entnommenes System der Angehörigkeit. Ein zweites fast wichtigeres Rechtsverhältniß ergab sich aber daraus, daß die Gewerbe, das gei- stige Element des Berufes in sich aufnehmend, und zugleich sich einen Gesammtbesitz erwerbend, innerhalb der Städte sich selbst als Zunft und Innung zu verwalten und eigene Körperschaften zu bilden be- ginnen. Die Angehörigkeit an eine gewerbliche Zunft wird dadurch zur Bedingung für den Betrieb eines Gewerbes. Und jetzt entsteht inner- halb des Rechts der städtischen Angehörigkeit die weitere Frage, ob das Schutz- oder Vollbürgerthum das Recht auf den städtischen Ge- werbebetrieb enthalte? Die erste und natürlichste Antwort darauf war eine verneinende. Damit entstand dann neben dem Schutz- und Vollbürgerrecht endlich auch noch das Gewerbebürgerrecht, den alten ein neues Element der administrativen Bevölkerungsordnung hinzu- zufügen. In diese schon an sich hinreichend verwickelte Ordnung der Bevölkerung in Stadt und Land trat nun endlich ein letztes Verhält- niß hinzu, das es allerdings auf die Dauer unmöglich machte, bei der- selben stehen zu bleiben. Das war die Ansäßigkeit von Adlichen oder Geistlichen innerhalb der Competenz-Gränzen eines dritten Verwaltungs- körpers, namentlich einer Stadt. Da nämlich die Zuständigkeit des Einzelnen als Ausfluß der gesammten socialen Ordnung erschien, so konnte sie durch den örtlichen Aufenthalt nicht aufgehoben, also die Com- petenz von dem örtlichen Gerichte durch den Aufenthalt nicht eigentlich gewonnen werden. Der Standesgenosse war auch innerhalb der Be- sitzer des andern Standes nur seinem Gerichte, seinem Verwaltungs- organe, zuständig; er behält sein persönliches Forum. Das war einfach. Wie nun aber, wenn derselbe dort einen Grundbesitz gewonnen? Offenbar lag es nahe, den Grundbesitz als der Ortsgemeinde, die Be- sitzer dagegen persönlich als ihrem Stande zuständig zu erkennen. Allein das stimmte nicht immer mit den Interessen der letztern. Sie begannen daher, vertragsmäßig oder durch Privilegien die eigenen Grund- besitzungen auch innerhalb der Städte von der städtischen Zuständig- keit zu befreien; und so entstanden die ständischen Zuständigkeiten, welche wir als die sog. privilegirten Gerichtsstände kennen. Damit war der Grundsatz aufgestellt, daß es neben dem Voll-, Schutz-, und Gewerbebürger noch eine vierte Classe von Einwohnern einer Stadt- gemeinde geben könne, welche keiner von jenen angehören, und doch in gewisser Weise Mitglieder der Gemeinde sind. Dahin gehörten zu- nächst die Adlichen mit ihren Häusern in den Städten, die ja wie in Italien oft förmliche Burgen waren, die Geistlichen mit ihren Kirchen und Klöstern, dann bald auch das ganze Gebiet der Stiftungen, wie Hospitäler, Universitäten, Schulen. Sie sind nicht allenthalben
entnommenes Syſtem der Angehörigkeit. Ein zweites faſt wichtigeres Rechtsverhältniß ergab ſich aber daraus, daß die Gewerbe, das gei- ſtige Element des Berufes in ſich aufnehmend, und zugleich ſich einen Geſammtbeſitz erwerbend, innerhalb der Städte ſich ſelbſt als Zunft und Innung zu verwalten und eigene Körperſchaften zu bilden be- ginnen. Die Angehörigkeit an eine gewerbliche Zunft wird dadurch zur Bedingung für den Betrieb eines Gewerbes. Und jetzt entſteht inner- halb des Rechts der ſtädtiſchen Angehörigkeit die weitere Frage, ob das Schutz- oder Vollbürgerthum das Recht auf den ſtädtiſchen Ge- werbebetrieb enthalte? Die erſte und natürlichſte Antwort darauf war eine verneinende. Damit entſtand dann neben dem Schutz- und Vollbürgerrecht endlich auch noch das Gewerbebürgerrecht, den alten ein neues Element der adminiſtrativen Bevölkerungsordnung hinzu- zufügen. In dieſe ſchon an ſich hinreichend verwickelte Ordnung der Bevölkerung in Stadt und Land trat nun endlich ein letztes Verhält- niß hinzu, das es allerdings auf die Dauer unmöglich machte, bei der- ſelben ſtehen zu bleiben. Das war die Anſäßigkeit von Adlichen oder Geiſtlichen innerhalb der Competenz-Gränzen eines dritten Verwaltungs- körpers, namentlich einer Stadt. Da nämlich die Zuſtändigkeit des Einzelnen als Ausfluß der geſammten ſocialen Ordnung erſchien, ſo konnte ſie durch den örtlichen Aufenthalt nicht aufgehoben, alſo die Com- petenz von dem örtlichen Gerichte durch den Aufenthalt nicht eigentlich gewonnen werden. Der Standesgenoſſe war auch innerhalb der Be- ſitzer des andern Standes nur ſeinem Gerichte, ſeinem Verwaltungs- organe, zuſtändig; er behält ſein perſönliches Forum. Das war einfach. Wie nun aber, wenn derſelbe dort einen Grundbeſitz gewonnen? Offenbar lag es nahe, den Grundbeſitz als der Ortsgemeinde, die Be- ſitzer dagegen perſönlich als ihrem Stande zuſtändig zu erkennen. Allein das ſtimmte nicht immer mit den Intereſſen der letztern. Sie begannen daher, vertragsmäßig oder durch Privilegien die eigenen Grund- beſitzungen auch innerhalb der Städte von der ſtädtiſchen Zuſtändig- keit zu befreien; und ſo entſtanden die ſtändiſchen Zuſtändigkeiten, welche wir als die ſog. privilegirten Gerichtsſtände kennen. Damit war der Grundſatz aufgeſtellt, daß es neben dem Voll-, Schutz-, und Gewerbebürger noch eine vierte Claſſe von Einwohnern einer Stadt- gemeinde geben könne, welche keiner von jenen angehören, und doch in gewiſſer Weiſe Mitglieder der Gemeinde ſind. Dahin gehörten zu- nächſt die Adlichen mit ihren Häuſern in den Städten, die ja wie in Italien oft förmliche Burgen waren, die Geiſtlichen mit ihren Kirchen und Klöſtern, dann bald auch das ganze Gebiet der Stiftungen, wie Hoſpitäler, Univerſitäten, Schulen. Sie ſind nicht allenthalben
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entnommenes Syſtem der Angehörigkeit. Ein zweites faſt wichtigeres
Rechtsverhältniß ergab ſich aber daraus, daß die Gewerbe, das gei-
ſtige Element des Berufes in ſich aufnehmend, und zugleich ſich einen
Geſammtbeſitz erwerbend, innerhalb der Städte ſich ſelbſt als Zunft
und Innung zu verwalten und eigene Körperſchaften zu bilden be-
ginnen. Die Angehörigkeit an eine gewerbliche Zunft wird dadurch zur
Bedingung für den Betrieb eines Gewerbes. Und jetzt entſteht inner-
halb des Rechts der ſtädtiſchen Angehörigkeit die weitere Frage, ob
das Schutz- oder Vollbürgerthum das Recht auf den ſtädtiſchen Ge-
werbebetrieb enthalte? Die erſte und natürlichſte Antwort darauf
war eine verneinende. Damit entſtand dann neben dem Schutz- und
Vollbürgerrecht endlich auch noch das Gewerbebürgerrecht, den
alten ein neues Element der adminiſtrativen Bevölkerungsordnung hinzu-
zufügen. In dieſe ſchon an ſich hinreichend verwickelte Ordnung der
Bevölkerung in Stadt und Land trat nun endlich ein letztes Verhält-
niß hinzu, das es allerdings auf die Dauer unmöglich machte, bei der-
ſelben ſtehen zu bleiben. Das war die Anſäßigkeit von Adlichen oder
Geiſtlichen innerhalb der Competenz-Gränzen eines dritten Verwaltungs-
körpers, namentlich einer Stadt. Da nämlich die Zuſtändigkeit des
Einzelnen als Ausfluß der geſammten ſocialen Ordnung erſchien, ſo
konnte ſie durch den örtlichen Aufenthalt nicht aufgehoben, alſo die Com-
petenz von dem örtlichen Gerichte durch den Aufenthalt nicht eigentlich
gewonnen werden. Der Standesgenoſſe war auch innerhalb der Be-
ſitzer des andern Standes nur ſeinem Gerichte, ſeinem Verwaltungs-
organe, zuſtändig; er behält ſein perſönliches Forum. Das war
einfach. Wie nun aber, wenn derſelbe dort einen Grundbeſitz gewonnen?
Offenbar lag es nahe, den Grundbeſitz als der Ortsgemeinde, die Be-
ſitzer dagegen perſönlich als ihrem Stande zuſtändig zu erkennen. Allein
das ſtimmte nicht immer mit den Intereſſen der letztern. Sie begannen
daher, vertragsmäßig oder durch Privilegien die eigenen Grund-
beſitzungen auch innerhalb der Städte von der ſtädtiſchen Zuſtändig-
keit zu befreien; und ſo entſtanden die ſtändiſchen Zuſtändigkeiten,
welche wir als die ſog. privilegirten Gerichtsſtände kennen. Damit
war der Grundſatz aufgeſtellt, daß es neben dem Voll-, Schutz-, und
Gewerbebürger noch eine vierte Claſſe von Einwohnern einer Stadt-
gemeinde geben könne, welche keiner von jenen angehören, und doch
in gewiſſer Weiſe Mitglieder der Gemeinde ſind. Dahin gehörten zu-
nächſt die Adlichen mit ihren Häuſern in den Städten, die ja wie in
Italien oft förmliche Burgen waren, die Geiſtlichen mit ihren Kirchen
und Klöſtern, dann bald auch das ganze Gebiet der Stiftungen,
wie Hoſpitäler, Univerſitäten, Schulen. Sie ſind nicht allenthalben
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/342>, abgerufen am 24.11.2024.
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