auch hier noch zunächst auf die gerichtliche Competenz des Forums, aber sie erscheint dennoch schon als Vorbereitung der folgenden Epoche. Es ist daher nothwendig, sie auch im Einzelnen ins Auge zu fassen.
Die Gemeindeangehörigkeit als unterschieden von der Gewerbs- angehörigkeit enthält zwei Classen. Die erste ist das eigentliche Gemeinde- bürgerthum, welche das Recht auf thätigen Antheil an der Selbst- verwaltung enthält. Das zweite ist dagegen die bloße Gemeindezustän- digkeit, welche als die Angehörigkeit an das Gemeindegericht erscheint, und das Recht der Angehörigen auf dem durch die Rechtspflege ver- wirklichten Schutz durch die Gemeinde bedeutet. Diejenige Classe der Gemeindeangehörigen, welche auf diese Weise bloß der Gemeinde zu- ständig sind, heißen die Schutzbürger (die Beiwohner, Pfahlbürger, Beisaßen), ein Begriff, den die feudale Landgemeinde natürlich nicht kennen kann. Dieß Schutzbürgerthum, dessen Wesen und Recht bereits Eichhorn, Zöpfl, Zachariä, Gaupp u. a. dargestellt haben, entsteht da- durch, daß die Angehörigen der feudalen Landgemeinde sich dieser An- gehörigkeit entziehen und sich innerhalb der örtlichen Competenz der Stadtgemeinde, des Weichbildes, niederlassen. Das Recht, welches da- durch der Schutzbürger erwirbt, ist aber noch keineswegs ein Hei- mathsrecht, sondern nur das Recht der Zuständigkeit zum städtischen Gericht; von einer Verpflichtung zur Unterstützung, welche die Voraus- setzung und der Inhalt des Heimathswesens ist, ist noch keine Rede. Dagegen entsteht jetzt eben durch den Unterschied der Vollbürger und Pfahl- oder Schutzbürger die Frage, unter welchen Bedingungen erstlich das Schutzbürgerthum, zweitens vom Schutzbürgerthum aus das Vollbürgerthum erworben ward. Die erste Frage bezog sich wesentlich auf das Verhältniß des Gemeindekörpers zu dem feudalen Körper. Das Schutzbürgerthum war für die unfreien Angehörigen der Landgemeinde in ihrem Patrimonialgerichte ein sicheres Mittel, persönliche Freiheit und daneben ein selbständiges Vermögen zu gewinnen; für die Stadt- gemeinde der sicherste Weg, sich billige und willige Arbeitskräfte für die entstehende Industrie zu finden. Die Gemeindeangehörigkeit des Schutzbürgerthums war daher im beständigen Kampfe mit der der Patrimonialgerichte. Oft nun war die Grenze zwischen beiden durch Privilegien festgestellt; oft wurden sie mit den Waffen in der Hand bestimmt; oft aber auch entstand ein förmlicher Rechtsstreit, und dieser führte zu jener Theorie der Gemeindeangehörigkeit, auf die wir oben hindeuteten. Durch diese Theorie entwickelten sich nun die ersten juristischen Grundlagen des Rechts für Erwerb und Verlust der Gemeinde- angehörigkeit, die wir um so mehr aufnehmen müssen, als sie in der That noch die gegenwärtige Angehörigkeit auch für das Heimaths-
auch hier noch zunächſt auf die gerichtliche Competenz des Forums, aber ſie erſcheint dennoch ſchon als Vorbereitung der folgenden Epoche. Es iſt daher nothwendig, ſie auch im Einzelnen ins Auge zu faſſen.
Die Gemeindeangehörigkeit als unterſchieden von der Gewerbs- angehörigkeit enthält zwei Claſſen. Die erſte iſt das eigentliche Gemeinde- bürgerthum, welche das Recht auf thätigen Antheil an der Selbſt- verwaltung enthält. Das zweite iſt dagegen die bloße Gemeindezuſtän- digkeit, welche als die Angehörigkeit an das Gemeindegericht erſcheint, und das Recht der Angehörigen auf dem durch die Rechtspflege ver- wirklichten Schutz durch die Gemeinde bedeutet. Diejenige Claſſe der Gemeindeangehörigen, welche auf dieſe Weiſe bloß der Gemeinde zu- ſtändig ſind, heißen die Schutzbürger (die Beiwohner, Pfahlbürger, Beiſaßen), ein Begriff, den die feudale Landgemeinde natürlich nicht kennen kann. Dieß Schutzbürgerthum, deſſen Weſen und Recht bereits Eichhorn, Zöpfl, Zachariä, Gaupp u. a. dargeſtellt haben, entſteht da- durch, daß die Angehörigen der feudalen Landgemeinde ſich dieſer An- gehörigkeit entziehen und ſich innerhalb der örtlichen Competenz der Stadtgemeinde, des Weichbildes, niederlaſſen. Das Recht, welches da- durch der Schutzbürger erwirbt, iſt aber noch keineswegs ein Hei- mathsrecht, ſondern nur das Recht der Zuſtändigkeit zum ſtädtiſchen Gericht; von einer Verpflichtung zur Unterſtützung, welche die Voraus- ſetzung und der Inhalt des Heimathsweſens iſt, iſt noch keine Rede. Dagegen entſteht jetzt eben durch den Unterſchied der Vollbürger und Pfahl- oder Schutzbürger die Frage, unter welchen Bedingungen erſtlich das Schutzbürgerthum, zweitens vom Schutzbürgerthum aus das Vollbürgerthum erworben ward. Die erſte Frage bezog ſich weſentlich auf das Verhältniß des Gemeindekörpers zu dem feudalen Körper. Das Schutzbürgerthum war für die unfreien Angehörigen der Landgemeinde in ihrem Patrimonialgerichte ein ſicheres Mittel, perſönliche Freiheit und daneben ein ſelbſtändiges Vermögen zu gewinnen; für die Stadt- gemeinde der ſicherſte Weg, ſich billige und willige Arbeitskräfte für die entſtehende Induſtrie zu finden. Die Gemeindeangehörigkeit des Schutzbürgerthums war daher im beſtändigen Kampfe mit der der Patrimonialgerichte. Oft nun war die Grenze zwiſchen beiden durch Privilegien feſtgeſtellt; oft wurden ſie mit den Waffen in der Hand beſtimmt; oft aber auch entſtand ein förmlicher Rechtsſtreit, und dieſer führte zu jener Theorie der Gemeindeangehörigkeit, auf die wir oben hindeuteten. Durch dieſe Theorie entwickelten ſich nun die erſten juriſtiſchen Grundlagen des Rechts für Erwerb und Verluſt der Gemeinde- angehörigkeit, die wir um ſo mehr aufnehmen müſſen, als ſie in der That noch die gegenwärtige Angehörigkeit auch für das Heimaths-
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auch hier noch zunächſt auf die gerichtliche Competenz des Forums,
aber ſie erſcheint dennoch ſchon als Vorbereitung der folgenden Epoche.
Es iſt daher nothwendig, ſie auch im Einzelnen ins Auge zu faſſen.
Die Gemeindeangehörigkeit als unterſchieden von der Gewerbs-
angehörigkeit enthält zwei Claſſen. Die erſte iſt das eigentliche Gemeinde-
bürgerthum, welche das Recht auf thätigen Antheil an der Selbſt-
verwaltung enthält. Das zweite iſt dagegen die bloße Gemeindezuſtän-
digkeit, welche als die Angehörigkeit an das Gemeindegericht erſcheint,
und das Recht der Angehörigen auf dem durch die Rechtspflege ver-
wirklichten Schutz durch die Gemeinde bedeutet. Diejenige Claſſe der
Gemeindeangehörigen, welche auf dieſe Weiſe bloß der Gemeinde zu-
ſtändig ſind, heißen die Schutzbürger (die Beiwohner, Pfahlbürger,
Beiſaßen), ein Begriff, den die feudale Landgemeinde natürlich nicht
kennen kann. Dieß Schutzbürgerthum, deſſen Weſen und Recht bereits
Eichhorn, Zöpfl, Zachariä, Gaupp u. a. dargeſtellt haben, entſteht da-
durch, daß die Angehörigen der feudalen Landgemeinde ſich dieſer An-
gehörigkeit entziehen und ſich innerhalb der örtlichen Competenz der
Stadtgemeinde, des Weichbildes, niederlaſſen. Das Recht, welches da-
durch der Schutzbürger erwirbt, iſt aber noch keineswegs ein Hei-
mathsrecht, ſondern nur das Recht der Zuſtändigkeit zum ſtädtiſchen
Gericht; von einer Verpflichtung zur Unterſtützung, welche die Voraus-
ſetzung und der Inhalt des Heimathsweſens iſt, iſt noch keine Rede.
Dagegen entſteht jetzt eben durch den Unterſchied der Vollbürger und
Pfahl- oder Schutzbürger die Frage, unter welchen Bedingungen erſtlich
das Schutzbürgerthum, zweitens vom Schutzbürgerthum aus das
Vollbürgerthum erworben ward. Die erſte Frage bezog ſich weſentlich
auf das Verhältniß des Gemeindekörpers zu dem feudalen Körper. Das
Schutzbürgerthum war für die unfreien Angehörigen der Landgemeinde
in ihrem Patrimonialgerichte ein ſicheres Mittel, perſönliche Freiheit
und daneben ein ſelbſtändiges Vermögen zu gewinnen; für die Stadt-
gemeinde der ſicherſte Weg, ſich billige und willige Arbeitskräfte für
die entſtehende Induſtrie zu finden. Die Gemeindeangehörigkeit des
Schutzbürgerthums war daher im beſtändigen Kampfe mit der der
Patrimonialgerichte. Oft nun war die Grenze zwiſchen beiden durch
Privilegien feſtgeſtellt; oft wurden ſie mit den Waffen in der Hand
beſtimmt; oft aber auch entſtand ein förmlicher Rechtsſtreit, und dieſer
führte zu jener Theorie der Gemeindeangehörigkeit, auf die wir oben
hindeuteten. Durch dieſe Theorie entwickelten ſich nun die erſten juriſtiſchen
Grundlagen des Rechts für Erwerb und Verluſt der Gemeinde-
angehörigkeit, die wir um ſo mehr aufnehmen müſſen, als ſie in
der That noch die gegenwärtige Angehörigkeit auch für das Heimaths-
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/340>, abgerufen am 24.11.2024.
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