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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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wenigstens die elementaren Gebiete innerhalb dieser Theile schon hier ihren
Platz finden dürfen, da sie in der That die organischen Grundlagen
nicht bloß der Verwaltung, sondern des menschlichen Lebens
selbst
sind. Das Bild aber, das sich daraus ergibt, ist das folgende:

a) Die persönliche Welt hat an sich, und damit auch als Gegen-
stand und Inhalt der Verwaltung zwei Hauptgebiete, das physische
und das geistige Dasein des Menschen. Diese Unterscheidung wird
in zwar einfacher, aber dennoch systematischer Weise zur Grundlage dieses
ersten Theiles des Systems der Verwaltung.

Das erste Element alles menschlichen Lebens ist die Person als
solche. Sie entsteht, sie vergeht; sie empfängt Namen und Geschlecht;
sie lebt in ihrer Heimath, sie vertheilt sich nach den Verhältnissen der-
selben, sie bewegt sich von einem Ort zum andern. Sie leidet an
Krankheiten, sie sieht die Elemente der Krankheiten sich erzeugen; sie
sucht sie zu bekämpfen; sie umgibt sich mit dem gesammten Resultat
aller menschlichen Naturwissenschaften und Erfahrungen zum Zwecke
dieser Bekämpfung der Krankheiten. Endlich ist sie oft in der Lage,
einer Vertretung durch Andere zu bedürfen, wo der Grund der Unfähig-
keit, sich zu vertreten, nicht in bestimmten Handlungen, sondern in der
Person selber und ihrer theils physischen, theils geistigen Entwicklung
liegt. So hat die Person als solche eine Reihe von ihr eigenthüm-
lichen Lebensverhältnissen, und diese nun treten mit denen anderer Per-
sonen in beständige Berührung, und werden zu Elementen und Bedin-
gungen der Lebensverhältnisse Anderer. Sie fallen dadurch unter das
Gesammtinteresse, und werden damit Gegenstände der Verwaltung, in-
soweit der Einzelne sich nicht allein in diesen Beziehungen zu helfen
vermag. Das erste Hauptgebiet aller Verwaltung ist daher das phy-
sische Leben
der Einzelnen, und dieß zerfällt wieder in drei, in
diesem persönlichen Leben selbst gegebene große Abtheilungen, die in
der Verwaltung als das Bevölkerungswesen mit der Sicherheits-
polizei
, das Gesundheitswesen und das Pflegschaftswesen
selbständig erscheinen.

Das zweite Element des menschlichen Lebens ist der menschliche
Geist
mit seiner selbständigen Bewegung. Der Geist als das höchste
Dasein der Persönlichkeit, kann daher nur da ein Gegenstand der Ge-
sammtthätigkeit werden, wo der Einzelne entweder der Uebrigen bedarf,
oder wo die geistige Entwicklung der Uebrigen durch den Einzelnen ge-
fährdet wird. So entstehen die naturgemäßen Gebiete der Verwaltung
des geistigen Lebens, als: das Unterrichtswesen, in welchem der
Einzelne die unentbehrlichen Voraussetzungen geistiger Entwicklung durch
die Organisation der Gesammtthätigkeit erhält, das Bildungswesen,

wenigſtens die elementaren Gebiete innerhalb dieſer Theile ſchon hier ihren
Platz finden dürfen, da ſie in der That die organiſchen Grundlagen
nicht bloß der Verwaltung, ſondern des menſchlichen Lebens
ſelbſt
ſind. Das Bild aber, das ſich daraus ergibt, iſt das folgende:

a) Die perſönliche Welt hat an ſich, und damit auch als Gegen-
ſtand und Inhalt der Verwaltung zwei Hauptgebiete, das phyſiſche
und das geiſtige Daſein des Menſchen. Dieſe Unterſcheidung wird
in zwar einfacher, aber dennoch ſyſtematiſcher Weiſe zur Grundlage dieſes
erſten Theiles des Syſtems der Verwaltung.

Das erſte Element alles menſchlichen Lebens iſt die Perſon als
ſolche. Sie entſteht, ſie vergeht; ſie empfängt Namen und Geſchlecht;
ſie lebt in ihrer Heimath, ſie vertheilt ſich nach den Verhältniſſen der-
ſelben, ſie bewegt ſich von einem Ort zum andern. Sie leidet an
Krankheiten, ſie ſieht die Elemente der Krankheiten ſich erzeugen; ſie
ſucht ſie zu bekämpfen; ſie umgibt ſich mit dem geſammten Reſultat
aller menſchlichen Naturwiſſenſchaften und Erfahrungen zum Zwecke
dieſer Bekämpfung der Krankheiten. Endlich iſt ſie oft in der Lage,
einer Vertretung durch Andere zu bedürfen, wo der Grund der Unfähig-
keit, ſich zu vertreten, nicht in beſtimmten Handlungen, ſondern in der
Perſon ſelber und ihrer theils phyſiſchen, theils geiſtigen Entwicklung
liegt. So hat die Perſon als ſolche eine Reihe von ihr eigenthüm-
lichen Lebensverhältniſſen, und dieſe nun treten mit denen anderer Per-
ſonen in beſtändige Berührung, und werden zu Elementen und Bedin-
gungen der Lebensverhältniſſe Anderer. Sie fallen dadurch unter das
Geſammtintereſſe, und werden damit Gegenſtände der Verwaltung, in-
ſoweit der Einzelne ſich nicht allein in dieſen Beziehungen zu helfen
vermag. Das erſte Hauptgebiet aller Verwaltung iſt daher das phy-
ſiſche Leben
der Einzelnen, und dieß zerfällt wieder in drei, in
dieſem perſönlichen Leben ſelbſt gegebene große Abtheilungen, die in
der Verwaltung als das Bevölkerungsweſen mit der Sicherheits-
polizei
, das Geſundheitsweſen und das Pflegſchaftsweſen
ſelbſtändig erſcheinen.

Das zweite Element des menſchlichen Lebens iſt der menſchliche
Geiſt
mit ſeiner ſelbſtändigen Bewegung. Der Geiſt als das höchſte
Daſein der Perſönlichkeit, kann daher nur da ein Gegenſtand der Ge-
ſammtthätigkeit werden, wo der Einzelne entweder der Uebrigen bedarf,
oder wo die geiſtige Entwicklung der Uebrigen durch den Einzelnen ge-
fährdet wird. So entſtehen die naturgemäßen Gebiete der Verwaltung
des geiſtigen Lebens, als: das Unterrichtsweſen, in welchem der
Einzelne die unentbehrlichen Vorausſetzungen geiſtiger Entwicklung durch
die Organiſation der Geſammtthätigkeit erhält, das Bildungsweſen,

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[53/0075] wenigſtens die elementaren Gebiete innerhalb dieſer Theile ſchon hier ihren Platz finden dürfen, da ſie in der That die organiſchen Grundlagen nicht bloß der Verwaltung, ſondern des menſchlichen Lebens ſelbſt ſind. Das Bild aber, das ſich daraus ergibt, iſt das folgende: a) Die perſönliche Welt hat an ſich, und damit auch als Gegen- ſtand und Inhalt der Verwaltung zwei Hauptgebiete, das phyſiſche und das geiſtige Daſein des Menſchen. Dieſe Unterſcheidung wird in zwar einfacher, aber dennoch ſyſtematiſcher Weiſe zur Grundlage dieſes erſten Theiles des Syſtems der Verwaltung. Das erſte Element alles menſchlichen Lebens iſt die Perſon als ſolche. Sie entſteht, ſie vergeht; ſie empfängt Namen und Geſchlecht; ſie lebt in ihrer Heimath, ſie vertheilt ſich nach den Verhältniſſen der- ſelben, ſie bewegt ſich von einem Ort zum andern. Sie leidet an Krankheiten, ſie ſieht die Elemente der Krankheiten ſich erzeugen; ſie ſucht ſie zu bekämpfen; ſie umgibt ſich mit dem geſammten Reſultat aller menſchlichen Naturwiſſenſchaften und Erfahrungen zum Zwecke dieſer Bekämpfung der Krankheiten. Endlich iſt ſie oft in der Lage, einer Vertretung durch Andere zu bedürfen, wo der Grund der Unfähig- keit, ſich zu vertreten, nicht in beſtimmten Handlungen, ſondern in der Perſon ſelber und ihrer theils phyſiſchen, theils geiſtigen Entwicklung liegt. So hat die Perſon als ſolche eine Reihe von ihr eigenthüm- lichen Lebensverhältniſſen, und dieſe nun treten mit denen anderer Per- ſonen in beſtändige Berührung, und werden zu Elementen und Bedin- gungen der Lebensverhältniſſe Anderer. Sie fallen dadurch unter das Geſammtintereſſe, und werden damit Gegenſtände der Verwaltung, in- ſoweit der Einzelne ſich nicht allein in dieſen Beziehungen zu helfen vermag. Das erſte Hauptgebiet aller Verwaltung iſt daher das phy- ſiſche Leben der Einzelnen, und dieß zerfällt wieder in drei, in dieſem perſönlichen Leben ſelbſt gegebene große Abtheilungen, die in der Verwaltung als das Bevölkerungsweſen mit der Sicherheits- polizei, das Geſundheitsweſen und das Pflegſchaftsweſen ſelbſtändig erſcheinen. Das zweite Element des menſchlichen Lebens iſt der menſchliche Geiſt mit ſeiner ſelbſtändigen Bewegung. Der Geiſt als das höchſte Daſein der Perſönlichkeit, kann daher nur da ein Gegenſtand der Ge- ſammtthätigkeit werden, wo der Einzelne entweder der Uebrigen bedarf, oder wo die geiſtige Entwicklung der Uebrigen durch den Einzelnen ge- fährdet wird. So entſtehen die naturgemäßen Gebiete der Verwaltung des geiſtigen Lebens, als: das Unterrichtsweſen, in welchem der Einzelne die unentbehrlichen Vorausſetzungen geiſtiger Entwicklung durch die Organiſation der Geſammtthätigkeit erhält, das Bildungsweſen,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/75>, abgerufen am 03.05.2024.