Diese Thatsache wird nun von großer Wichtigkeit für die folgende Zeit. Denn die Dehnbarkeit des Begriffs der Hoheitsrechte wird da- durch identisch mit der Ausdehnung des königlichen Rechts, die allmählig entstehenden öffentlichen Angelegenheiten überhaupt auf einfachem Ver- ordnungswege zu verwalten. Was irgend als Regal sich darstellen läßt, erscheint an und für sich der Gesetzgebung im ursprünglichen Be- griffe entzogen, und dem persönlichen Willen des Königthums eben so gut unterworfen, wie die Domänen und der Privatbesitz desselben. In der That aber ist schon damals die ganze entstehende Verwaltung in der Regalität enthalten. Das natürliche Verständniß ergab den Satz selbst in jener wenig philosophisch gebildeten Zeit, daß alle Anstalten welche dem allgemeinen Interesse dienen, Anstalten des Staats sein müssen; daß nur der Staat die Fähigkeit habe, sie einzurichten und zu betreiben; sie sind es daher, welche den bis dahin abstrakten Begriff des Staats mit einem concreten Inhalt erfüllen; sie sind die Ver- waltung der ständischen Epoche. Und auf diese Weise begründet sich nun der, mit seinen Consequenzen bis zur heutigen Zeit reichende Satz, daß überhaupt die Verwaltung keinen Gegenstand der Gesetzgebung, sondern nur der Verordnungsgewalt und mithin des Verordnungsrechts bilde. Auf diesem Punkte ist es daher auch, wo sich der Kampf zwi- schen den beiden Rechten später am lebhaftesten entwickelt und am mei- sten verwirrt. Denn in der That ist gerade die Verwaltung sowohl im weitern als im engern Sinn das Gebiet der Gesetzgebung; hat sie hier keine Aufgaben, so hat sie überhaupt nur wenig zu thun; diese Aufgaben aber betrachtete das Verordnungsrecht als seine Domäne, und nicht ohne den hartnäckigsten Widerstand hat es dasselbe so weit hergegeben, als es das thun mußte.
Nur ein Gebiet aus der Verwaltung erhielt sich selbst in dieser Zeit die eigentliche Gesetzgebung, und das war das Recht und die Rechtspflege. Es war allerdings klar, daß bei der zunehmenden Ent- wicklung der Verordnungsgewalt nur in dem Recht und der Rechtspflege ein Schutz der bürgerlichen Freiheit zu finden war, und eben so gewiß waren es Recht und Gericht, welche die erste Grundlage der Entwicklung des Volkslebens, die Sicherung und Ordnung von Gewerbe und Ver- kehr über die verwirrten Zustände der Epoche des Faustrechts erhoben. Recht und Gericht erscheinen daher als das bei weitem wichtigste Ge- biet der öffentlichen Thätigkeit; es war undenkbar, dasselbe wie die übrige Verwaltung der Verordnungsgewalt zu überlassen. Dazu kam, was nicht minder wesentlich war, daß das Recht zugleich den Schutz der Grundlage der ständischen Ordnung, die Vertheilung und die Vorrechte des Besitzes enthielt und schützte; eine Ueberlassung der
Dieſe Thatſache wird nun von großer Wichtigkeit für die folgende Zeit. Denn die Dehnbarkeit des Begriffs der Hoheitsrechte wird da- durch identiſch mit der Ausdehnung des königlichen Rechts, die allmählig entſtehenden öffentlichen Angelegenheiten überhaupt auf einfachem Ver- ordnungswege zu verwalten. Was irgend als Regal ſich darſtellen läßt, erſcheint an und für ſich der Geſetzgebung im urſprünglichen Be- griffe entzogen, und dem perſönlichen Willen des Königthums eben ſo gut unterworfen, wie die Domänen und der Privatbeſitz deſſelben. In der That aber iſt ſchon damals die ganze entſtehende Verwaltung in der Regalität enthalten. Das natürliche Verſtändniß ergab den Satz ſelbſt in jener wenig philoſophiſch gebildeten Zeit, daß alle Anſtalten welche dem allgemeinen Intereſſe dienen, Anſtalten des Staats ſein müſſen; daß nur der Staat die Fähigkeit habe, ſie einzurichten und zu betreiben; ſie ſind es daher, welche den bis dahin abſtrakten Begriff des Staats mit einem concreten Inhalt erfüllen; ſie ſind die Ver- waltung der ſtändiſchen Epoche. Und auf dieſe Weiſe begründet ſich nun der, mit ſeinen Conſequenzen bis zur heutigen Zeit reichende Satz, daß überhaupt die Verwaltung keinen Gegenſtand der Geſetzgebung, ſondern nur der Verordnungsgewalt und mithin des Verordnungsrechts bilde. Auf dieſem Punkte iſt es daher auch, wo ſich der Kampf zwi- ſchen den beiden Rechten ſpäter am lebhafteſten entwickelt und am mei- ſten verwirrt. Denn in der That iſt gerade die Verwaltung ſowohl im weitern als im engern Sinn das Gebiet der Geſetzgebung; hat ſie hier keine Aufgaben, ſo hat ſie überhaupt nur wenig zu thun; dieſe Aufgaben aber betrachtete das Verordnungsrecht als ſeine Domäne, und nicht ohne den hartnäckigſten Widerſtand hat es daſſelbe ſo weit hergegeben, als es das thun mußte.
Nur ein Gebiet aus der Verwaltung erhielt ſich ſelbſt in dieſer Zeit die eigentliche Geſetzgebung, und das war das Recht und die Rechtspflege. Es war allerdings klar, daß bei der zunehmenden Ent- wicklung der Verordnungsgewalt nur in dem Recht und der Rechtspflege ein Schutz der bürgerlichen Freiheit zu finden war, und eben ſo gewiß waren es Recht und Gericht, welche die erſte Grundlage der Entwicklung des Volkslebens, die Sicherung und Ordnung von Gewerbe und Ver- kehr über die verwirrten Zuſtände der Epoche des Fauſtrechts erhoben. Recht und Gericht erſcheinen daher als das bei weitem wichtigſte Ge- biet der öffentlichen Thätigkeit; es war undenkbar, daſſelbe wie die übrige Verwaltung der Verordnungsgewalt zu überlaſſen. Dazu kam, was nicht minder weſentlich war, daß das Recht zugleich den Schutz der Grundlage der ſtändiſchen Ordnung, die Vertheilung und die Vorrechte des Beſitzes enthielt und ſchützte; eine Ueberlaſſung der
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Dieſe Thatſache wird nun von großer Wichtigkeit für die folgende
Zeit. Denn die Dehnbarkeit des Begriffs der Hoheitsrechte wird da-
durch identiſch mit der Ausdehnung des königlichen Rechts, die allmählig
entſtehenden öffentlichen Angelegenheiten überhaupt auf einfachem Ver-
ordnungswege zu verwalten. Was irgend als Regal ſich darſtellen
läßt, erſcheint an und für ſich der Geſetzgebung im urſprünglichen Be-
griffe entzogen, und dem perſönlichen Willen des Königthums eben ſo
gut unterworfen, wie die Domänen und der Privatbeſitz deſſelben. In
der That aber iſt ſchon damals die ganze entſtehende Verwaltung in
der Regalität enthalten. Das natürliche Verſtändniß ergab den Satz
ſelbſt in jener wenig philoſophiſch gebildeten Zeit, daß alle Anſtalten
welche dem allgemeinen Intereſſe dienen, Anſtalten des Staats ſein
müſſen; daß nur der Staat die Fähigkeit habe, ſie einzurichten und zu
betreiben; ſie ſind es daher, welche den bis dahin abſtrakten Begriff
des Staats mit einem concreten Inhalt erfüllen; ſie ſind die Ver-
waltung der ſtändiſchen Epoche. Und auf dieſe Weiſe begründet ſich
nun der, mit ſeinen Conſequenzen bis zur heutigen Zeit reichende Satz,
daß überhaupt die Verwaltung keinen Gegenſtand der Geſetzgebung,
ſondern nur der Verordnungsgewalt und mithin des Verordnungsrechts
bilde. Auf dieſem Punkte iſt es daher auch, wo ſich der Kampf zwi-
ſchen den beiden Rechten ſpäter am lebhafteſten entwickelt und am mei-
ſten verwirrt. Denn in der That iſt gerade die Verwaltung ſowohl
im weitern als im engern Sinn das Gebiet der Geſetzgebung; hat ſie
hier keine Aufgaben, ſo hat ſie überhaupt nur wenig zu thun; dieſe
Aufgaben aber betrachtete das Verordnungsrecht als ſeine Domäne,
und nicht ohne den hartnäckigſten Widerſtand hat es daſſelbe ſo weit
hergegeben, als es das thun mußte.
Nur ein Gebiet aus der Verwaltung erhielt ſich ſelbſt in dieſer
Zeit die eigentliche Geſetzgebung, und das war das Recht und die
Rechtspflege. Es war allerdings klar, daß bei der zunehmenden Ent-
wicklung der Verordnungsgewalt nur in dem Recht und der Rechtspflege
ein Schutz der bürgerlichen Freiheit zu finden war, und eben ſo gewiß
waren es Recht und Gericht, welche die erſte Grundlage der Entwicklung
des Volkslebens, die Sicherung und Ordnung von Gewerbe und Ver-
kehr über die verwirrten Zuſtände der Epoche des Fauſtrechts erhoben.
Recht und Gericht erſcheinen daher als das bei weitem wichtigſte Ge-
biet der öffentlichen Thätigkeit; es war undenkbar, daſſelbe wie die
übrige Verwaltung der Verordnungsgewalt zu überlaſſen. Dazu kam,
was nicht minder weſentlich war, daß das Recht zugleich den Schutz
der Grundlage der ſtändiſchen Ordnung, die Vertheilung und die
Vorrechte des Beſitzes enthielt und ſchützte; eine Ueberlaſſung der
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/81>, abgerufen am 26.11.2024.
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