnung zum Grunde zu legen. Es wird nicht möglich bleiben, alles was wir Strafe nennen, künftig als eine ebenſo gleichartige Erſcheinung mit einem und demſelben Begriffe zu erledigen. Es iſt ſchon dem gewöhnlichen Menſchenverſtande klar, daß eine Buße von einem Thaler etwas weſentlich anderes iſt, als eine lebens- längliche Zuchthaus- oder gar die Todesſtrafe. Es wird ſich als unvermeidlich zeigen, das ganze Gebiet der Ordnungsſtrafen von dem der eigentlichen Strafen, die wir die peinlichen Stra- fen nennen, zu trennen, und darnach die Wiſſenſchaft des Straf- rechts umzugeſtalten. Es wird das aber nicht von der Straf- rechtslehre ausgehen, ſondern vom Polizeirecht. Damit aber das Polizeirecht das vermöge, muß es innerhalb der Verwaltungs- lehre wieder als ein ſelbſtändiges Gebiet erſcheinen. Ueber die Verwechslung von Polizei und Verwaltung, von Polizeiwiſſenſchaft und Verwaltungslehre noch weiter zu reden, halten wir für über- flüſſig. Allein wir müſſen daran feſthalten, daß wir ohne eine ſolche ſelbſtändige Lehre vom Polizeirecht weder in der Verwaltung noch in der Strafrechtslehre weiter kommen werden, und die Conſe- quenzen für das Strafverfahren, die ſich aus dem Weſen der letzteren ergeben und die ja ſchon zum Theil praktiſch durchgeführt ſind, liegen ſo nahe, daß wir ſie nicht eigens hervorzuheben brauchen. Das ſind die Gedanken, welche uns bewogen haben, die Frage nach dem Weſen der Polizei im Allgemeinen und der Sicherheitspolizei im Beſondern hier möglichſt gründlich und mit Zuhilfenahme der Geſetzgebung aller Hauptſtaaten Europas zu be- handeln. Wir wiſſen recht wohl, daß wir in Beziehung auf die bisherige Anſchauung der Criminaliſten hier nur negativ aufge- treten ſind. Aber obwohl wir ſonſt der negativen Arbeit keinen allzugroßen Werth beilegen, ſo wird man uns doch zugeben, daß
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[XIII/0019]
dieſen Unterſchied nehmen, und das ganze Gebiet als eine gleich-
artige Einheit mit einer ſo oder ſo gearteten Deduction umfaſſen.
Es iſt unabweisbar, dem Begriffe des Verbrechens eine Idee der
ſittlichen, dem Begriffe des Vergehens und der Uebertretung eine
Idee der ſtaatlichen oder wenn man lieber will der adminiſtrativen
Ordnung zum Grunde zu legen. Es wird nicht möglich bleiben,
alles was wir Strafe nennen, künftig als eine ebenſo gleichartige
Erſcheinung mit einem und demſelben Begriffe zu erledigen. Es
iſt ſchon dem gewöhnlichen Menſchenverſtande klar, daß eine Buße
von einem Thaler etwas weſentlich anderes iſt, als eine lebens-
längliche Zuchthaus- oder gar die Todesſtrafe. Es wird ſich als
unvermeidlich zeigen, das ganze Gebiet der Ordnungsſtrafen
von dem der eigentlichen Strafen, die wir die peinlichen Stra-
fen nennen, zu trennen, und darnach die Wiſſenſchaft des Straf-
rechts umzugeſtalten. Es wird das aber nicht von der Straf-
rechtslehre ausgehen, ſondern vom Polizeirecht. Damit aber
das Polizeirecht das vermöge, muß es innerhalb der Verwaltungs-
lehre wieder als ein ſelbſtändiges Gebiet erſcheinen. Ueber die
Verwechslung von Polizei und Verwaltung, von Polizeiwiſſenſchaft
und Verwaltungslehre noch weiter zu reden, halten wir für über-
flüſſig. Allein wir müſſen daran feſthalten, daß wir ohne eine
ſolche ſelbſtändige Lehre vom Polizeirecht weder in der Verwaltung
noch in der Strafrechtslehre weiter kommen werden, und die Conſe-
quenzen für das Strafverfahren, die ſich aus dem Weſen der
letzteren ergeben und die ja ſchon zum Theil praktiſch durchgeführt
ſind, liegen ſo nahe, daß wir ſie nicht eigens hervorzuheben
brauchen. Das ſind die Gedanken, welche uns bewogen haben,
die Frage nach dem Weſen der Polizei im Allgemeinen und der
Sicherheitspolizei im Beſondern hier möglichſt gründlich und mit
Zuhilfenahme der Geſetzgebung aller Hauptſtaaten Europas zu be-
handeln. Wir wiſſen recht wohl, daß wir in Beziehung auf die
bisherige Anſchauung der Criminaliſten hier nur negativ aufge-
treten ſind. Aber obwohl wir ſonſt der negativen Arbeit keinen
allzugroßen Werth beilegen, ſo wird man uns doch zugeben, daß
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. XIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/19>, abgerufen am 27.07.2024.
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