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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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der Gemeinschaft aufzufassen. Dann erst wird in der Wissenschaft
die beschränkte Verweisung des Preßwesens in das Polizeirecht
aufhören, und die geistige Welt der Völker, die gewaltige bewun-
dernswerthe Arbeit der Selbstbildung derselben, die die Grund-
lage der Gegenwart und den Keim der Zukunft enthält, in ihrer
mächtigen organischen Entwicklung sich zum Bewußtsein bringen.

Wir dürfen nun nochmals die Ueberzeugung aussprechen, daß
das hier Aufgestellte, für die organische Auffassung des Systems
entscheidend, die Erörterung und Vergleichung der einzelnen Punkte
in ihrem bezüglichen Werthe kaum wesentlich beeinflussen dürfte.

Im Uebrigen muß die nachfolgende Arbeit es durch ihren
Inhalt rechtfertigen, weßhalb sie eine größere Ausdehnung erhalten
hat, als ich ursprünglich beabsichtigte. Ich muß, je länger ich dieß
wichtige Gebiet betrachte, immer entschiedener zu der Ueberzeugung
kommen, daß die wissenschaftliche Behandlung des Polizeirechts,
die unsrer Literatur bekanntlich gänzlich fehlt, einerseits ein prin-
zipiell durchgeführtes Verständniß des öffentlich rechtlichen Verhält-
nisses von Gesetz und Verordnung, von Klag- und Beschwerderecht
voraussetzt, und andrerseits zu einer der bisherigen Auffassung
wesentlich verschiedenen Anschauung von der Natur und der Be-
deutung der Strafe führen wird. Die Theorie, welche bisher
sei es in dieser, sei es in jener Weise, aus diesem oder jenem
Motiv die Strafe als einen in seinem ganzen Umfang wesentlich
gleichartigen Begriff behandelt, und keine Unterscheidung innerhalb
derselben enthält, ist nicht mehr haltbar. Ebensowenig ist das
von Frankreich allerdings mit gutem historischen Grunde herüber-
genommene System der Strafgesetzgebung, in dem alle Strafen
gleichmäßig in die Strafgesetzbücher aufgenommen werden, auf die
Dauer aufrecht zu halten. Wir müssen die alte Vorstellung eines
spezifischen Unterschiedes zwischen Verbrechen einerseits und Ver-
gehen andrerseits wieder zu ihrer wahren Bedeutung erheben. Es
ist falsch, wenn man darin nichts als eine quantitative Verschie-
denheit erblickt, und es ist falsch, wenn in Folge dessen die Be-
handlungen der Strafrechtstheorien gar keine Rücksicht mehr auf

der Gemeinſchaft aufzufaſſen. Dann erſt wird in der Wiſſenſchaft
die beſchränkte Verweiſung des Preßweſens in das Polizeirecht
aufhören, und die geiſtige Welt der Völker, die gewaltige bewun-
dernswerthe Arbeit der Selbſtbildung derſelben, die die Grund-
lage der Gegenwart und den Keim der Zukunft enthält, in ihrer
mächtigen organiſchen Entwicklung ſich zum Bewußtſein bringen.

Wir dürfen nun nochmals die Ueberzeugung ausſprechen, daß
das hier Aufgeſtellte, für die organiſche Auffaſſung des Syſtems
entſcheidend, die Erörterung und Vergleichung der einzelnen Punkte
in ihrem bezüglichen Werthe kaum weſentlich beeinfluſſen dürfte.

Im Uebrigen muß die nachfolgende Arbeit es durch ihren
Inhalt rechtfertigen, weßhalb ſie eine größere Ausdehnung erhalten
hat, als ich urſprünglich beabſichtigte. Ich muß, je länger ich dieß
wichtige Gebiet betrachte, immer entſchiedener zu der Ueberzeugung
kommen, daß die wiſſenſchaftliche Behandlung des Polizeirechts,
die unſrer Literatur bekanntlich gänzlich fehlt, einerſeits ein prin-
zipiell durchgeführtes Verſtändniß des öffentlich rechtlichen Verhält-
niſſes von Geſetz und Verordnung, von Klag- und Beſchwerderecht
vorausſetzt, und andrerſeits zu einer der bisherigen Auffaſſung
weſentlich verſchiedenen Anſchauung von der Natur und der Be-
deutung der Strafe führen wird. Die Theorie, welche bisher
ſei es in dieſer, ſei es in jener Weiſe, aus dieſem oder jenem
Motiv die Strafe als einen in ſeinem ganzen Umfang weſentlich
gleichartigen Begriff behandelt, und keine Unterſcheidung innerhalb
derſelben enthält, iſt nicht mehr haltbar. Ebenſowenig iſt das
von Frankreich allerdings mit gutem hiſtoriſchen Grunde herüber-
genommene Syſtem der Strafgeſetzgebung, in dem alle Strafen
gleichmäßig in die Strafgeſetzbücher aufgenommen werden, auf die
Dauer aufrecht zu halten. Wir müſſen die alte Vorſtellung eines
ſpezifiſchen Unterſchiedes zwiſchen Verbrechen einerſeits und Ver-
gehen andrerſeits wieder zu ihrer wahren Bedeutung erheben. Es
iſt falſch, wenn man darin nichts als eine quantitative Verſchie-
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[XII/0018] der Gemeinſchaft aufzufaſſen. Dann erſt wird in der Wiſſenſchaft die beſchränkte Verweiſung des Preßweſens in das Polizeirecht aufhören, und die geiſtige Welt der Völker, die gewaltige bewun- dernswerthe Arbeit der Selbſtbildung derſelben, die die Grund- lage der Gegenwart und den Keim der Zukunft enthält, in ihrer mächtigen organiſchen Entwicklung ſich zum Bewußtſein bringen. Wir dürfen nun nochmals die Ueberzeugung ausſprechen, daß das hier Aufgeſtellte, für die organiſche Auffaſſung des Syſtems entſcheidend, die Erörterung und Vergleichung der einzelnen Punkte in ihrem bezüglichen Werthe kaum weſentlich beeinfluſſen dürfte. Im Uebrigen muß die nachfolgende Arbeit es durch ihren Inhalt rechtfertigen, weßhalb ſie eine größere Ausdehnung erhalten hat, als ich urſprünglich beabſichtigte. Ich muß, je länger ich dieß wichtige Gebiet betrachte, immer entſchiedener zu der Ueberzeugung kommen, daß die wiſſenſchaftliche Behandlung des Polizeirechts, die unſrer Literatur bekanntlich gänzlich fehlt, einerſeits ein prin- zipiell durchgeführtes Verſtändniß des öffentlich rechtlichen Verhält- niſſes von Geſetz und Verordnung, von Klag- und Beſchwerderecht vorausſetzt, und andrerſeits zu einer der bisherigen Auffaſſung weſentlich verſchiedenen Anſchauung von der Natur und der Be- deutung der Strafe führen wird. Die Theorie, welche bisher ſei es in dieſer, ſei es in jener Weiſe, aus dieſem oder jenem Motiv die Strafe als einen in ſeinem ganzen Umfang weſentlich gleichartigen Begriff behandelt, und keine Unterſcheidung innerhalb derſelben enthält, iſt nicht mehr haltbar. Ebenſowenig iſt das von Frankreich allerdings mit gutem hiſtoriſchen Grunde herüber- genommene Syſtem der Strafgeſetzgebung, in dem alle Strafen gleichmäßig in die Strafgeſetzbücher aufgenommen werden, auf die Dauer aufrecht zu halten. Wir müſſen die alte Vorſtellung eines ſpezifiſchen Unterſchiedes zwiſchen Verbrechen einerſeits und Ver- gehen andrerſeits wieder zu ihrer wahren Bedeutung erheben. Es iſt falſch, wenn man darin nichts als eine quantitative Verſchie- denheit erblickt, und es iſt falſch, wenn in Folge deſſen die Be- handlungen der Strafrechtstheorien gar keine Rückſicht mehr auf

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/18>, abgerufen am 23.11.2024.