2) Competenz und Zuständigkeit. Indem nun auf diese Weise die selbständige Verwaltungsthätigkeit der Selbstverwaltungs- körper in Frankreich wegfällt und sich bloß auf die berathende Funktion reducirt, gibt es auch nur Einen die Gesammtheit aller Verhältnisse umfassenden und ordnenden Begriff für die Competenz. Frankreich kennt keine Competenz der Gemeinden, sondern nur eine amtliche, die das gesammte Staatsleben durchdringt. Jede Berechtigung irgend eines Organes der Vollziehungsgewalt fällt daher hier unter den Begriff der Competenz, und daher ist es auch Frankreich, dessen Theorie zuerst erkannt hat, daß es so viel Arten der Competenz gibt, als Verwal- tungsfunctionen vorhanden sind. Das französische Recht unterscheidet daher die competence civile, criminelle, commercielle, admini- strative u. s. w. Allein der Begriff der Competence administrative hat dennoch auch hier seinen juristischen Charakter beibehalten. Man versteht nämlich darunter nicht speziell den amtlichen Wir- kungskreis in Verwaltungsangelegenheiten, sondern die Competenz in den Verwaltungsprocessen der voie contentieuse und gracieuse (s. vollziehende Gewalt S. 121 ff.). Der Begriff der Zu- ständigkeit erscheint daher bei den Franzosen auch in der Verwaltung wesentlich als ein Domicil, ohne daß sie es jedoch von dem domicile politique zu unterscheiden vermöchten. Die Gemeindecompetenz existirt daher weder in dem Sinne Englands für die Verwaltungsgemeinde, noch im Sinne Deutschlands für die Ortsgemeinde; an ihre Stelle tritt in allen Beziehungen die Competenz des Maire als örtlichen Voll- ziehungsbeamteten. Alle örtlichen Aufgaben der Verwaltung gehören dem Maire und damit dem Amte, und das System der amtlichen Or- ganisation ist daher hier identisch mit dem Systeme der admini- strativen Bevölkerungsordnung.
Nur auf Einem Punkte entsteht auch hier eine Abweichung, und das ist das Armenunterstützungsrecht oder die Armenheimath.
3) Die Armenheimath Frankreichs. Die eigenthümliche Ge- stalt, welche das Heimathsrecht in Frankreich angenommen, beruht ihrer- seits auf der gleichfalls Frankreich eigenthümlichen Ordnung der Armen- pflege, und es ist unthunlich, das erste als Schlußpunkt der admini- strativen Ordnung der Bevölkerung zu bestimmen, wenn man nicht diese, von England sowohl als von Deutschland sich wesentlich unterscheidende Armenpflege kurz charakterisirt.
Wir müssen uns hier, um nicht der Darstellung des Armenwesens vorzugreifen, auf diejenige Ordnung beschränken, welche seit der Revo- lution hergestellt ist und ihren Grundzügen nach gegenwärtig gilt.
Die Armenpflege vor der Revolution beruhte in Frankreich, im
2) Competenz und Zuſtändigkeit. Indem nun auf dieſe Weiſe die ſelbſtändige Verwaltungsthätigkeit der Selbſtverwaltungs- körper in Frankreich wegfällt und ſich bloß auf die berathende Funktion reducirt, gibt es auch nur Einen die Geſammtheit aller Verhältniſſe umfaſſenden und ordnenden Begriff für die Competenz. Frankreich kennt keine Competenz der Gemeinden, ſondern nur eine amtliche, die das geſammte Staatsleben durchdringt. Jede Berechtigung irgend eines Organes der Vollziehungsgewalt fällt daher hier unter den Begriff der Competenz, und daher iſt es auch Frankreich, deſſen Theorie zuerſt erkannt hat, daß es ſo viel Arten der Competenz gibt, als Verwal- tungsfunctionen vorhanden ſind. Das franzöſiſche Recht unterſcheidet daher die compétence civile, criminelle, commercielle, admini- strative u. ſ. w. Allein der Begriff der Compétence administrative hat dennoch auch hier ſeinen juriſtiſchen Charakter beibehalten. Man verſteht nämlich darunter nicht ſpeziell den amtlichen Wir- kungskreis in Verwaltungsangelegenheiten, ſondern die Competenz in den Verwaltungsproceſſen der voie contentieuse und gracieuse (ſ. vollziehende Gewalt S. 121 ff.). Der Begriff der Zu- ſtändigkeit erſcheint daher bei den Franzoſen auch in der Verwaltung weſentlich als ein Domicil, ohne daß ſie es jedoch von dem domicile politique zu unterſcheiden vermöchten. Die Gemeindecompetenz exiſtirt daher weder in dem Sinne Englands für die Verwaltungsgemeinde, noch im Sinne Deutſchlands für die Ortsgemeinde; an ihre Stelle tritt in allen Beziehungen die Competenz des Maire als örtlichen Voll- ziehungsbeamteten. Alle örtlichen Aufgaben der Verwaltung gehören dem Maire und damit dem Amte, und das Syſtem der amtlichen Or- ganiſation iſt daher hier identiſch mit dem Syſteme der admini- ſtrativen Bevölkerungsordnung.
Nur auf Einem Punkte entſteht auch hier eine Abweichung, und das iſt das Armenunterſtützungsrecht oder die Armenheimath.
3) Die Armenheimath Frankreichs. Die eigenthümliche Ge- ſtalt, welche das Heimathsrecht in Frankreich angenommen, beruht ihrer- ſeits auf der gleichfalls Frankreich eigenthümlichen Ordnung der Armen- pflege, und es iſt unthunlich, das erſte als Schlußpunkt der admini- ſtrativen Ordnung der Bevölkerung zu beſtimmen, wenn man nicht dieſe, von England ſowohl als von Deutſchland ſich weſentlich unterſcheidende Armenpflege kurz charakteriſirt.
Wir müſſen uns hier, um nicht der Darſtellung des Armenweſens vorzugreifen, auf diejenige Ordnung beſchränken, welche ſeit der Revo- lution hergeſtellt iſt und ihren Grundzügen nach gegenwärtig gilt.
Die Armenpflege vor der Revolution beruhte in Frankreich, im
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2) Competenz und Zuſtändigkeit. Indem nun auf dieſe
Weiſe die ſelbſtändige Verwaltungsthätigkeit der Selbſtverwaltungs-
körper in Frankreich wegfällt und ſich bloß auf die berathende Funktion
reducirt, gibt es auch nur Einen die Geſammtheit aller Verhältniſſe
umfaſſenden und ordnenden Begriff für die Competenz. Frankreich kennt
keine Competenz der Gemeinden, ſondern nur eine amtliche, die das
geſammte Staatsleben durchdringt. Jede Berechtigung irgend eines
Organes der Vollziehungsgewalt fällt daher hier unter den Begriff der
Competenz, und daher iſt es auch Frankreich, deſſen Theorie zuerſt
erkannt hat, daß es ſo viel Arten der Competenz gibt, als Verwal-
tungsfunctionen vorhanden ſind. Das franzöſiſche Recht unterſcheidet
daher die compétence civile, criminelle, commercielle, admini-
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hat dennoch auch hier ſeinen juriſtiſchen Charakter beibehalten.
Man verſteht nämlich darunter nicht ſpeziell den amtlichen Wir-
kungskreis in Verwaltungsangelegenheiten, ſondern die Competenz in
den Verwaltungsproceſſen der voie contentieuse und
gracieuse (ſ. vollziehende Gewalt S. 121 ff.). Der Begriff der Zu-
ſtändigkeit erſcheint daher bei den Franzoſen auch in der Verwaltung
weſentlich als ein Domicil, ohne daß ſie es jedoch von dem domicile
politique zu unterſcheiden vermöchten. Die Gemeindecompetenz exiſtirt
daher weder in dem Sinne Englands für die Verwaltungsgemeinde,
noch im Sinne Deutſchlands für die Ortsgemeinde; an ihre Stelle tritt
in allen Beziehungen die Competenz des Maire als örtlichen Voll-
ziehungsbeamteten. Alle örtlichen Aufgaben der Verwaltung gehören
dem Maire und damit dem Amte, und das Syſtem der amtlichen Or-
ganiſation iſt daher hier identiſch mit dem Syſteme der admini-
ſtrativen Bevölkerungsordnung.
Nur auf Einem Punkte entſteht auch hier eine Abweichung, und
das iſt das Armenunterſtützungsrecht oder die Armenheimath.
3) Die Armenheimath Frankreichs. Die eigenthümliche Ge-
ſtalt, welche das Heimathsrecht in Frankreich angenommen, beruht ihrer-
ſeits auf der gleichfalls Frankreich eigenthümlichen Ordnung der Armen-
pflege, und es iſt unthunlich, das erſte als Schlußpunkt der admini-
ſtrativen Ordnung der Bevölkerung zu beſtimmen, wenn man nicht dieſe,
von England ſowohl als von Deutſchland ſich weſentlich unterſcheidende
Armenpflege kurz charakteriſirt.
Wir müſſen uns hier, um nicht der Darſtellung des Armenweſens
vorzugreifen, auf diejenige Ordnung beſchränken, welche ſeit der Revo-
lution hergeſtellt iſt und ihren Grundzügen nach gegenwärtig gilt.
Die Armenpflege vor der Revolution beruhte in Frankreich, im
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/325>, abgerufen am 18.07.2024.
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