Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.erworben 1) durch Geburt, 2) durch Grundbesitz, 3) durch Aufenthalt, Wir haben diesen ganzen Gang der Entwicklung nicht bloß darum erworben 1) durch Geburt, 2) durch Grundbeſitz, 3) durch Aufenthalt, Wir haben dieſen ganzen Gang der Entwicklung nicht bloß darum <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0317" n="295"/><hi rendition="#g">erworben</hi> 1) durch Geburt, 2) durch Grundbeſitz, 3) durch Aufenthalt,<lb/> Dienſt- oder Lehrlingsverhältniß in 40 Tagen. Da aber dieſer Erwerb<lb/> für den Einzelnen die Verpflichtung für das Ganze enthielt, ihm für<lb/> das ganze Leben die Armenunterſtützung zu geben, ſo war es gerecht,<lb/> die Belaſtung mit dieſer Verpflichtung nicht durch die bloße willkür-<lb/> liche und zufällige Thatſache des Aufenthalts, alſo durch die Willkür<lb/> des Einzelnen, erzeugen zu laſſen. Daraus entſtand der Satz, der für<lb/> Europa maßgebend ward, daß die Bedingung für den Erwerb dieſer<lb/> Zuſtändigkeit in dem <hi rendition="#g">Vorhandenſein der Erwerbsfähigkeit</hi>,<lb/> alſo in diejenige Bedingung geſetzt werden ſolle, welche eben <hi rendition="#g">den<lb/> Erwerb des Heimathsrechts als ſolchen werthlos für den<lb/> Erwerber machte</hi>. Die <hi rendition="#aq">Settlement-Act</hi> beſtimmte demgemäß, daß<lb/> auf Antrag der Kirchſpielsbeamten zwei Friedensrichter ermächtigt ſein<lb/> ſollten, jede Perſon, die dem <hi rendition="#g">Kirchſpiel zur Laſt zu fallen drohte</hi>,<lb/> binnen jener 40 Tage in ihre bisherige geſetzliche Heimath zurückzuſchicken<lb/> (<hi rendition="#aq">to remove,</hi> woher die <hi rendition="#aq">Settlement-Act</hi> auch wohl <hi rendition="#aq">Removal-Act</hi> heißt).<lb/> Um endlich den freien Verkehr nicht zu ſtören, ſollte die Erhaltung des<lb/> bisherigen Heimathsrechts durch einen <hi rendition="#g">Heimathſchein</hi>, den der Ar-<lb/> beiter mit ſich führte, auch über vierzig Tage hinaus gültig ſein.</p><lb/> <p>Wir haben dieſen ganzen Gang der Entwicklung nicht bloß darum<lb/> weitläuftiger gegeben, weil er ſonſt gewöhnlich nicht klar aufgefaßt<lb/> worden iſt, ſondern auch weſentlich darum, weil er den Grundzug für<lb/> die Armenzuſtändigkeit jeder gezwungenen Armenpflege in Europa ge-<lb/> bildet hat, und ewig bilden wird. Man kann ſehr verſchiedener Anſicht<lb/> darüber ſein, ob es richtig oder falſch iſt, ſtaatliche Armenunterſtützung<lb/> einzuführen. Allein <hi rendition="#g">wenn</hi> man ſie will, gleichviel in welcher Form,<lb/> ſo wird das Princip des Heimathsrechts unbedingt im Weſentlichen das<lb/> der <hi rendition="#aq">Settlement-Act</hi> ſein müſſen. Und dies Princip beſteht darin, die<lb/> Zuſtändigkeit des Beſitzloſen in Beziehung auf das Armenweſen ſo viel<lb/> als möglich auf die <hi rendition="#g">natürliche Heimath</hi>, das iſt die durch Geburt<lb/> erworbene, <hi rendition="#g">zurückzuwerfen</hi>, und den <hi rendition="#g">wirthſchaftlichen</hi> Aufent-<lb/> halt zwar in allen übrigen Functionen der Verwaltung, aber <hi rendition="#g">ſo wenig<lb/> als möglich im Gebiete der Armenverwaltung</hi> zur Zuſtändig-<lb/> keit werden zu laſſen. Die <hi rendition="#g">Willkür</hi> oder das <hi rendition="#g">Intereſſe</hi> des Be-<lb/> ſitzloſen ſoll vermöge der einfachen Thatſache des Aufenthalts <hi rendition="#g">keine<lb/> Armenzuſtändigkeit, das iſt kein Heimathsrecht geben</hi>.<lb/> Um dieß zu gewinnen, wird vielmehr gefordert, daß der Ankömmling<lb/> entweder ſeine wirthſchaftliche Selbſtändigkeit durch Erwerb eines <hi rendition="#g">Grund-<lb/> beſitzes</hi> ſelbſt beſtätige, oder daß die Gemeinde — gleichviel ob Orts-<lb/> oder Verwaltungsgemeinde — das Vorhandenſein derſelben <hi rendition="#g">freiwillig<lb/> anerkenne</hi>. Dieſe Principien können <hi rendition="#g">nur da</hi> beſeitigt werden, wo<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [295/0317]
erworben 1) durch Geburt, 2) durch Grundbeſitz, 3) durch Aufenthalt,
Dienſt- oder Lehrlingsverhältniß in 40 Tagen. Da aber dieſer Erwerb
für den Einzelnen die Verpflichtung für das Ganze enthielt, ihm für
das ganze Leben die Armenunterſtützung zu geben, ſo war es gerecht,
die Belaſtung mit dieſer Verpflichtung nicht durch die bloße willkür-
liche und zufällige Thatſache des Aufenthalts, alſo durch die Willkür
des Einzelnen, erzeugen zu laſſen. Daraus entſtand der Satz, der für
Europa maßgebend ward, daß die Bedingung für den Erwerb dieſer
Zuſtändigkeit in dem Vorhandenſein der Erwerbsfähigkeit,
alſo in diejenige Bedingung geſetzt werden ſolle, welche eben den
Erwerb des Heimathsrechts als ſolchen werthlos für den
Erwerber machte. Die Settlement-Act beſtimmte demgemäß, daß
auf Antrag der Kirchſpielsbeamten zwei Friedensrichter ermächtigt ſein
ſollten, jede Perſon, die dem Kirchſpiel zur Laſt zu fallen drohte,
binnen jener 40 Tage in ihre bisherige geſetzliche Heimath zurückzuſchicken
(to remove, woher die Settlement-Act auch wohl Removal-Act heißt).
Um endlich den freien Verkehr nicht zu ſtören, ſollte die Erhaltung des
bisherigen Heimathsrechts durch einen Heimathſchein, den der Ar-
beiter mit ſich führte, auch über vierzig Tage hinaus gültig ſein.
Wir haben dieſen ganzen Gang der Entwicklung nicht bloß darum
weitläuftiger gegeben, weil er ſonſt gewöhnlich nicht klar aufgefaßt
worden iſt, ſondern auch weſentlich darum, weil er den Grundzug für
die Armenzuſtändigkeit jeder gezwungenen Armenpflege in Europa ge-
bildet hat, und ewig bilden wird. Man kann ſehr verſchiedener Anſicht
darüber ſein, ob es richtig oder falſch iſt, ſtaatliche Armenunterſtützung
einzuführen. Allein wenn man ſie will, gleichviel in welcher Form,
ſo wird das Princip des Heimathsrechts unbedingt im Weſentlichen das
der Settlement-Act ſein müſſen. Und dies Princip beſteht darin, die
Zuſtändigkeit des Beſitzloſen in Beziehung auf das Armenweſen ſo viel
als möglich auf die natürliche Heimath, das iſt die durch Geburt
erworbene, zurückzuwerfen, und den wirthſchaftlichen Aufent-
halt zwar in allen übrigen Functionen der Verwaltung, aber ſo wenig
als möglich im Gebiete der Armenverwaltung zur Zuſtändig-
keit werden zu laſſen. Die Willkür oder das Intereſſe des Be-
ſitzloſen ſoll vermöge der einfachen Thatſache des Aufenthalts keine
Armenzuſtändigkeit, das iſt kein Heimathsrecht geben.
Um dieß zu gewinnen, wird vielmehr gefordert, daß der Ankömmling
entweder ſeine wirthſchaftliche Selbſtändigkeit durch Erwerb eines Grund-
beſitzes ſelbſt beſtätige, oder daß die Gemeinde — gleichviel ob Orts-
oder Verwaltungsgemeinde — das Vorhandenſein derſelben freiwillig
anerkenne. Dieſe Principien können nur da beſeitigt werden, wo
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |