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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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sie gar kein, im Begriffe der Verwaltung liegendes, eigenes System
haben. Oder, es gibt gar keinen systematischen Inhalt, kein System
der Verwaltung an sich, sondern es kann nur ein System dersel-
ben durch das Objekt der Verwaltung
geben. Dieß Objekt
aber ist das persönliche Leben. Es ergibt sich daraus, daß das System
der Verwaltungslehre, oder der Bethätigung der Verwaltung in dem
wirklichen Dasein, kein anderes sein kann, als der organische In-
halt des persönlichen Lebens selbst
. Ein anderes ist wissen-
schaftlich nicht füglich denkbar. Und die Frage über die Richtigkeit eines
solchen Systems der Verwaltung ist daher nicht die, ob es an sich richtig
sei, sondern die, ob der organische Inhalt des persönlichen Lebens darin
wirklich vertreten ist. Das Leben umfassend, wie es Gegenstand der
Staatsthätigkeit wird, muß es das Leben enthalten. Und in der That
wird es erst dadurch auch für die lebendige Anschauung des Einzelnen
wie des Ganzen seinen Werth bekommen.

3) Dieß Leben der Persönlichkeit theilt sich ein fast von selbst in
drei große Grundverhältnisse. Die Persönlichkeit ist zuerst Person,
ein körperliches und geistiges Leben, für sich daseiend, und noch ohne
Beziehung zur Güterwelt und zur gesellschaftlichen Ordnung; dann ist
sie das, was wir die wirthschaftliche Persönlichkeit nennen, die
persönliche Gestalt des Güterlebens; und endlich ist sie ein Glied der
großen gesellschaftlichen Ordnung. Ihr Dasein, ihre Entwicklung,
ihr äußeres Heil und ihre äußerlicher Untergang liegen in diesen drei
Gebieten. Es ist ein viertes gar nicht vorstellbar. In jedem dieser
Gebiete ist sie ein Theil der Gemeinschaft; in jedem ist sie durch alle
andern, durch die Geschichte, durch die Natur, kurz durch alle Elemente,
welche das Gesammtleben bilden, bedingt und bestimmt. In jedem
derselben tritt daher auch die persönliche Form der Gemeinschaft, der
Staat auf, und sucht die Bedingungen der individuellen Entwicklung
zu finden und zu ordnen. In jedem derselben aber muß dieser Staat
seine Thätigkeit nach der Natur des Inhalts dieser Gemeinschaft bestim-
men; sie ist sein Substrat, an das er gebunden ist. Er erhält damit,
ganz ohne sein Zuthun, drei Gebiete seiner Thätigkeit für das Indi-
viduum; das ist, er hat drei naturgemäße Gebiete seiner Verwaltung.
Das erste ist die Verwaltung der rein persönlichen Welt; das zweite
ist die Verwaltung der wirthschaftlichen Welt; das dritte ist die Ver-
waltung der gesellschaftlichen Welt. Das sind die Grundlagen des
Systems der Verwaltung.

Jeder dieser Theile bildet nun wieder ein innerlich sehr reiches
Ganze. Indem wir nun allerdings jedes genauere Eingehen auf die
Ausführung des Systems selbst verweisen, glauben wir doch, daß

ſie gar kein, im Begriffe der Verwaltung liegendes, eigenes Syſtem
haben. Oder, es gibt gar keinen ſyſtematiſchen Inhalt, kein Syſtem
der Verwaltung an ſich, ſondern es kann nur ein Syſtem derſel-
ben durch das Objekt der Verwaltung
geben. Dieß Objekt
aber iſt das perſönliche Leben. Es ergibt ſich daraus, daß das Syſtem
der Verwaltungslehre, oder der Bethätigung der Verwaltung in dem
wirklichen Daſein, kein anderes ſein kann, als der organiſche In-
halt des perſönlichen Lebens ſelbſt
. Ein anderes iſt wiſſen-
ſchaftlich nicht füglich denkbar. Und die Frage über die Richtigkeit eines
ſolchen Syſtems der Verwaltung iſt daher nicht die, ob es an ſich richtig
ſei, ſondern die, ob der organiſche Inhalt des perſönlichen Lebens darin
wirklich vertreten iſt. Das Leben umfaſſend, wie es Gegenſtand der
Staatsthätigkeit wird, muß es das Leben enthalten. Und in der That
wird es erſt dadurch auch für die lebendige Anſchauung des Einzelnen
wie des Ganzen ſeinen Werth bekommen.

3) Dieß Leben der Perſönlichkeit theilt ſich ein faſt von ſelbſt in
drei große Grundverhältniſſe. Die Perſönlichkeit iſt zuerſt Perſon,
ein körperliches und geiſtiges Leben, für ſich daſeiend, und noch ohne
Beziehung zur Güterwelt und zur geſellſchaftlichen Ordnung; dann iſt
ſie das, was wir die wirthſchaftliche Perſönlichkeit nennen, die
perſönliche Geſtalt des Güterlebens; und endlich iſt ſie ein Glied der
großen geſellſchaftlichen Ordnung. Ihr Daſein, ihre Entwicklung,
ihr äußeres Heil und ihre äußerlicher Untergang liegen in dieſen drei
Gebieten. Es iſt ein viertes gar nicht vorſtellbar. In jedem dieſer
Gebiete iſt ſie ein Theil der Gemeinſchaft; in jedem iſt ſie durch alle
andern, durch die Geſchichte, durch die Natur, kurz durch alle Elemente,
welche das Geſammtleben bilden, bedingt und beſtimmt. In jedem
derſelben tritt daher auch die perſönliche Form der Gemeinſchaft, der
Staat auf, und ſucht die Bedingungen der individuellen Entwicklung
zu finden und zu ordnen. In jedem derſelben aber muß dieſer Staat
ſeine Thätigkeit nach der Natur des Inhalts dieſer Gemeinſchaft beſtim-
men; ſie iſt ſein Subſtrat, an das er gebunden iſt. Er erhält damit,
ganz ohne ſein Zuthun, drei Gebiete ſeiner Thätigkeit für das Indi-
viduum; das iſt, er hat drei naturgemäße Gebiete ſeiner Verwaltung.
Das erſte iſt die Verwaltung der rein perſönlichen Welt; das zweite
iſt die Verwaltung der wirthſchaftlichen Welt; das dritte iſt die Ver-
waltung der geſellſchaftlichen Welt. Das ſind die Grundlagen des
Syſtems der Verwaltung.

Jeder dieſer Theile bildet nun wieder ein innerlich ſehr reiches
Ganze. Indem wir nun allerdings jedes genauere Eingehen auf die
Ausführung des Syſtems ſelbſt verweiſen, glauben wir doch, daß

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[52/0074] ſie gar kein, im Begriffe der Verwaltung liegendes, eigenes Syſtem haben. Oder, es gibt gar keinen ſyſtematiſchen Inhalt, kein Syſtem der Verwaltung an ſich, ſondern es kann nur ein Syſtem derſel- ben durch das Objekt der Verwaltung geben. Dieß Objekt aber iſt das perſönliche Leben. Es ergibt ſich daraus, daß das Syſtem der Verwaltungslehre, oder der Bethätigung der Verwaltung in dem wirklichen Daſein, kein anderes ſein kann, als der organiſche In- halt des perſönlichen Lebens ſelbſt. Ein anderes iſt wiſſen- ſchaftlich nicht füglich denkbar. Und die Frage über die Richtigkeit eines ſolchen Syſtems der Verwaltung iſt daher nicht die, ob es an ſich richtig ſei, ſondern die, ob der organiſche Inhalt des perſönlichen Lebens darin wirklich vertreten iſt. Das Leben umfaſſend, wie es Gegenſtand der Staatsthätigkeit wird, muß es das Leben enthalten. Und in der That wird es erſt dadurch auch für die lebendige Anſchauung des Einzelnen wie des Ganzen ſeinen Werth bekommen. 3) Dieß Leben der Perſönlichkeit theilt ſich ein faſt von ſelbſt in drei große Grundverhältniſſe. Die Perſönlichkeit iſt zuerſt Perſon, ein körperliches und geiſtiges Leben, für ſich daſeiend, und noch ohne Beziehung zur Güterwelt und zur geſellſchaftlichen Ordnung; dann iſt ſie das, was wir die wirthſchaftliche Perſönlichkeit nennen, die perſönliche Geſtalt des Güterlebens; und endlich iſt ſie ein Glied der großen geſellſchaftlichen Ordnung. Ihr Daſein, ihre Entwicklung, ihr äußeres Heil und ihre äußerlicher Untergang liegen in dieſen drei Gebieten. Es iſt ein viertes gar nicht vorſtellbar. In jedem dieſer Gebiete iſt ſie ein Theil der Gemeinſchaft; in jedem iſt ſie durch alle andern, durch die Geſchichte, durch die Natur, kurz durch alle Elemente, welche das Geſammtleben bilden, bedingt und beſtimmt. In jedem derſelben tritt daher auch die perſönliche Form der Gemeinſchaft, der Staat auf, und ſucht die Bedingungen der individuellen Entwicklung zu finden und zu ordnen. In jedem derſelben aber muß dieſer Staat ſeine Thätigkeit nach der Natur des Inhalts dieſer Gemeinſchaft beſtim- men; ſie iſt ſein Subſtrat, an das er gebunden iſt. Er erhält damit, ganz ohne ſein Zuthun, drei Gebiete ſeiner Thätigkeit für das Indi- viduum; das iſt, er hat drei naturgemäße Gebiete ſeiner Verwaltung. Das erſte iſt die Verwaltung der rein perſönlichen Welt; das zweite iſt die Verwaltung der wirthſchaftlichen Welt; das dritte iſt die Ver- waltung der geſellſchaftlichen Welt. Das ſind die Grundlagen des Syſtems der Verwaltung. Jeder dieſer Theile bildet nun wieder ein innerlich ſehr reiches Ganze. Indem wir nun allerdings jedes genauere Eingehen auf die Ausführung des Syſtems ſelbſt verweiſen, glauben wir doch, daß

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/74>, abgerufen am 04.05.2024.