den etwaigen Ueberschuß oder den Ausfall an die Mitglieder zu ver- theilen.
Die erste dieser Aufgaben wird immer auf einer Wahrscheinlich- keitsrechnung beruhen, deren Anstellung und Begründung die erste Pflicht der Verwaltung ist. Die zweite ist die Eintreibung und Auszahlung der gegenseitigen Verpflichtungen; die dritte endlich muß als Erhöhung oder Verminderung der Leistung des einzelnen Mitgliedes zur Erschei- nung gelangen. Es ergibt sich daraus das Princip der Verwaltung der Gegenseitigkeitsvereine, welches dem Zwecke derselben entspricht. Die Verwaltung derselben soll so eingerichtet sein, daß sie die möglichst großen Leistungen des Vereins an seine Mitglieder gegen die möglichst geringen Leistungen der Mitglieder an den Verein erzielen soll. Damit aber hier die individuellen Auffassungen in der Verwaltung selbst nicht das richtige Maß gefährden, muß das durch Wissenschaft und Erfahrung festgestellte Maß beider Verpflichtungen zum Recht für beide Theile, das Mitglied und den Verein gemacht, und dem ersteren gegen seine auf diesem Wege objektiv bestimmten Leistungen ein rechtlicher Anspruch auf eine gleichfalls objektiv bestimmte Gegenleistung von Seiten des ganzen Vereins gegeben werden. Die Vereinsverwaltung hat demgemäß die Aufgabe, durch richtige Bemessung der ersteren Leistung für alle Mitglieder den Verein zur Leistung gegen das einzelne Mitglied fähig zu machen. Es kann hier daher nicht mehr einen Eintritt als Mitglied im Allgemeinen geben, sondern jeder Eintritt erscheint als ein ganz be- stimmt formulirter Vertrag zwischen Mitglied und Verein, und die ausführende Verwaltung hat zu ihrer wesentlichen Aufgabe, eben diese Verträge einerseits zu schließen, andererseits zur Vollziehung zu bringen. Es liegt daher in der Natur dieser Gegenseitigkeitsvereine, gleichviel ob sie eine rein wirthschaftliche oder zugleich eine sociale Tendenz haben, daß sich hier bereits die vollziehenden von den vertretenden Organen sondern, und eine Direktion neben dem Verwaltungsrath entsteht. Die Aufgabe der ersteren wird es dann, eben auf Grund ihrer kaufmän- nischen Erfahrung und Kenntnisse jene Verträge zu schließen. Die Basis der Thätigkeit der Direktion wird hier mithin die Berechnung der Prämien, die Aufgabe der Bediensteten die Erhebung derselben und die Auszahlungen in den vertragsmäßigen Fällen sein. Hier nun greift bereits das öffentliche Recht der Vereinsarten in viel bestimmterer Weise ein, wie bei den Beitragsvereinen, wie wir oben sehen werden.
Die dritte Grundform, die Erwerbsgesellschaften in ihren drei Formen, scheint nun principiell ganz den Bestimmungen des Ver- einsvertrages über die Verpflichtungen der Mitglieder gegen den Verein und umgekehrt des Vereins gegen die Mitglieder unterworfen zu sein.
den etwaigen Ueberſchuß oder den Ausfall an die Mitglieder zu ver- theilen.
Die erſte dieſer Aufgaben wird immer auf einer Wahrſcheinlich- keitsrechnung beruhen, deren Anſtellung und Begründung die erſte Pflicht der Verwaltung iſt. Die zweite iſt die Eintreibung und Auszahlung der gegenſeitigen Verpflichtungen; die dritte endlich muß als Erhöhung oder Verminderung der Leiſtung des einzelnen Mitgliedes zur Erſchei- nung gelangen. Es ergibt ſich daraus das Princip der Verwaltung der Gegenſeitigkeitsvereine, welches dem Zwecke derſelben entſpricht. Die Verwaltung derſelben ſoll ſo eingerichtet ſein, daß ſie die möglichſt großen Leiſtungen des Vereins an ſeine Mitglieder gegen die möglichſt geringen Leiſtungen der Mitglieder an den Verein erzielen ſoll. Damit aber hier die individuellen Auffaſſungen in der Verwaltung ſelbſt nicht das richtige Maß gefährden, muß das durch Wiſſenſchaft und Erfahrung feſtgeſtellte Maß beider Verpflichtungen zum Recht für beide Theile, das Mitglied und den Verein gemacht, und dem erſteren gegen ſeine auf dieſem Wege objektiv beſtimmten Leiſtungen ein rechtlicher Anſpruch auf eine gleichfalls objektiv beſtimmte Gegenleiſtung von Seiten des ganzen Vereins gegeben werden. Die Vereinsverwaltung hat demgemäß die Aufgabe, durch richtige Bemeſſung der erſteren Leiſtung für alle Mitglieder den Verein zur Leiſtung gegen das einzelne Mitglied fähig zu machen. Es kann hier daher nicht mehr einen Eintritt als Mitglied im Allgemeinen geben, ſondern jeder Eintritt erſcheint als ein ganz be- ſtimmt formulirter Vertrag zwiſchen Mitglied und Verein, und die ausführende Verwaltung hat zu ihrer weſentlichen Aufgabe, eben dieſe Verträge einerſeits zu ſchließen, andererſeits zur Vollziehung zu bringen. Es liegt daher in der Natur dieſer Gegenſeitigkeitsvereine, gleichviel ob ſie eine rein wirthſchaftliche oder zugleich eine ſociale Tendenz haben, daß ſich hier bereits die vollziehenden von den vertretenden Organen ſondern, und eine Direktion neben dem Verwaltungsrath entſteht. Die Aufgabe der erſteren wird es dann, eben auf Grund ihrer kaufmän- niſchen Erfahrung und Kenntniſſe jene Verträge zu ſchließen. Die Baſis der Thätigkeit der Direktion wird hier mithin die Berechnung der Prämien, die Aufgabe der Bedienſteten die Erhebung derſelben und die Auszahlungen in den vertragsmäßigen Fällen ſein. Hier nun greift bereits das öffentliche Recht der Vereinsarten in viel beſtimmterer Weiſe ein, wie bei den Beitragsvereinen, wie wir oben ſehen werden.
Die dritte Grundform, die Erwerbsgeſellſchaften in ihren drei Formen, ſcheint nun principiell ganz den Beſtimmungen des Ver- einsvertrages über die Verpflichtungen der Mitglieder gegen den Verein und umgekehrt des Vereins gegen die Mitglieder unterworfen zu ſein.
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den etwaigen Ueberſchuß oder den Ausfall an die Mitglieder zu ver-
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Die erſte dieſer Aufgaben wird immer auf einer Wahrſcheinlich-
keitsrechnung beruhen, deren Anſtellung und Begründung die erſte Pflicht
der Verwaltung iſt. Die zweite iſt die Eintreibung und Auszahlung
der gegenſeitigen Verpflichtungen; die dritte endlich muß als Erhöhung
oder Verminderung der Leiſtung des einzelnen Mitgliedes zur Erſchei-
nung gelangen. Es ergibt ſich daraus das Princip der Verwaltung
der Gegenſeitigkeitsvereine, welches dem Zwecke derſelben entſpricht. Die
Verwaltung derſelben ſoll ſo eingerichtet ſein, daß ſie die möglichſt großen
Leiſtungen des Vereins an ſeine Mitglieder gegen die möglichſt geringen
Leiſtungen der Mitglieder an den Verein erzielen ſoll. Damit aber
hier die individuellen Auffaſſungen in der Verwaltung ſelbſt nicht das
richtige Maß gefährden, muß das durch Wiſſenſchaft und Erfahrung
feſtgeſtellte Maß beider Verpflichtungen zum Recht für beide Theile,
das Mitglied und den Verein gemacht, und dem erſteren gegen ſeine
auf dieſem Wege objektiv beſtimmten Leiſtungen ein rechtlicher Anſpruch
auf eine gleichfalls objektiv beſtimmte Gegenleiſtung von Seiten des
ganzen Vereins gegeben werden. Die Vereinsverwaltung hat demgemäß
die Aufgabe, durch richtige Bemeſſung der erſteren Leiſtung für alle
Mitglieder den Verein zur Leiſtung gegen das einzelne Mitglied fähig
zu machen. Es kann hier daher nicht mehr einen Eintritt als Mitglied
im Allgemeinen geben, ſondern jeder Eintritt erſcheint als ein ganz be-
ſtimmt formulirter Vertrag zwiſchen Mitglied und Verein, und die
ausführende Verwaltung hat zu ihrer weſentlichen Aufgabe, eben dieſe
Verträge einerſeits zu ſchließen, andererſeits zur Vollziehung zu bringen.
Es liegt daher in der Natur dieſer Gegenſeitigkeitsvereine, gleichviel ob
ſie eine rein wirthſchaftliche oder zugleich eine ſociale Tendenz haben,
daß ſich hier bereits die vollziehenden von den vertretenden Organen
ſondern, und eine Direktion neben dem Verwaltungsrath entſteht. Die
Aufgabe der erſteren wird es dann, eben auf Grund ihrer kaufmän-
niſchen Erfahrung und Kenntniſſe jene Verträge zu ſchließen. Die
Baſis der Thätigkeit der Direktion wird hier mithin die Berechnung
der Prämien, die Aufgabe der Bedienſteten die Erhebung derſelben und
die Auszahlungen in den vertragsmäßigen Fällen ſein. Hier nun greift
bereits das öffentliche Recht der Vereinsarten in viel beſtimmterer Weiſe
ein, wie bei den Beitragsvereinen, wie wir oben ſehen werden.
Die dritte Grundform, die Erwerbsgeſellſchaften in ihren
drei Formen, ſcheint nun principiell ganz den Beſtimmungen des Ver-
einsvertrages über die Verpflichtungen der Mitglieder gegen den Verein
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 614. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/638>, abgerufen am 22.11.2024.
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